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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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nur meine individuelle Meinung, wenn ich der ersten An-
nahme den Vorzug gebe und die Semiramis als ein streng
durchgeführtes Seitenstück zur Rhoxane auffasse, so dass in
den beiden Bildern Rhoxane der Semiramis, Alexander dem
Ninos, Hephaestion mit der Fackel der Alten entsprechen
würde. -- Das Bild der Rhoxane beschreibt Lucian 1) aus-
führlich in folgender Weise: "Das Bild befindet sich in Ita-
lien und ich selbst sah es, so dass ich auch dir etwas dar-
über zu sagen vermag. Die Scene bildet ein prächtiges
Brautgemach mit dem bräutlichen Lager, und Rhoxane sitzt
darauf, ein wunderschönes Muster von Jungfrau. Sie blickt
zur Erde aus Schaam vor Alexander, der vor ihr steht.
Einige Eroten sind lächelnd dabei beschäftigt: der eine steht
hinten und hebt von dem Haupte den Schleier weg und zeigt
dem Bräutigam die Rhoxane; ein anderer aber zieht ganz
dienstfertig die Sandalen vom Fusse, damit sie sich nun nie-
derlege; wieder einer hat den Alexander beim Mantel er-
griffen, ebenfalls ein Eros, und schleppt ihn, ganz kräftig
anziehend, zur Rhoxane. Der König selbst aber reicht dem
Mädchen einen Kranz. Als Begleiter und Brautführer ist
auch Hephaestion mit brennender Fackel gegenwärtig: er
stützt sich auf einen in schönster Jugendblüthe stehenden
Jüngling, Hymenaeos, meine ich; denn der Name ist nicht
dabei geschrieben. Auf der andern Seite des Bildes scher-
zen andere Eroten mit den Waffen Alexanders, zwei tragen
seinen Speer, indem sie die Lastträger nachahmen, wenn sie
beim Tragen eines Balkens schwer beladen sind; zwei an-
dere ziehen einen dritten, der sich auf den Schild gelagert
hat, gewissermassen als den König, indem sie den Schild bei
den Henkeln gefasst haben. Einer endlich ist in den umge-
stürzt daliegenden Harnisch gekrochen, als läge er im Hin-
terhalt, um die andern zu erschrecken, wenn sie beim Ziehen
ihm nahekommen." Ausserdem erwähnt Lucian 2) noch die
Lippen der Rhoxane als besonders musterhaft gemalt.

Zwei Künstler der Neuzeit haben den Versuch gemacht,
nach der Beschreibung des Lucian das Werk des Aetion zu
reproduciren, Raphael allerdings nur skizzenhaft in dem jetzt
in der Gallerie Borghese zu Rom befindlichen Frescobilde, So-

1) Herod. s. Eetion 5.
2) imagg. 7.

nur meine individuelle Meinung, wenn ich der ersten An-
nahme den Vorzug gebe und die Semiramis als ein streng
durchgeführtes Seitenstück zur Rhoxane auffasse, so dass in
den beiden Bildern Rhoxane der Semiramis, Alexander dem
Ninos, Hephaestion mit der Fackel der Alten entsprechen
würde. — Das Bild der Rhoxane beschreibt Lucian 1) aus-
führlich in folgender Weise: „Das Bild befindet sich in Ita-
lien und ich selbst sah es, so dass ich auch dir etwas dar-
über zu sagen vermag. Die Scene bildet ein prächtiges
Brautgemach mit dem bräutlichen Lager, und Rhoxane sitzt
darauf, ein wunderschönes Muster von Jungfrau. Sie blickt
zur Erde aus Schaam vor Alexander, der vor ihr steht.
Einige Eroten sind lächelnd dabei beschäftigt: der eine steht
hinten und hebt von dem Haupte den Schleier weg und zeigt
dem Bräutigam die Rhoxane; ein anderer aber zieht ganz
dienstfertig die Sandalen vom Fusse, damit sie sich nun nie-
derlege; wieder einer hat den Alexander beim Mantel er-
griffen, ebenfalls ein Eros, und schleppt ihn, ganz kräftig
anziehend, zur Rhoxane. Der König selbst aber reicht dem
Mädchen einen Kranz. Als Begleiter und Brautführer ist
auch Hephaestion mit brennender Fackel gegenwärtig: er
stützt sich auf einen in schönster Jugendblüthe stehenden
Jüngling, Hymenaeos, meine ich; denn der Name ist nicht
dabei geschrieben. Auf der andern Seite des Bildes scher-
zen andere Eroten mit den Waffen Alexanders, zwei tragen
seinen Speer, indem sie die Lastträger nachahmen, wenn sie
beim Tragen eines Balkens schwer beladen sind; zwei an-
dere ziehen einen dritten, der sich auf den Schild gelagert
hat, gewissermassen als den König, indem sie den Schild bei
den Henkeln gefasst haben. Einer endlich ist in den umge-
stürzt daliegenden Harnisch gekrochen, als läge er im Hin-
terhalt, um die andern zu erschrecken, wenn sie beim Ziehen
ihm nahekommen.“ Ausserdem erwähnt Lucian 2) noch die
Lippen der Rhoxane als besonders musterhaft gemalt.

Zwei Künstler der Neuzeit haben den Versuch gemacht,
nach der Beschreibung des Lucian das Werk des Aetion zu
reproduciren, Raphael allerdings nur skizzenhaft in dem jetzt
in der Gallerie Borghese zu Rom befindlichen Frescobilde, So-

1) Herod. s. Eetion 5.
2) imagg. 7.
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[246/0254] nur meine individuelle Meinung, wenn ich der ersten An- nahme den Vorzug gebe und die Semiramis als ein streng durchgeführtes Seitenstück zur Rhoxane auffasse, so dass in den beiden Bildern Rhoxane der Semiramis, Alexander dem Ninos, Hephaestion mit der Fackel der Alten entsprechen würde. — Das Bild der Rhoxane beschreibt Lucian 1) aus- führlich in folgender Weise: „Das Bild befindet sich in Ita- lien und ich selbst sah es, so dass ich auch dir etwas dar- über zu sagen vermag. Die Scene bildet ein prächtiges Brautgemach mit dem bräutlichen Lager, und Rhoxane sitzt darauf, ein wunderschönes Muster von Jungfrau. Sie blickt zur Erde aus Schaam vor Alexander, der vor ihr steht. Einige Eroten sind lächelnd dabei beschäftigt: der eine steht hinten und hebt von dem Haupte den Schleier weg und zeigt dem Bräutigam die Rhoxane; ein anderer aber zieht ganz dienstfertig die Sandalen vom Fusse, damit sie sich nun nie- derlege; wieder einer hat den Alexander beim Mantel er- griffen, ebenfalls ein Eros, und schleppt ihn, ganz kräftig anziehend, zur Rhoxane. Der König selbst aber reicht dem Mädchen einen Kranz. Als Begleiter und Brautführer ist auch Hephaestion mit brennender Fackel gegenwärtig: er stützt sich auf einen in schönster Jugendblüthe stehenden Jüngling, Hymenaeos, meine ich; denn der Name ist nicht dabei geschrieben. Auf der andern Seite des Bildes scher- zen andere Eroten mit den Waffen Alexanders, zwei tragen seinen Speer, indem sie die Lastträger nachahmen, wenn sie beim Tragen eines Balkens schwer beladen sind; zwei an- dere ziehen einen dritten, der sich auf den Schild gelagert hat, gewissermassen als den König, indem sie den Schild bei den Henkeln gefasst haben. Einer endlich ist in den umge- stürzt daliegenden Harnisch gekrochen, als läge er im Hin- terhalt, um die andern zu erschrecken, wenn sie beim Ziehen ihm nahekommen.“ Ausserdem erwähnt Lucian 2) noch die Lippen der Rhoxane als besonders musterhaft gemalt. Zwei Künstler der Neuzeit haben den Versuch gemacht, nach der Beschreibung des Lucian das Werk des Aetion zu reproduciren, Raphael allerdings nur skizzenhaft in dem jetzt in der Gallerie Borghese zu Rom befindlichen Frescobilde, So- 1) Herod. s. Eetion 5. 2) imagg. 7.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/254>, abgerufen am 23.11.2024.