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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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cher musste er auch, selbst als er schon gebrochen, noch
durch jede andere Stimmung durchleuchten. Wenn wir dem-
nach dem Zeugnisse des Philostratus als eines Gewährs-
mannes, der ja auch sonst mit Kunstwerken sich vielfältig
beschäftigt hat, ein höheres Gewicht beilegen, so müssen
wir allerdings den leitenden Gedanken des Künstlers bei
der Verbindung des Aias mit der Medea nicht darin suchen,
dass er beide in durchaus gleicher Situation darstellen wollte
sondern vielmehr darin, dass er jene Wuth, welche nicht
selten bei den Alten als durch die besondere Einwirkung
von Dämonen, wie Oistros und Lyssa, hervorgerufen er-
scheint, in dem einen Bilde vor dem Eintritt der Katastrophe,
in dem anderen schon in ihren Consequenzen zeigte, nach
einem Princip der Composition, welches auch sonst vielfältig
bei der Auswahl zusammengehöriger Werke in Anwendung
gekommen ist. -- Hinsichtlich der Medea ist wenigstens so
viel sicher, dass für ihre Darstellung der Moment vor der That
gewählt war, wo sie zwar das Schwert schon in der Hand
hält, aber noch unschlüssig erscheint, ob sie den Mord an ihren
eigenen Kindern vollziehen soll, indem der Zorn über Jason
und das Mitleid mit den Kindern noch mit einander kämpfen.
Das lehren uns namentlich die Epigramme; und wir ver-
mögen danach auch die Figur der Medea in einem Wandge-
mälde 1) als der Auffassung des Timomachos entsprechend
nachzuweisen. Nicht so bestimmt lässt sich darüber urthei-
len, ob auch die Kinder neben der Mutter in dem Bilde an-
gebracht waren. Da sie sich indessen auf den von Lucian 2)
und Lucilius 3) erwähnten Gemälden finden, wo wir dem Zu-
sammenhange nach eine Beziehung auf das Werk des Timo-
machos als die berühmteste Darstellung dieses Gegenstandes
nicht wohl abweisen können, so ist es mindestens sehr
wahrscheinlich, dass auch Timomachos den Kontrast mit
den in naivster Unschuld spielenden Kindern benutzt habe,
um das Vorhaben der Medea in um so grellerem Lichte er-
scheinen zu lassen. 4) Wie dem aber auch sei, so war in

1) Mus. Borb. X, 21.
2) de domo c. 31.
3) Aetna v. 594.
4) Hin-
sichtlich des Lueilius hegt Welcker (a. a. O. S. 455) einigen Zweifel, indem
ja des Timomachos Medea sich zu Rom befunden habe, Lucilius sie aber un-
ter Dingen anführe, deren wegen von dem Liebhaber wohl Reisen über Land
und Meer unternommen würden. Dass aber der Dichter von seiner Aufzäh-

cher musste er auch, selbst als er schon gebrochen, noch
durch jede andere Stimmung durchleuchten. Wenn wir dem-
nach dem Zeugnisse des Philostratus als eines Gewährs-
mannes, der ja auch sonst mit Kunstwerken sich vielfältig
beschäftigt hat, ein höheres Gewicht beilegen, so müssen
wir allerdings den leitenden Gedanken des Künstlers bei
der Verbindung des Aias mit der Medea nicht darin suchen,
dass er beide in durchaus gleicher Situation darstellen wollte
sondern vielmehr darin, dass er jene Wuth, welche nicht
selten bei den Alten als durch die besondere Einwirkung
von Dämonen, wie Oistros und Lyssa, hervorgerufen er-
scheint, in dem einen Bilde vor dem Eintritt der Katastrophe,
in dem anderen schon in ihren Consequenzen zeigte, nach
einem Princip der Composition, welches auch sonst vielfältig
bei der Auswahl zusammengehöriger Werke in Anwendung
gekommen ist. — Hinsichtlich der Medea ist wenigstens so
viel sicher, dass für ihre Darstellung der Moment vor der That
gewählt war, wo sie zwar das Schwert schon in der Hand
hält, aber noch unschlüssig erscheint, ob sie den Mord an ihren
eigenen Kindern vollziehen soll, indem der Zorn über Jason
und das Mitleid mit den Kindern noch mit einander kämpfen.
Das lehren uns namentlich die Epigramme; und wir ver-
mögen danach auch die Figur der Medea in einem Wandge-
mälde 1) als der Auffassung des Timomachos entsprechend
nachzuweisen. Nicht so bestimmt lässt sich darüber urthei-
len, ob auch die Kinder neben der Mutter in dem Bilde an-
gebracht waren. Da sie sich indessen auf den von Lucian 2)
und Lucilius 3) erwähnten Gemälden finden, wo wir dem Zu-
sammenhange nach eine Beziehung auf das Werk des Timo-
machos als die berühmteste Darstellung dieses Gegenstandes
nicht wohl abweisen können, so ist es mindestens sehr
wahrscheinlich, dass auch Timomachos den Kontrast mit
den in naivster Unschuld spielenden Kindern benutzt habe,
um das Vorhaben der Medea in um so grellerem Lichte er-
scheinen zu lassen. 4) Wie dem aber auch sei, so war in

1) Mus. Borb. X, 21.
2) de domo c. 31.
3) Aetna v. 594.
4) Hin-
sichtlich des Lueilius hegt Welcker (a. a. O. S. 455) einigen Zweifel, indem
ja des Timomachos Medea sich zu Rom befunden habe, Lucilius sie aber un-
ter Dingen anführe, deren wegen von dem Liebhaber wohl Reisen über Land
und Meer unternommen würden. Dass aber der Dichter von seiner Aufzäh-
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[278/0286] cher musste er auch, selbst als er schon gebrochen, noch durch jede andere Stimmung durchleuchten. Wenn wir dem- nach dem Zeugnisse des Philostratus als eines Gewährs- mannes, der ja auch sonst mit Kunstwerken sich vielfältig beschäftigt hat, ein höheres Gewicht beilegen, so müssen wir allerdings den leitenden Gedanken des Künstlers bei der Verbindung des Aias mit der Medea nicht darin suchen, dass er beide in durchaus gleicher Situation darstellen wollte sondern vielmehr darin, dass er jene Wuth, welche nicht selten bei den Alten als durch die besondere Einwirkung von Dämonen, wie Oistros und Lyssa, hervorgerufen er- scheint, in dem einen Bilde vor dem Eintritt der Katastrophe, in dem anderen schon in ihren Consequenzen zeigte, nach einem Princip der Composition, welches auch sonst vielfältig bei der Auswahl zusammengehöriger Werke in Anwendung gekommen ist. — Hinsichtlich der Medea ist wenigstens so viel sicher, dass für ihre Darstellung der Moment vor der That gewählt war, wo sie zwar das Schwert schon in der Hand hält, aber noch unschlüssig erscheint, ob sie den Mord an ihren eigenen Kindern vollziehen soll, indem der Zorn über Jason und das Mitleid mit den Kindern noch mit einander kämpfen. Das lehren uns namentlich die Epigramme; und wir ver- mögen danach auch die Figur der Medea in einem Wandge- mälde 1) als der Auffassung des Timomachos entsprechend nachzuweisen. Nicht so bestimmt lässt sich darüber urthei- len, ob auch die Kinder neben der Mutter in dem Bilde an- gebracht waren. Da sie sich indessen auf den von Lucian 2) und Lucilius 3) erwähnten Gemälden finden, wo wir dem Zu- sammenhange nach eine Beziehung auf das Werk des Timo- machos als die berühmteste Darstellung dieses Gegenstandes nicht wohl abweisen können, so ist es mindestens sehr wahrscheinlich, dass auch Timomachos den Kontrast mit den in naivster Unschuld spielenden Kindern benutzt habe, um das Vorhaben der Medea in um so grellerem Lichte er- scheinen zu lassen. 4) Wie dem aber auch sei, so war in 1) Mus. Borb. X, 21. 2) de domo c. 31. 3) Aetna v. 594. 4) Hin- sichtlich des Lueilius hegt Welcker (a. a. O. S. 455) einigen Zweifel, indem ja des Timomachos Medea sich zu Rom befunden habe, Lucilius sie aber un- ter Dingen anführe, deren wegen von dem Liebhaber wohl Reisen über Land und Meer unternommen würden. Dass aber der Dichter von seiner Aufzäh-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/286>, abgerufen am 28.11.2024.