einen, wie des andern scheinbar enthalten ist, so wird uns dies eben nur dadurch gelingen, dass wir das Verdienst eines jeden scharf auf eine bestimmte Sphäre beschränken. Dem Polygnot gebührt die erste Stelle auf dem Gebiete des poetisch - künstlerischen Schaffens, also auf einem Gebiete, welches von der besondern Gattung der Kunst in gewissen Beziehungen unabhängig ist, so dass sich wohl sagen lässt, Polygnot sei grösser als Künstler im all- gemeinen, denn als Maler im engeren Sinne des Wortes. Apelles dagegen ist unerreichbar in der Meisterschaft, mit welcher er alle Mittel der malerischen Darstellung zu hand- haben verstand; sein Ruhm beruht auf der Kunst des Ma- lens. In der Geschichte der Sculptur zeigen sich an den Werken des Phidias Gedanke und Darstellung auf gleicher Stufe der höchsten, harmonischen Vollendung. In der Ge- schichte der Malerei hat jedes dieser beiden Gebiete seinen gesonderten Mittel- und Höhepunkt, und der Ruhm, welcher dort den Phidias über alle andern unbezweifelt erhebt, er- scheint deshalb hier getheilt zwischen den beiden Persönlich- keiten des Polygnot und des Apelles.
Protogenes.
Die Hauptquelle unserer Kenntniss dieses Künstlers bil- det so vorzugsweise Plinius, dass wir seinen ganzen Bericht 1) hier vollständig voranschicken wollen: "Zugleich mit Apelles und Aristides blühte auch Protogenes. Sein Vaterland war Kaunos, der Sitz eines den Rhodiern unterworfenen Stam- mes. Höchste Armuth im Beginne seiner Laufbahn und das höchste Streben in der Kunst erklären seine geringere Frucht- barkeit. Wer sein Lehrer gewesen, hält man nicht für aus- gemacht. Einige meinen sogar, er habe Schiffe gemalt bis zu seinem fünfzigsten Jahre: zum Beweise diene, dass, als er zu Athen an dem berühmtesten Orte des Heiligthums der Athene das Propylaeon malte, er in dem berühmten Gemälde des Para- los und der Hammonias, welches von Einigen Nausikaa genannt wird, unter dem von den Malern als Parerga bezeichneten Bei- werk kleine lange Schiffe angebracht habe, damit dadurch klar werde, von welchen Anfängen seine Werke bis zum
1) 35, 101--106.
einen, wie des andern scheinbar enthalten ist, so wird uns dies eben nur dadurch gelingen, dass wir das Verdienst eines jeden scharf auf eine bestimmte Sphäre beschränken. Dem Polygnot gebührt die erste Stelle auf dem Gebiete des poetisch - künstlerischen Schaffens, also auf einem Gebiete, welches von der besondern Gattung der Kunst in gewissen Beziehungen unabhängig ist, so dass sich wohl sagen lässt, Polygnot sei grösser als Künstler im all- gemeinen, denn als Maler im engeren Sinne des Wortes. Apelles dagegen ist unerreichbar in der Meisterschaft, mit welcher er alle Mittel der malerischen Darstellung zu hand- haben verstand; sein Ruhm beruht auf der Kunst des Ma- lens. In der Geschichte der Sculptur zeigen sich an den Werken des Phidias Gedanke und Darstellung auf gleicher Stufe der höchsten, harmonischen Vollendung. In der Ge- schichte der Malerei hat jedes dieser beiden Gebiete seinen gesonderten Mittel- und Höhepunkt, und der Ruhm, welcher dort den Phidias über alle andern unbezweifelt erhebt, er- scheint deshalb hier getheilt zwischen den beiden Persönlich- keiten des Polygnot und des Apelles.
Protogenes.
Die Hauptquelle unserer Kenntniss dieses Künstlers bil- det so vorzugsweise Plinius, dass wir seinen ganzen Bericht 1) hier vollständig voranschicken wollen: „Zugleich mit Apelles und Aristides blühte auch Protogenes. Sein Vaterland war Kaunos, der Sitz eines den Rhodiern unterworfenen Stam- mes. Höchste Armuth im Beginne seiner Laufbahn und das höchste Streben in der Kunst erklären seine geringere Frucht- barkeit. Wer sein Lehrer gewesen, hält man nicht für aus- gemacht. Einige meinen sogar, er habe Schiffe gemalt bis zu seinem fünfzigsten Jahre: zum Beweise diene, dass, als er zu Athen an dem berühmtesten Orte des Heiligthums der Athene das Propylaeon malte, er in dem berühmten Gemälde des Para- los und der Hammonias, welches von Einigen Nausikaa genannt wird, unter dem von den Malern als Parerga bezeichneten Bei- werk kleine lange Schiffe angebracht habe, damit dadurch klar werde, von welchen Anfängen seine Werke bis zum
1) 35, 101—106.
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einen, wie des andern scheinbar enthalten ist, so wird
uns dies eben nur dadurch gelingen, dass wir das
Verdienst eines jeden scharf auf eine bestimmte Sphäre
beschränken. Dem Polygnot gebührt die erste Stelle auf
dem Gebiete des poetisch - künstlerischen Schaffens, also
auf einem Gebiete, welches von der besondern Gattung der
Kunst in gewissen Beziehungen unabhängig ist, so dass sich
wohl sagen lässt, Polygnot sei grösser als Künstler im all-
gemeinen, denn als Maler im engeren Sinne des Wortes.
Apelles dagegen ist unerreichbar in der Meisterschaft, mit
welcher er alle Mittel der malerischen Darstellung zu hand-
haben verstand; sein Ruhm beruht auf der Kunst des Ma-
lens. In der Geschichte der Sculptur zeigen sich an den
Werken des Phidias Gedanke und Darstellung auf gleicher
Stufe der höchsten, harmonischen Vollendung. In der Ge-
schichte der Malerei hat jedes dieser beiden Gebiete seinen
gesonderten Mittel- und Höhepunkt, und der Ruhm, welcher
dort den Phidias über alle andern unbezweifelt erhebt, er-
scheint deshalb hier getheilt zwischen den beiden Persönlich-
keiten des Polygnot und des Apelles.
Protogenes.
Die Hauptquelle unserer Kenntniss dieses Künstlers bil-
det so vorzugsweise Plinius, dass wir seinen ganzen Bericht 1)
hier vollständig voranschicken wollen: „Zugleich mit Apelles
und Aristides blühte auch Protogenes. Sein Vaterland war
Kaunos, der Sitz eines den Rhodiern unterworfenen Stam-
mes. Höchste Armuth im Beginne seiner Laufbahn und das
höchste Streben in der Kunst erklären seine geringere Frucht-
barkeit. Wer sein Lehrer gewesen, hält man nicht für aus-
gemacht. Einige meinen sogar, er habe Schiffe gemalt bis zu
seinem fünfzigsten Jahre: zum Beweise diene, dass, als er zu
Athen an dem berühmtesten Orte des Heiligthums der Athene
das Propylaeon malte, er in dem berühmten Gemälde des Para-
los und der Hammonias, welches von Einigen Nausikaa genannt
wird, unter dem von den Malern als Parerga bezeichneten Bei-
werk kleine lange Schiffe angebracht habe, damit dadurch
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/241>, abgerufen am 23.11.2024.
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