Eine Venus, ein Pan, eine Harfenspielerin, ein Mann mit einem oder zwei Rossen, Arat als Sieger mit einer Trophäe führen uns auf den Kreis von Ideen, in welchem früher Apelles und Protogenes sich bewegten. Das Glänzendste jedoch brachte diese Zeit auch nach dem Urtheile der Alten da hervor, wo die Vorzüge der bisher betrachteten verschie- denen Bestrebungen sich zu einer Einheit verschmolzen zei- gen. Dies war in den Werken des Timomachos der Fall. Ohne zu den äusserlichen Effecten seine Zuflucht zu nehmen, welche die materielle Behandlung von Schreckenscenen in voller Ausführlichkeit darzubieten vermochte, verstand er es, durch die feinste Durchführung der psychologischen Motivirung, in seinem Aias und der Medea unter der Hülle einer scheinbaren äusseren Ruhe doch die tiefste innerste Erregung zur Anschauung zu bringen und den Beschauer die unwiderruflich nahende tragische Katastrophe ahnen zu lassen; oder in der Gorgo die schönsten Formen mit dem Ausdrucke der Erstarrung des Todes zu erfüllen. Solche Werke zeigen, dass auch in der Malerei die Kraft des Gei- stes, welche einen Laokoon zu schaffen vermochte, noch nicht erstorben war. Aber Timomachos steht vereinzelt da: seine Erscheinung gleicht dem Lichte, welches vor dem Ver- löschen noch einmal einen hellen, aber kurzen Glanz ver- breitet, um uns die folgende Dunkelheit nur um so deut- licher empfinden zu lassen.
Anhang.
In der Geschichte der Bildhauer haben wir diejenigen von Plinius angeführten Namen, welche anderwärts keine Stelle finden konnten, am Schlusse der Periode der Diado- chen zusammengeordnet. Dieselben Gründe, welche uns dort (vgl. Th. I, S. 519 u. 525) zu diesem Verfahren bestimmten, gelten auch hier bei den Malern. Alle Meister ersten Ranges sind bereits früher behandelt worden; von den ihnen zu- nächst stehenden (primis proximi) ein grosser Theil. Nach- zutragen sind:
XXXV, §. 138: Aristokleides, "welcher den Tempel des Apollo zu Delphi malte." Was hierüber Raoul-Rochette (Lettre a Mr. Schorn p. 226) bemerkt, beruht auf Misver- ständniss eines Fragmentes des Polemon (N. 28 bei Preller).
Eine Venus, ein Pan, eine Harfenspielerin, ein Mann mit einem oder zwei Rossen, Arat als Sieger mit einer Trophäe führen uns auf den Kreis von Ideen, in welchem früher Apelles und Protogenes sich bewegten. Das Glänzendste jedoch brachte diese Zeit auch nach dem Urtheile der Alten da hervor, wo die Vorzüge der bisher betrachteten verschie- denen Bestrebungen sich zu einer Einheit verschmolzen zei- gen. Dies war in den Werken des Timomachos der Fall. Ohne zu den äusserlichen Effecten seine Zuflucht zu nehmen, welche die materielle Behandlung von Schreckenscenen in voller Ausführlichkeit darzubieten vermochte, verstand er es, durch die feinste Durchführung der psychologischen Motivirung, in seinem Aias und der Medea unter der Hülle einer scheinbaren äusseren Ruhe doch die tiefste innerste Erregung zur Anschauung zu bringen und den Beschauer die unwiderruflich nahende tragische Katastrophe ahnen zu lassen; oder in der Gorgo die schönsten Formen mit dem Ausdrucke der Erstarrung des Todes zu erfüllen. Solche Werke zeigen, dass auch in der Malerei die Kraft des Gei- stes, welche einen Laokoon zu schaffen vermochte, noch nicht erstorben war. Aber Timomachos steht vereinzelt da: seine Erscheinung gleicht dem Lichte, welches vor dem Ver- löschen noch einmal einen hellen, aber kurzen Glanz ver- breitet, um uns die folgende Dunkelheit nur um so deut- licher empfinden zu lassen.
Anhang.
In der Geschichte der Bildhauer haben wir diejenigen von Plinius angeführten Namen, welche anderwärts keine Stelle finden konnten, am Schlusse der Periode der Diado- chen zusammengeordnet. Dieselben Gründe, welche uns dort (vgl. Th. I, S. 519 u. 525) zu diesem Verfahren bestimmten, gelten auch hier bei den Malern. Alle Meister ersten Ranges sind bereits früher behandelt worden; von den ihnen zu- nächst stehenden (primis proximi) ein grosser Theil. Nach- zutragen sind:
XXXV, §. 138: Aristokleides, „welcher den Tempel des Apollo zu Delphi malte.“ Was hierüber Raoul-Rochette (Lettre à Mr. Schorn p. 226) bemerkt, beruht auf Misver- ständniss eines Fragmentes des Polemon (N. 28 bei Preller).
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0306"n="298"/>
Eine Venus, ein Pan, eine Harfenspielerin, ein Mann mit<lb/>
einem oder zwei Rossen, Arat als Sieger mit einer Trophäe<lb/>
führen uns auf den Kreis von Ideen, in welchem früher<lb/>
Apelles und Protogenes sich bewegten. Das Glänzendste jedoch<lb/>
brachte diese Zeit auch nach dem Urtheile der Alten da<lb/>
hervor, wo die Vorzüge der bisher betrachteten verschie-<lb/>
denen Bestrebungen sich zu einer Einheit verschmolzen zei-<lb/>
gen. Dies war in den Werken des Timomachos der Fall.<lb/>
Ohne zu den äusserlichen Effecten seine Zuflucht zu nehmen,<lb/>
welche die materielle Behandlung von Schreckenscenen in<lb/>
voller Ausführlichkeit darzubieten vermochte, verstand er<lb/>
es, durch die feinste Durchführung der psychologischen<lb/>
Motivirung, in seinem Aias und der Medea unter der Hülle<lb/>
einer scheinbaren äusseren Ruhe doch die tiefste innerste<lb/>
Erregung zur Anschauung zu bringen und den Beschauer<lb/>
die unwiderruflich nahende tragische Katastrophe ahnen zu<lb/>
lassen; oder in der Gorgo die schönsten Formen mit dem<lb/>
Ausdrucke der Erstarrung des Todes zu erfüllen. Solche<lb/>
Werke zeigen, dass auch in der Malerei die Kraft des Gei-<lb/>
stes, welche einen Laokoon zu schaffen vermochte, noch<lb/>
nicht erstorben war. Aber Timomachos steht vereinzelt da:<lb/>
seine Erscheinung gleicht dem Lichte, welches vor dem Ver-<lb/>
löschen noch einmal einen hellen, aber kurzen Glanz ver-<lb/>
breitet, um uns die folgende Dunkelheit nur um so deut-<lb/>
licher empfinden zu lassen.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Anhang</hi>.</hi></head><lb/><p>In der Geschichte der Bildhauer haben wir diejenigen<lb/>
von Plinius angeführten Namen, welche anderwärts keine<lb/>
Stelle finden konnten, am Schlusse der Periode der Diado-<lb/>
chen zusammengeordnet. Dieselben Gründe, welche uns dort<lb/>
(vgl. Th. I, S. 519 u. 525) zu diesem Verfahren bestimmten,<lb/>
gelten auch hier bei den Malern. Alle Meister ersten Ranges<lb/>
sind bereits früher behandelt worden; von den ihnen zu-<lb/>
nächst stehenden (primis proximi) ein grosser Theil. Nach-<lb/>
zutragen sind:</p><lb/><p>XXXV, §. 138: <hirendition="#g">Aristokleides</hi>, „welcher den Tempel<lb/>
des Apollo zu Delphi malte.“ Was hierüber Raoul-Rochette<lb/>
(Lettre à Mr. Schorn p. 226) bemerkt, beruht auf Misver-<lb/>
ständniss eines Fragmentes des Polemon (N. 28 bei Preller).</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[298/0306]
Eine Venus, ein Pan, eine Harfenspielerin, ein Mann mit
einem oder zwei Rossen, Arat als Sieger mit einer Trophäe
führen uns auf den Kreis von Ideen, in welchem früher
Apelles und Protogenes sich bewegten. Das Glänzendste jedoch
brachte diese Zeit auch nach dem Urtheile der Alten da
hervor, wo die Vorzüge der bisher betrachteten verschie-
denen Bestrebungen sich zu einer Einheit verschmolzen zei-
gen. Dies war in den Werken des Timomachos der Fall.
Ohne zu den äusserlichen Effecten seine Zuflucht zu nehmen,
welche die materielle Behandlung von Schreckenscenen in
voller Ausführlichkeit darzubieten vermochte, verstand er
es, durch die feinste Durchführung der psychologischen
Motivirung, in seinem Aias und der Medea unter der Hülle
einer scheinbaren äusseren Ruhe doch die tiefste innerste
Erregung zur Anschauung zu bringen und den Beschauer
die unwiderruflich nahende tragische Katastrophe ahnen zu
lassen; oder in der Gorgo die schönsten Formen mit dem
Ausdrucke der Erstarrung des Todes zu erfüllen. Solche
Werke zeigen, dass auch in der Malerei die Kraft des Gei-
stes, welche einen Laokoon zu schaffen vermochte, noch
nicht erstorben war. Aber Timomachos steht vereinzelt da:
seine Erscheinung gleicht dem Lichte, welches vor dem Ver-
löschen noch einmal einen hellen, aber kurzen Glanz ver-
breitet, um uns die folgende Dunkelheit nur um so deut-
licher empfinden zu lassen.
Anhang.
In der Geschichte der Bildhauer haben wir diejenigen
von Plinius angeführten Namen, welche anderwärts keine
Stelle finden konnten, am Schlusse der Periode der Diado-
chen zusammengeordnet. Dieselben Gründe, welche uns dort
(vgl. Th. I, S. 519 u. 525) zu diesem Verfahren bestimmten,
gelten auch hier bei den Malern. Alle Meister ersten Ranges
sind bereits früher behandelt worden; von den ihnen zu-
nächst stehenden (primis proximi) ein grosser Theil. Nach-
zutragen sind:
XXXV, §. 138: Aristokleides, „welcher den Tempel
des Apollo zu Delphi malte.“ Was hierüber Raoul-Rochette
(Lettre à Mr. Schorn p. 226) bemerkt, beruht auf Misver-
ständniss eines Fragmentes des Polemon (N. 28 bei Preller).
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/306>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.