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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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das Leuchten, das Schleudern des Blitzes; nicht den Kriegs-
gott, sondern den Krieg. Waren demnach dem Künstler die
Götter nicht sowohl lebendige Persönlichkeiten, als personi-
ficirte Kräfte der Natur oder Mächte der ewigen Weltord-
nung, so begreifen wir, dass er nun auch einen König, wel-
cher sich die Welt unterworfen hatte, welcher ihre Geschicke
nach seinem Willen lenkte, geradezu als einen Gott, als
Zeus, hinstellen konnte; so wie in dem Bilde des Alexander
mit den Dioskuren der Gedanke einer Vergleichung mit
Helios gewiss nahe liegt. Durch das sich darin offenbarende
Streben, die Grösse des Weltbesiegers nicht durch die con-
crete Darstellung seiner Thaten, sondern durch abstracte
Andeutungen seiner Erfolge darzustellen, müssen wir noth-
wendig zu der Ansicht geleitet werden, dass seine künst-
lerische Phantasie durchaus von der Reflexion beherrscht
und geleitet ward. Ja wir können noch weiter gehen und
geradezu behaupten, dass das Vorwalten der Auffassung
nach Begriffen den Apelles überhaupt nicht dazu gelangen
liess, eigentliche Handlungen darzustellen, in denen die Ent-
wickelung einer Begebenheit in einem scharf abgegrenzten
Momente durch die nur auf diesen gerichtete Thätigkeit
jeder einzelnen dabei betheiligten Person zur Anschauung
käme. Die Mehrzahl seiner meist auf ein, zwei, höchstens
drei Figuren beschränkten portraitartigen Darstellungen
schliesst eine Handlung in diesem Sinne sogar fast mit
Nothwendigkeit aus. Wie untergeordnet dieselbe aber z. B.
auch in dem figurenreicheren Bilde der Verleumdung ist,
ward bereits oben angedeutet. Darum möchte ich auch das
Bild der Artemis unter dem Chor opfernder Jungfrauen nicht
auf das Opfer der Iphigenie beziehen. Denn in dieser Scene
müsste nothwendig der Schwerpunkt des Ganzen in die Ab-
stufung verschiedener Affecte, oder in das Zusammenfassen
zu einem spannenden, dramatischen Momente gelegt werden,
wie wir ihn eben sonst in den Werken des Apelles nie
finden. Bei einem Opfer ohne bestimmte mythologische Be-
ziehung dagegen genügte es, dass der Künstler Artemis als
die göttliche Jungfrau auffasste und sie als solche gerade
durch ihre Umgebung erscheinen liess, bei deren Darstellung
es ihm gestattet war, den rein künstlerischen Gesichtspunk-
ten einer anmuthigen Gestaltung im Gegensatz zu dem poe-

das Leuchten, das Schleudern des Blitzes; nicht den Kriegs-
gott, sondern den Krieg. Waren demnach dem Künstler die
Götter nicht sowohl lebendige Persönlichkeiten, als personi-
ficirte Kräfte der Natur oder Mächte der ewigen Weltord-
nung, so begreifen wir, dass er nun auch einen König, wel-
cher sich die Welt unterworfen hatte, welcher ihre Geschicke
nach seinem Willen lenkte, geradezu als einen Gott, als
Zeus, hinstellen konnte; so wie in dem Bilde des Alexander
mit den Dioskuren der Gedanke einer Vergleichung mit
Helios gewiss nahe liegt. Durch das sich darin offenbarende
Streben, die Grösse des Weltbesiegers nicht durch die con-
crete Darstellung seiner Thaten, sondern durch abstracte
Andeutungen seiner Erfolge darzustellen, müssen wir noth-
wendig zu der Ansicht geleitet werden, dass seine künst-
lerische Phantasie durchaus von der Reflexion beherrscht
und geleitet ward. Ja wir können noch weiter gehen und
geradezu behaupten, dass das Vorwalten der Auffassung
nach Begriffen den Apelles überhaupt nicht dazu gelangen
liess, eigentliche Handlungen darzustellen, in denen die Ent-
wickelung einer Begebenheit in einem scharf abgegrenzten
Momente durch die nur auf diesen gerichtete Thätigkeit
jeder einzelnen dabei betheiligten Person zur Anschauung
käme. Die Mehrzahl seiner meist auf ein, zwei, höchstens
drei Figuren beschränkten portraitartigen Darstellungen
schliesst eine Handlung in diesem Sinne sogar fast mit
Nothwendigkeit aus. Wie untergeordnet dieselbe aber z. B.
auch in dem figurenreicheren Bilde der Verleumdung ist,
ward bereits oben angedeutet. Darum möchte ich auch das
Bild der Artemis unter dem Chor opfernder Jungfrauen nicht
auf das Opfer der Iphigenie beziehen. Denn in dieser Scene
müsste nothwendig der Schwerpunkt des Ganzen in die Ab-
stufung verschiedener Affecte, oder in das Zusammenfassen
zu einem spannenden, dramatischen Momente gelegt werden,
wie wir ihn eben sonst in den Werken des Apelles nie
finden. Bei einem Opfer ohne bestimmte mythologische Be-
ziehung dagegen genügte es, dass der Künstler Artemis als
die göttliche Jungfrau auffasste und sie als solche gerade
durch ihre Umgebung erscheinen liess, bei deren Darstellung
es ihm gestattet war, den rein künstlerischen Gesichtspunk-
ten einer anmuthigen Gestaltung im Gegensatz zu dem poe-

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[217/0225] das Leuchten, das Schleudern des Blitzes; nicht den Kriegs- gott, sondern den Krieg. Waren demnach dem Künstler die Götter nicht sowohl lebendige Persönlichkeiten, als personi- ficirte Kräfte der Natur oder Mächte der ewigen Weltord- nung, so begreifen wir, dass er nun auch einen König, wel- cher sich die Welt unterworfen hatte, welcher ihre Geschicke nach seinem Willen lenkte, geradezu als einen Gott, als Zeus, hinstellen konnte; so wie in dem Bilde des Alexander mit den Dioskuren der Gedanke einer Vergleichung mit Helios gewiss nahe liegt. Durch das sich darin offenbarende Streben, die Grösse des Weltbesiegers nicht durch die con- crete Darstellung seiner Thaten, sondern durch abstracte Andeutungen seiner Erfolge darzustellen, müssen wir noth- wendig zu der Ansicht geleitet werden, dass seine künst- lerische Phantasie durchaus von der Reflexion beherrscht und geleitet ward. Ja wir können noch weiter gehen und geradezu behaupten, dass das Vorwalten der Auffassung nach Begriffen den Apelles überhaupt nicht dazu gelangen liess, eigentliche Handlungen darzustellen, in denen die Ent- wickelung einer Begebenheit in einem scharf abgegrenzten Momente durch die nur auf diesen gerichtete Thätigkeit jeder einzelnen dabei betheiligten Person zur Anschauung käme. Die Mehrzahl seiner meist auf ein, zwei, höchstens drei Figuren beschränkten portraitartigen Darstellungen schliesst eine Handlung in diesem Sinne sogar fast mit Nothwendigkeit aus. Wie untergeordnet dieselbe aber z. B. auch in dem figurenreicheren Bilde der Verleumdung ist, ward bereits oben angedeutet. Darum möchte ich auch das Bild der Artemis unter dem Chor opfernder Jungfrauen nicht auf das Opfer der Iphigenie beziehen. Denn in dieser Scene müsste nothwendig der Schwerpunkt des Ganzen in die Ab- stufung verschiedener Affecte, oder in das Zusammenfassen zu einem spannenden, dramatischen Momente gelegt werden, wie wir ihn eben sonst in den Werken des Apelles nie finden. Bei einem Opfer ohne bestimmte mythologische Be- ziehung dagegen genügte es, dass der Künstler Artemis als die göttliche Jungfrau auffasste und sie als solche gerade durch ihre Umgebung erscheinen liess, bei deren Darstellung es ihm gestattet war, den rein künstlerischen Gesichtspunk- ten einer anmuthigen Gestaltung im Gegensatz zu dem poe-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/225>, abgerufen am 22.11.2024.