in den kleineren Staaten dem Einzelnen gelingt, sich zur Alleinherrschaft emporzuschwingen, scheint unter den Mit- teln zur Verherrlichung solcher Herrschaft der Kunst häufig eine bevorzugte Stelle zu Theil geworden zu sein: dafür mögen die hohen Preise, welche Mnason von Elatea, Ari- stratos von Sikyon ausgezeichneten Künstlern bezahlten, zum Beweise dienen. Noch folgenreicher aber war es, dass der König, welcher auf die Herrschaft über ganz Griechenland sein Auge gerichtet hatte, Philipp von Makedonien, sich hierin dem Beispiele griechischer Staatsmänner und Fürsten anschloss. Als nun Alexander die Pläne seines Vaters in umfassendster Weise verwirklichte, da ward der makedonische Königshof auch für das fernere Gedeihen der Kunst der eigentliche Mittelpunkt, von welchem aus sie sich, nachdem sie zunächst in Kleinasien wohl mit in Folge der Züge Alexanders einen erneuten Aufschwung genommen hatte, dann später wieder über die einzelnen Reiche verbreitete, die aus der Erbschaft Alexanders hervorgingen.
Welchen Einfluss nun die eben betrachteten Verhältnisse auf die innere Entwickelung der Malerei ausübten, wollen wir zuerst dadurch zu erforschen suchen, dass wir den Kreis der Gegenstände überblicken, an welchen sie sich übte. Denn ihre Wahl wird nothwendig vielfach dadurch bedingt sein, ob der Künstler für eine Republik, einen König oder einen Privatmann arbeitet. Dass die Malerei sich aus ihrer früheren engen Verbindung mit der Religion gelöst hatte, zeigte sich uns bereits in der vorigen Periode; sie lernte auch in dieser Hinsicht ihre eigenen Wege gehen, ganz wie sie sich aus der Abhängigkeit von der Architectur emancipirt hatte. Allerdings mochte auch jetzt noch ein grosser Theil ihrer Werke in Tempeln und sonstigen heiligen Räumen ge- weiht werden; aber gewiss hatten diese nur selten eine nähere Beziehung zum Cultus oder auch nur zu bestimmten mit den einzelnen Heiligthümern verbundenen mythologischen Traditionen. Wenn daher trotzdem die Mythologie noch immer als das bevorzugte Gebiet dasteht, von welchem die Malerei ihre Stoffe entlehnt, so verdankt sie dies weniger ihrem religiösen, als ihrem poetischen Gehalte, ihrem Reich- thume an künstlerischen Motiven. Denn wegen welcher Eigenschaften werden diese Werke gepriesen? Hier ist es
in den kleineren Staaten dem Einzelnen gelingt, sich zur Alleinherrschaft emporzuschwingen, scheint unter den Mit- teln zur Verherrlichung solcher Herrschaft der Kunst häufig eine bevorzugte Stelle zu Theil geworden zu sein: dafür mögen die hohen Preise, welche Mnason von Elatea, Ari- stratos von Sikyon ausgezeichneten Künstlern bezahlten, zum Beweise dienen. Noch folgenreicher aber war es, dass der König, welcher auf die Herrschaft über ganz Griechenland sein Auge gerichtet hatte, Philipp von Makedonien, sich hierin dem Beispiele griechischer Staatsmänner und Fürsten anschloss. Als nun Alexander die Pläne seines Vaters in umfassendster Weise verwirklichte, da ward der makedonische Königshof auch für das fernere Gedeihen der Kunst der eigentliche Mittelpunkt, von welchem aus sie sich, nachdem sie zunächst in Kleinasien wohl mit in Folge der Züge Alexanders einen erneuten Aufschwung genommen hatte, dann später wieder über die einzelnen Reiche verbreitete, die aus der Erbschaft Alexanders hervorgingen.
Welchen Einfluss nun die eben betrachteten Verhältnisse auf die innere Entwickelung der Malerei ausübten, wollen wir zuerst dadurch zu erforschen suchen, dass wir den Kreis der Gegenstände überblicken, an welchen sie sich übte. Denn ihre Wahl wird nothwendig vielfach dadurch bedingt sein, ob der Künstler für eine Republik, einen König oder einen Privatmann arbeitet. Dass die Malerei sich aus ihrer früheren engen Verbindung mit der Religion gelöst hatte, zeigte sich uns bereits in der vorigen Periode; sie lernte auch in dieser Hinsicht ihre eigenen Wege gehen, ganz wie sie sich aus der Abhängigkeit von der Architectur emancipirt hatte. Allerdings mochte auch jetzt noch ein grosser Theil ihrer Werke in Tempeln und sonstigen heiligen Räumen ge- weiht werden; aber gewiss hatten diese nur selten eine nähere Beziehung zum Cultus oder auch nur zu bestimmten mit den einzelnen Heiligthümern verbundenen mythologischen Traditionen. Wenn daher trotzdem die Mythologie noch immer als das bevorzugte Gebiet dasteht, von welchem die Malerei ihre Stoffe entlehnt, so verdankt sie dies weniger ihrem religiösen, als ihrem poetischen Gehalte, ihrem Reich- thume an künstlerischen Motiven. Denn wegen welcher Eigenschaften werden diese Werke gepriesen? Hier ist es
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in den kleineren Staaten dem Einzelnen gelingt, sich zur
Alleinherrschaft emporzuschwingen, scheint unter den Mit-
teln zur Verherrlichung solcher Herrschaft der Kunst häufig
eine bevorzugte Stelle zu Theil geworden zu sein: dafür
mögen die hohen Preise, welche Mnason von Elatea, Ari-
stratos von Sikyon ausgezeichneten Künstlern bezahlten, zum
Beweise dienen. Noch folgenreicher aber war es, dass der
König, welcher auf die Herrschaft über ganz Griechenland
sein Auge gerichtet hatte, Philipp von Makedonien, sich
hierin dem Beispiele griechischer Staatsmänner und Fürsten
anschloss. Als nun Alexander die Pläne seines Vaters in
umfassendster Weise verwirklichte, da ward der makedonische
Königshof auch für das fernere Gedeihen der Kunst der
eigentliche Mittelpunkt, von welchem aus sie sich, nachdem
sie zunächst in Kleinasien wohl mit in Folge der Züge
Alexanders einen erneuten Aufschwung genommen hatte, dann
später wieder über die einzelnen Reiche verbreitete, die aus
der Erbschaft Alexanders hervorgingen.
Welchen Einfluss nun die eben betrachteten Verhältnisse
auf die innere Entwickelung der Malerei ausübten, wollen
wir zuerst dadurch zu erforschen suchen, dass wir den Kreis
der Gegenstände überblicken, an welchen sie sich übte.
Denn ihre Wahl wird nothwendig vielfach dadurch bedingt
sein, ob der Künstler für eine Republik, einen König oder
einen Privatmann arbeitet. Dass die Malerei sich aus ihrer
früheren engen Verbindung mit der Religion gelöst hatte,
zeigte sich uns bereits in der vorigen Periode; sie lernte
auch in dieser Hinsicht ihre eigenen Wege gehen, ganz wie
sie sich aus der Abhängigkeit von der Architectur emancipirt
hatte. Allerdings mochte auch jetzt noch ein grosser Theil
ihrer Werke in Tempeln und sonstigen heiligen Räumen ge-
weiht werden; aber gewiss hatten diese nur selten eine
nähere Beziehung zum Cultus oder auch nur zu bestimmten
mit den einzelnen Heiligthümern verbundenen mythologischen
Traditionen. Wenn daher trotzdem die Mythologie noch
immer als das bevorzugte Gebiet dasteht, von welchem die
Malerei ihre Stoffe entlehnt, so verdankt sie dies weniger
ihrem religiösen, als ihrem poetischen Gehalte, ihrem Reich-
thume an künstlerischen Motiven. Denn wegen welcher
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/276>, abgerufen am 24.11.2024.
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