Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

sich dagegen vollständig durch die Annahme einer ausge-
bildeten und mit grösster Feinheit durchgeführten Anwen-
dung von Lasuren, für welche gerade in jener eigenthüm-
lichen Färbung des Körpers Alexanders ein besonders auf-
fälliges Beispiel vorliegt. Denn durch sie wird nicht nur
den zu hellen Tönen ihre Schärfe genommen, sondern dem
Ganzen eine mehr harmonische und zugleich kräftigere Stim-
mung verliehen, indem durch den durchsichtigen Ueberzug alle
Farben von grösserer Klarheit und Tiefe erscheinen.

So wenig wir also über die Einzelnheiten im dem Ver-
fahren des Apelles unterrichtet sind, so dürfen wir doch mit
Bestimmtheit annehmen, dass es sich bei demselben nicht
mehr blos um einfache Gegenüberstellungen von Licht und
Schatten, sondern um einen weit mannigfaltigeren Wechsel
verschiedenartiger Töne handelte. Mit Rücksicht hierauf
verdient eine Stelle des Plinius 1) über die Entwickelung des
Colorits hier in etwas genauere Berücksichtigung gezogen
zu werden. Nachdem er nemlich als die erste Stufe die
alte Colorirung ohne Licht und Schatten, als die zweite die
Scheidung derselben hingestellt, fährt er fort: postea deinde
adiectus est splendor, alius hie quam lumen; quod inter haec
et umbras esset, apellarunt tonon, commissuras vero colorum
et transitus harmogen. Hier haben wir also statt Licht und
Schatten eine Stufenleiter von fünf bis sechs Farbentönen.
In der Mitte liegt der tonos, der Localton, die Grundfarbe
eines Gegenstandes ohne Rücksicht auf Licht und Schatten.
Harmoge, der Uebergang aus dem Localton einer Seits in
das Licht, anderer Seits in den Schatten, ist mit Recht von
diesen geschieden als besonderer Ton, da er sich keineswegs
immer ganz einfach aus der Verbindung des Lichtes oder
Schattens mit dem Localton bilden lässt, sondern nur beiden
verwandt sein muss, um den etwaigen Gegensatz zwischen
ihnen zu vermitteln. Zu diesen Abstufungen fügt nun Pli-
nius endlich noch den splendor, "etwas anderes als Licht,"
aber offenbar doch diesem am nächsten verwandt, und kei-
neswegs, wie Müller 2) will, mit dem Localton zu verwech-
seln. Wir mögen daher den Ausdruck streng wörtlich auf-
fassen und zunächst Glanzlichter verstehen, die besondere

1) 35, 29.
2) Arch. §. 319.

sich dagegen vollständig durch die Annahme einer ausge-
bildeten und mit grösster Feinheit durchgeführten Anwen-
dung von Lasuren, für welche gerade in jener eigenthüm-
lichen Färbung des Körpers Alexanders ein besonders auf-
fälliges Beispiel vorliegt. Denn durch sie wird nicht nur
den zu hellen Tönen ihre Schärfe genommen, sondern dem
Ganzen eine mehr harmonische und zugleich kräftigere Stim-
mung verliehen, indem durch den durchsichtigen Ueberzug alle
Farben von grösserer Klarheit und Tiefe erscheinen.

So wenig wir also über die Einzelnheiten im dem Ver-
fahren des Apelles unterrichtet sind, so dürfen wir doch mit
Bestimmtheit annehmen, dass es sich bei demselben nicht
mehr blos um einfache Gegenüberstellungen von Licht und
Schatten, sondern um einen weit mannigfaltigeren Wechsel
verschiedenartiger Töne handelte. Mit Rücksicht hierauf
verdient eine Stelle des Plinius 1) über die Entwickelung des
Colorits hier in etwas genauere Berücksichtigung gezogen
zu werden. Nachdem er nemlich als die erste Stufe die
alte Colorirung ohne Licht und Schatten, als die zweite die
Scheidung derselben hingestellt, fährt er fort: postea deinde
adiectus est splendor, alius hie quam lumen; quod inter haec
et umbras esset, apellarunt tonon, commissuras vero colorum
et transitus harmogen. Hier haben wir also statt Licht und
Schatten eine Stufenleiter von fünf bis sechs Farbentönen.
In der Mitte liegt der tonos, der Localton, die Grundfarbe
eines Gegenstandes ohne Rücksicht auf Licht und Schatten.
Harmoge, der Uebergang aus dem Localton einer Seits in
das Licht, anderer Seits in den Schatten, ist mit Recht von
diesen geschieden als besonderer Ton, da er sich keineswegs
immer ganz einfach aus der Verbindung des Lichtes oder
Schattens mit dem Localton bilden lässt, sondern nur beiden
verwandt sein muss, um den etwaigen Gegensatz zwischen
ihnen zu vermitteln. Zu diesen Abstufungen fügt nun Pli-
nius endlich noch den splendor, „etwas anderes als Licht,“
aber offenbar doch diesem am nächsten verwandt, und kei-
neswegs, wie Müller 2) will, mit dem Localton zu verwech-
seln. Wir mögen daher den Ausdruck streng wörtlich auf-
fassen und zunächst Glanzlichter verstehen, die besondere

1) 35, 29.
2) Arch. §. 319.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0236" n="228"/>
sich dagegen vollständig durch die Annahme einer ausge-<lb/>
bildeten und mit grösster Feinheit durchgeführten Anwen-<lb/>
dung von Lasuren, für welche gerade in jener eigenthüm-<lb/>
lichen Färbung des Körpers Alexanders ein besonders auf-<lb/>
fälliges Beispiel vorliegt. Denn durch sie wird nicht nur<lb/>
den zu hellen Tönen ihre Schärfe genommen, sondern dem<lb/>
Ganzen eine mehr harmonische und zugleich kräftigere Stim-<lb/>
mung verliehen, indem durch den durchsichtigen Ueberzug alle<lb/>
Farben von grösserer Klarheit und Tiefe erscheinen.</p><lb/>
              <p>So wenig wir also über die Einzelnheiten im dem Ver-<lb/>
fahren des Apelles unterrichtet sind, so dürfen wir doch mit<lb/>
Bestimmtheit annehmen, dass es sich bei demselben nicht<lb/>
mehr blos um einfache Gegenüberstellungen von Licht und<lb/>
Schatten, sondern um einen weit mannigfaltigeren Wechsel<lb/>
verschiedenartiger Töne handelte. Mit Rücksicht hierauf<lb/>
verdient eine Stelle des Plinius <note place="foot" n="1)">35, 29.</note> über die Entwickelung des<lb/>
Colorits hier in etwas genauere Berücksichtigung gezogen<lb/>
zu werden. Nachdem er nemlich als die erste Stufe die<lb/>
alte Colorirung ohne Licht und Schatten, als die zweite die<lb/>
Scheidung derselben hingestellt, fährt er fort: postea deinde<lb/>
adiectus est splendor, alius hie quam lumen; quod inter haec<lb/>
et umbras esset, apellarunt tonon, commissuras vero colorum<lb/>
et transitus harmogen. Hier haben wir also statt Licht und<lb/>
Schatten eine Stufenleiter von fünf bis sechs Farbentönen.<lb/>
In der Mitte liegt der tonos, der Localton, die Grundfarbe<lb/>
eines Gegenstandes ohne Rücksicht auf Licht und Schatten.<lb/>
Harmoge, der Uebergang aus dem Localton einer Seits in<lb/>
das Licht, anderer Seits in den Schatten, ist mit Recht von<lb/>
diesen geschieden als besonderer Ton, da er sich keineswegs<lb/>
immer ganz einfach aus der Verbindung des Lichtes oder<lb/>
Schattens mit dem Localton bilden lässt, sondern nur beiden<lb/>
verwandt sein muss, um den etwaigen Gegensatz zwischen<lb/>
ihnen zu vermitteln. Zu diesen Abstufungen fügt nun Pli-<lb/>
nius endlich noch den splendor, &#x201E;etwas anderes als Licht,&#x201C;<lb/>
aber offenbar doch diesem am nächsten verwandt, und kei-<lb/>
neswegs, wie Müller <note place="foot" n="2)">Arch. §. 319.</note> will, mit dem Localton zu verwech-<lb/>
seln. Wir mögen daher den Ausdruck streng wörtlich auf-<lb/>
fassen und zunächst Glanzlichter verstehen, die besondere<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0236] sich dagegen vollständig durch die Annahme einer ausge- bildeten und mit grösster Feinheit durchgeführten Anwen- dung von Lasuren, für welche gerade in jener eigenthüm- lichen Färbung des Körpers Alexanders ein besonders auf- fälliges Beispiel vorliegt. Denn durch sie wird nicht nur den zu hellen Tönen ihre Schärfe genommen, sondern dem Ganzen eine mehr harmonische und zugleich kräftigere Stim- mung verliehen, indem durch den durchsichtigen Ueberzug alle Farben von grösserer Klarheit und Tiefe erscheinen. So wenig wir also über die Einzelnheiten im dem Ver- fahren des Apelles unterrichtet sind, so dürfen wir doch mit Bestimmtheit annehmen, dass es sich bei demselben nicht mehr blos um einfache Gegenüberstellungen von Licht und Schatten, sondern um einen weit mannigfaltigeren Wechsel verschiedenartiger Töne handelte. Mit Rücksicht hierauf verdient eine Stelle des Plinius 1) über die Entwickelung des Colorits hier in etwas genauere Berücksichtigung gezogen zu werden. Nachdem er nemlich als die erste Stufe die alte Colorirung ohne Licht und Schatten, als die zweite die Scheidung derselben hingestellt, fährt er fort: postea deinde adiectus est splendor, alius hie quam lumen; quod inter haec et umbras esset, apellarunt tonon, commissuras vero colorum et transitus harmogen. Hier haben wir also statt Licht und Schatten eine Stufenleiter von fünf bis sechs Farbentönen. In der Mitte liegt der tonos, der Localton, die Grundfarbe eines Gegenstandes ohne Rücksicht auf Licht und Schatten. Harmoge, der Uebergang aus dem Localton einer Seits in das Licht, anderer Seits in den Schatten, ist mit Recht von diesen geschieden als besonderer Ton, da er sich keineswegs immer ganz einfach aus der Verbindung des Lichtes oder Schattens mit dem Localton bilden lässt, sondern nur beiden verwandt sein muss, um den etwaigen Gegensatz zwischen ihnen zu vermitteln. Zu diesen Abstufungen fügt nun Pli- nius endlich noch den splendor, „etwas anderes als Licht,“ aber offenbar doch diesem am nächsten verwandt, und kei- neswegs, wie Müller 2) will, mit dem Localton zu verwech- seln. Wir mögen daher den Ausdruck streng wörtlich auf- fassen und zunächst Glanzlichter verstehen, die besondere 1) 35, 29. 2) Arch. §. 319.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/236
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/236>, abgerufen am 22.11.2024.