Sklavennamen aus Lucian, 1) aber durch des Plinius Zusatz agilitatis exercitator werden wir auf die eigentliche Bedeu- tung des Namens geführt. War nun etwa Lekythion, "Oel- fläschchen," der wirkliche Name eines Lehrers der Athletik? oder der Beiname eines solchen, der durch seine Lehre die Glieder der Athleten schmeidigte gleich dem Inhalte des Salbengefässes? oder ging der Eifer der Griechen, Alles zu personificiren, so weit, dass sie aus dem Geräthe der Ath- letik einen Athleten schufen, an welchem die Wirkung der ersteren gewissermaassen verkörpert erschien?
Wichtiger als die Lösung dieser Schwierigkeit ist die Frage nach der Zeit des Künstlers. Plinius sagt: Timoma- chos malte zur Zeit Caesars. Ich muss diese Angabe für durchaus irrthümlich halten und freue mich, in dieser An- sicht mit Welcker 2) zusammengetroffen zu sein. Ueber- blicken wir alles, was wir aus Caesar's Zeit nicht nur über die Malerei, sondern über den Zustand der Kunst im Allge- meinen wissen, so werden wir nichts finden, was sich an Bedeutung dem Timomachos zur Seite stellen liesse: nir- gends begegnen wir einem Künstler, welcher durch eigenen Geist und durch eigene Erfindung etwas so Gewaltiges und namentlich etwas so Selbstständiges geleistet hätte, wie die Gemälde des Timomachos nach den ihnen gespendeten Lob- sprüchen gewesen sein müssen. Hierzu gesellen sich aber noch mancherlei Bedenken mehr äusserlicher Art. Caesar bezahlte für den Aias und die Medea achtzig Talente. Hätte nun der Künstler auf Bestellung des Caesar gearbeitet, würde da der Preis in Talenten und nicht vielmehr in Sestertien festgesetzt worden sein? Ausserdem bezahlte Caesar die Summe für zwei Bilder, von denen das eine nicht einmal vollendet war; offenbar war also damals der Künstler nicht mehr am Leben. Alle diese Schwierigkeiten fallen weg, so- bald wir annehmen, dass Plinius durch einen Irrthum die Zeit des Kaufes mit der des Künstlers verwechselt hat. Und hierin müssen wir noch bestärkt werden, wenn wir hören, dass zu Cicero's Zeit die Einwohner von Kyzikos zwei Bil- der des Aias und der Medea als den Stolz ihrer Stadt be- trachteten, 3) in welchen wir unschwer die Werke des Timo-
1) fugit. 32.
2) Kl. Schr. III, 457.
3) in Verr. IV, 60, 135.
Sklavennamen aus Lucian, 1) aber durch des Plinius Zusatz agilitatis exercitator werden wir auf die eigentliche Bedeu- tung des Namens geführt. War nun etwa Lekythion, „Oel- fläschchen,“ der wirkliche Name eines Lehrers der Athletik? oder der Beiname eines solchen, der durch seine Lehre die Glieder der Athleten schmeidigte gleich dem Inhalte des Salbengefässes? oder ging der Eifer der Griechen, Alles zu personificiren, so weit, dass sie aus dem Geräthe der Ath- letik einen Athleten schufen, an welchem die Wirkung der ersteren gewissermaassen verkörpert erschien?
Wichtiger als die Lösung dieser Schwierigkeit ist die Frage nach der Zeit des Künstlers. Plinius sagt: Timoma- chos malte zur Zeit Caesars. Ich muss diese Angabe für durchaus irrthümlich halten und freue mich, in dieser An- sicht mit Welcker 2) zusammengetroffen zu sein. Ueber- blicken wir alles, was wir aus Caesar’s Zeit nicht nur über die Malerei, sondern über den Zustand der Kunst im Allge- meinen wissen, so werden wir nichts finden, was sich an Bedeutung dem Timomachos zur Seite stellen liesse: nir- gends begegnen wir einem Künstler, welcher durch eigenen Geist und durch eigene Erfindung etwas so Gewaltiges und namentlich etwas so Selbstständiges geleistet hätte, wie die Gemälde des Timomachos nach den ihnen gespendeten Lob- sprüchen gewesen sein müssen. Hierzu gesellen sich aber noch mancherlei Bedenken mehr äusserlicher Art. Caesar bezahlte für den Aias und die Medea achtzig Talente. Hätte nun der Künstler auf Bestellung des Caesar gearbeitet, würde da der Preis in Talenten und nicht vielmehr in Sestertien festgesetzt worden sein? Ausserdem bezahlte Caesar die Summe für zwei Bilder, von denen das eine nicht einmal vollendet war; offenbar war also damals der Künstler nicht mehr am Leben. Alle diese Schwierigkeiten fallen weg, so- bald wir annehmen, dass Plinius durch einen Irrthum die Zeit des Kaufes mit der des Künstlers verwechselt hat. Und hierin müssen wir noch bestärkt werden, wenn wir hören, dass zu Cicero’s Zeit die Einwohner von Kyzikos zwei Bil- der des Aias und der Medea als den Stolz ihrer Stadt be- trachteten, 3) in welchen wir unschwer die Werke des Timo-
1) fugit. 32.
2) Kl. Schr. III, 457.
3) in Verr. IV, 60, 135.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0288"n="280"/>
Sklavennamen aus Lucian, <noteplace="foot"n="1)">fugit. 32.</note> aber durch des Plinius Zusatz<lb/>
agilitatis exercitator werden wir auf die eigentliche Bedeu-<lb/>
tung des Namens geführt. War nun etwa Lekythion, „Oel-<lb/>
fläschchen,“ der wirkliche Name eines Lehrers der Athletik?<lb/>
oder der Beiname eines solchen, der durch seine Lehre die<lb/>
Glieder der Athleten schmeidigte gleich dem Inhalte des<lb/>
Salbengefässes? oder ging der Eifer der Griechen, Alles zu<lb/>
personificiren, so weit, dass sie aus dem Geräthe der Ath-<lb/>
letik einen Athleten schufen, an welchem die Wirkung der<lb/>
ersteren gewissermaassen verkörpert erschien?</p><lb/><p>Wichtiger als die Lösung dieser Schwierigkeit ist die<lb/>
Frage nach der Zeit des Künstlers. Plinius sagt: Timoma-<lb/>
chos malte zur Zeit Caesars. Ich muss diese Angabe für<lb/>
durchaus irrthümlich halten und freue mich, in dieser An-<lb/>
sicht mit Welcker <noteplace="foot"n="2)">Kl. Schr. III, 457.</note> zusammengetroffen zu sein. Ueber-<lb/>
blicken wir alles, was wir aus Caesar’s Zeit nicht nur über<lb/>
die Malerei, sondern über den Zustand der Kunst im Allge-<lb/>
meinen wissen, so werden wir nichts finden, was sich an<lb/>
Bedeutung dem Timomachos zur Seite stellen liesse: nir-<lb/>
gends begegnen wir einem Künstler, welcher durch eigenen<lb/>
Geist und durch eigene Erfindung etwas so Gewaltiges und<lb/>
namentlich etwas so Selbstständiges geleistet hätte, wie die<lb/>
Gemälde des Timomachos nach den ihnen gespendeten Lob-<lb/>
sprüchen gewesen sein müssen. Hierzu gesellen sich aber<lb/>
noch mancherlei Bedenken mehr äusserlicher Art. Caesar<lb/>
bezahlte für den Aias und die Medea achtzig Talente. Hätte<lb/>
nun der Künstler auf Bestellung des Caesar gearbeitet, würde<lb/>
da der Preis in Talenten und nicht vielmehr in Sestertien<lb/>
festgesetzt worden sein? Ausserdem bezahlte Caesar die<lb/>
Summe für zwei Bilder, von denen das eine nicht einmal<lb/>
vollendet war; offenbar war also damals der Künstler nicht<lb/>
mehr am Leben. Alle diese Schwierigkeiten fallen weg, so-<lb/>
bald wir annehmen, dass Plinius durch einen Irrthum die<lb/>
Zeit des Kaufes mit der des Künstlers verwechselt hat. Und<lb/>
hierin müssen wir noch bestärkt werden, wenn wir hören,<lb/>
dass zu Cicero’s Zeit die Einwohner von Kyzikos zwei Bil-<lb/>
der des Aias und der Medea als den Stolz ihrer Stadt be-<lb/>
trachteten, <noteplace="foot"n="3)">in Verr. IV, 60, 135.</note> in welchen wir unschwer die Werke des Timo-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[280/0288]
Sklavennamen aus Lucian, 1) aber durch des Plinius Zusatz
agilitatis exercitator werden wir auf die eigentliche Bedeu-
tung des Namens geführt. War nun etwa Lekythion, „Oel-
fläschchen,“ der wirkliche Name eines Lehrers der Athletik?
oder der Beiname eines solchen, der durch seine Lehre die
Glieder der Athleten schmeidigte gleich dem Inhalte des
Salbengefässes? oder ging der Eifer der Griechen, Alles zu
personificiren, so weit, dass sie aus dem Geräthe der Ath-
letik einen Athleten schufen, an welchem die Wirkung der
ersteren gewissermaassen verkörpert erschien?
Wichtiger als die Lösung dieser Schwierigkeit ist die
Frage nach der Zeit des Künstlers. Plinius sagt: Timoma-
chos malte zur Zeit Caesars. Ich muss diese Angabe für
durchaus irrthümlich halten und freue mich, in dieser An-
sicht mit Welcker 2) zusammengetroffen zu sein. Ueber-
blicken wir alles, was wir aus Caesar’s Zeit nicht nur über
die Malerei, sondern über den Zustand der Kunst im Allge-
meinen wissen, so werden wir nichts finden, was sich an
Bedeutung dem Timomachos zur Seite stellen liesse: nir-
gends begegnen wir einem Künstler, welcher durch eigenen
Geist und durch eigene Erfindung etwas so Gewaltiges und
namentlich etwas so Selbstständiges geleistet hätte, wie die
Gemälde des Timomachos nach den ihnen gespendeten Lob-
sprüchen gewesen sein müssen. Hierzu gesellen sich aber
noch mancherlei Bedenken mehr äusserlicher Art. Caesar
bezahlte für den Aias und die Medea achtzig Talente. Hätte
nun der Künstler auf Bestellung des Caesar gearbeitet, würde
da der Preis in Talenten und nicht vielmehr in Sestertien
festgesetzt worden sein? Ausserdem bezahlte Caesar die
Summe für zwei Bilder, von denen das eine nicht einmal
vollendet war; offenbar war also damals der Künstler nicht
mehr am Leben. Alle diese Schwierigkeiten fallen weg, so-
bald wir annehmen, dass Plinius durch einen Irrthum die
Zeit des Kaufes mit der des Künstlers verwechselt hat. Und
hierin müssen wir noch bestärkt werden, wenn wir hören,
dass zu Cicero’s Zeit die Einwohner von Kyzikos zwei Bil-
der des Aias und der Medea als den Stolz ihrer Stadt be-
trachteten, 3) in welchen wir unschwer die Werke des Timo-
1) fugit. 32.
2) Kl. Schr. III, 457.
3) in Verr. IV, 60, 135.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/288>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.