die Häufung der Attribute finden, wie in der Statue, erklärt sich aus der Verschiedenheit der Kunstgattung, welche es erlaubte, den Gedanken in mehreren Figuren zu entwickeln und dieselben durch eine Art von Handlung in Verbindung zu setzen, einer Handlung freilich ohne alles individuelle Gepräge und eben nur erfunden, um Begriffe in ihrem Ver- hältniss zu einander zu verknüpfen. Sonst aber sind beide Werke durchaus derselben Richtung entsprungen: nemlich der reflectirenden, nach Begriffen scheidenden Thätigkeit des Geistes. Wenn sich nun dieselbe unerwartete Erscheinung bei zwei auch in ihrer äussern Stellung so verwandten gleichzeitigen Künstlern wiederfindet, so muss dies ihre Bedeutung für uns nur erhöhen und uns veranlassen, ihren tieferen Gründen aufmerksamer nachzuforschen. Hinsichtlich des Lysipp haben wir bereits den Beweis zu führen gesucht, dass ihm überhaupt diejenige Phantasie, welche zur Schö- pfung geistiger Ideale nothwendig war, das eigentliche poe- tische Gestaltungsvermögen gefehlt habe. Es wird nicht schwer halten für Apelles dasselbe zu thun, wenn wir nur das Feld seiner Thätigkeit genauer überblicken. Die Mytho- logie, sonst der Hauptquell künstlerischer Schöpfungen, hat bei der Wahl der Gegenstände nur noch einen sehr geringen Antheil; und wo sich der Künstler ihr zuwendet, da ist es nicht poetisch-religiöse Begeisterung, welche ihn leitet, son- dern die Rücksicht auf rein künstlerische Gesichtspunkte. Mag seiner Aphrodite das Bild einer Sterblichen zu Grunde liegen oder nicht, immer beruhte der Ruhm dieses Bildes nicht auf dem Ausdrucke göttlicher Erhabenheit, sondern auf dem höchsten, wenn auch zartesten Reize körperlicher Schön- heit. Der Glaube an die Persönlichkeit der Götter war be- reits wankend geworden. Man fing an, diese poetisch-ein- heitlich abgeschlossenen und abgerundeten Gestaltungen nach Begriffen oder den Attributen ihrer Macht zu zerspalten; und wenn man auch die daraus hervorgehenden Abstractionen wiederum mit einem Körper zu bekleiden bestrebt war, so können doch solche Personificationen durch die Art, wie sie durch äussere Zeichen ihre Bedeutung zu erkennen geben sollen, die reflectirende Thätigkeit des Geistes als den Quell ihrer Entstehung nicht verleugnen. So malt Apelles Zeus, den Donnerer, nicht in eigener Person, sondern den Donner,
die Häufung der Attribute finden, wie in der Statue, erklärt sich aus der Verschiedenheit der Kunstgattung, welche es erlaubte, den Gedanken in mehreren Figuren zu entwickeln und dieselben durch eine Art von Handlung in Verbindung zu setzen, einer Handlung freilich ohne alles individuelle Gepräge und eben nur erfunden, um Begriffe in ihrem Ver- hältniss zu einander zu verknüpfen. Sonst aber sind beide Werke durchaus derselben Richtung entsprungen: nemlich der reflectirenden, nach Begriffen scheidenden Thätigkeit des Geistes. Wenn sich nun dieselbe unerwartete Erscheinung bei zwei auch in ihrer äussern Stellung so verwandten gleichzeitigen Künstlern wiederfindet, so muss dies ihre Bedeutung für uns nur erhöhen und uns veranlassen, ihren tieferen Gründen aufmerksamer nachzuforschen. Hinsichtlich des Lysipp haben wir bereits den Beweis zu führen gesucht, dass ihm überhaupt diejenige Phantasie, welche zur Schö- pfung geistiger Ideale nothwendig war, das eigentliche poe- tische Gestaltungsvermögen gefehlt habe. Es wird nicht schwer halten für Apelles dasselbe zu thun, wenn wir nur das Feld seiner Thätigkeit genauer überblicken. Die Mytho- logie, sonst der Hauptquell künstlerischer Schöpfungen, hat bei der Wahl der Gegenstände nur noch einen sehr geringen Antheil; und wo sich der Künstler ihr zuwendet, da ist es nicht poetisch-religiöse Begeisterung, welche ihn leitet, son- dern die Rücksicht auf rein künstlerische Gesichtspunkte. Mag seiner Aphrodite das Bild einer Sterblichen zu Grunde liegen oder nicht, immer beruhte der Ruhm dieses Bildes nicht auf dem Ausdrucke göttlicher Erhabenheit, sondern auf dem höchsten, wenn auch zartesten Reize körperlicher Schön- heit. Der Glaube an die Persönlichkeit der Götter war be- reits wankend geworden. Man fing an, diese poetisch-ein- heitlich abgeschlossenen und abgerundeten Gestaltungen nach Begriffen oder den Attributen ihrer Macht zu zerspalten; und wenn man auch die daraus hervorgehenden Abstractionen wiederum mit einem Körper zu bekleiden bestrebt war, so können doch solche Personificationen durch die Art, wie sie durch äussere Zeichen ihre Bedeutung zu erkennen geben sollen, die reflectirende Thätigkeit des Geistes als den Quell ihrer Entstehung nicht verleugnen. So malt Apelles Zeus, den Donnerer, nicht in eigener Person, sondern den Donner,
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die Häufung der Attribute finden, wie in der Statue, erklärt
sich aus der Verschiedenheit der Kunstgattung, welche es
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zu setzen, einer Handlung freilich ohne alles individuelle
Gepräge und eben nur erfunden, um Begriffe in ihrem Ver-
hältniss zu einander zu verknüpfen. Sonst aber sind beide
Werke durchaus derselben Richtung entsprungen: nemlich
der reflectirenden, nach Begriffen scheidenden Thätigkeit des
Geistes. Wenn sich nun dieselbe unerwartete Erscheinung
bei zwei auch in ihrer äussern Stellung so verwandten
gleichzeitigen Künstlern wiederfindet, so muss dies ihre
Bedeutung für uns nur erhöhen und uns veranlassen, ihren
tieferen Gründen aufmerksamer nachzuforschen. Hinsichtlich
des Lysipp haben wir bereits den Beweis zu führen gesucht,
dass ihm überhaupt diejenige Phantasie, welche zur Schö-
pfung geistiger Ideale nothwendig war, das eigentliche poe-
tische Gestaltungsvermögen gefehlt habe. Es wird nicht
schwer halten für Apelles dasselbe zu thun, wenn wir nur
das Feld seiner Thätigkeit genauer überblicken. Die Mytho-
logie, sonst der Hauptquell künstlerischer Schöpfungen, hat
bei der Wahl der Gegenstände nur noch einen sehr geringen
Antheil; und wo sich der Künstler ihr zuwendet, da ist es
nicht poetisch-religiöse Begeisterung, welche ihn leitet, son-
dern die Rücksicht auf rein künstlerische Gesichtspunkte.
Mag seiner Aphrodite das Bild einer Sterblichen zu Grunde
liegen oder nicht, immer beruhte der Ruhm dieses Bildes
nicht auf dem Ausdrucke göttlicher Erhabenheit, sondern auf
dem höchsten, wenn auch zartesten Reize körperlicher Schön-
heit. Der Glaube an die Persönlichkeit der Götter war be-
reits wankend geworden. Man fing an, diese poetisch-ein-
heitlich abgeschlossenen und abgerundeten Gestaltungen nach
Begriffen oder den Attributen ihrer Macht zu zerspalten; und
wenn man auch die daraus hervorgehenden Abstractionen
wiederum mit einem Körper zu bekleiden bestrebt war, so
können doch solche Personificationen durch die Art, wie sie
durch äussere Zeichen ihre Bedeutung zu erkennen geben
sollen, die reflectirende Thätigkeit des Geistes als den Quell
ihrer Entstehung nicht verleugnen. So malt Apelles Zeus,
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/224>, abgerufen am 22.11.2024.
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