Ausdruck einer mit Schwärmerei verbundenen Weichlichkeit, in dem Bilde des Alten mit der Leier, welcher einen Knaben unterweist, als den Ausdruck gespanntester Aufmerksamkeit. Aber nur einmal deutet Plinius die Eigenthümlichkeit in der Auffassung des Künstlers durch einen kurzen Zwischensatz bestimmter an, indem er von dem Betenden aussagt, man glaube fast seine Stimme zu hören. Doch dürfen wir wohl den Versuch wagen, ihn aus einer andern Quelle zu er- gänzen. Ich halte es nemlich für sehr wahrscheinlich, dass wir von den "Jägern mit der Beute" eine genauere Beschrei- bung bei dem jüngern Philostratus (3) besitzen. Jäger haben sich im schattigen Gehölze bei einer Quelle gelagert, nach- dem sie einen Hirsch und eine Sau erbeutet. Während die Diener das Mahl bereiten, vertreiben sie ihre Zeit im Ge- spräch über ihre Abenteuer; der Becher beginnt die Runde zu machen; und auch die Hunde als treue Gehülfen erhalten, was ihnen gebührt. Die Handlung ist hier höchst einfach und anspruchslos; und selbst Philostratus verzichtet mehr als sonst auf das rhetorische Gepränge der Beschreibung: er fand also weder die Grossartigkeit der Auffassung, wie sie wohl für heroische Stoffe sich schickt, noch besonders geist- reiche Einfälle, wie sie den Witz und den Scharfsinn des Beschauers zu reizen pflegen. Das Ansprechende, welches gerade dieses Werk gehabt zu haben scheint, konnte daher nur in der Lebendigkeit des Ausdruckes, der freien lebens- vollen Charakteristik der einzelnen Figuren begründet sein: also gerade in Vorzügen, auf welchen die wesentliche Eigen- thümlichkeit des Aristides beruht. Und in der That hebt auch Philostratus besonders hervor, wie jede der Figuren so ganz in der Situation lebt, in welche sie der Künstler versetzt hat: der Erzählende, die Zuhörer, der Sänger, die Bereiter des Mahles, selbst die Hunde vereinigen sich zum Ausdruck der behaglichsten Stimmung, die sich unvermerkt dem Beschauer mittheilen musste. - Wir würden geneigt sein, noch eine andere Gemäldebeschreibung des älteren Philostra- tus: 1) Dionysos und Ariadne, auf ein Original des Aristides zu beziehen: der liebetrunkene Ausdruck des Gottes, der Schlaf der Ariadne, in welchem man das Athmen zu vernehmen
1) I, 15.
Ausdruck einer mit Schwärmerei verbundenen Weichlichkeit, in dem Bilde des Alten mit der Leier, welcher einen Knaben unterweist, als den Ausdruck gespanntester Aufmerksamkeit. Aber nur einmal deutet Plinius die Eigenthümlichkeit in der Auffassung des Künstlers durch einen kurzen Zwischensatz bestimmter an, indem er von dem Betenden aussagt, man glaube fast seine Stimme zu hören. Doch dürfen wir wohl den Versuch wagen, ihn aus einer andern Quelle zu er- gänzen. Ich halte es nemlich für sehr wahrscheinlich, dass wir von den „Jägern mit der Beute“ eine genauere Beschrei- bung bei dem jüngern Philostratus (3) besitzen. Jäger haben sich im schattigen Gehölze bei einer Quelle gelagert, nach- dem sie einen Hirsch und eine Sau erbeutet. Während die Diener das Mahl bereiten, vertreiben sie ihre Zeit im Ge- spräch über ihre Abenteuer; der Becher beginnt die Runde zu machen; und auch die Hunde als treue Gehülfen erhalten, was ihnen gebührt. Die Handlung ist hier höchst einfach und anspruchslos; und selbst Philostratus verzichtet mehr als sonst auf das rhetorische Gepränge der Beschreibung: er fand also weder die Grossartigkeit der Auffassung, wie sie wohl für heroische Stoffe sich schickt, noch besonders geist- reiche Einfälle, wie sie den Witz und den Scharfsinn des Beschauers zu reizen pflegen. Das Ansprechende, welches gerade dieses Werk gehabt zu haben scheint, konnte daher nur in der Lebendigkeit des Ausdruckes, der freien lebens- vollen Charakteristik der einzelnen Figuren begründet sein: also gerade in Vorzügen, auf welchen die wesentliche Eigen- thümlichkeit des Aristides beruht. Und in der That hebt auch Philostratus besonders hervor, wie jede der Figuren so ganz in der Situation lebt, in welche sie der Künstler versetzt hat: der Erzählende, die Zuhörer, der Sänger, die Bereiter des Mahles, selbst die Hunde vereinigen sich zum Ausdruck der behaglichsten Stimmung, die sich unvermerkt dem Beschauer mittheilen musste. ‒ Wir würden geneigt sein, noch eine andere Gemäldebeschreibung des älteren Philostra- tus: 1) Dionysos und Ariadne, auf ein Original des Aristides zu beziehen: der liebetrunkene Ausdruck des Gottes, der Schlaf der Ariadne, in welchem man das Athmen zu vernehmen
1) I, 15.
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Ausdruck einer mit Schwärmerei verbundenen Weichlichkeit,
in dem Bilde des Alten mit der Leier, welcher einen Knaben
unterweist, als den Ausdruck gespanntester Aufmerksamkeit.
Aber nur einmal deutet Plinius die Eigenthümlichkeit in der
Auffassung des Künstlers durch einen kurzen Zwischensatz
bestimmter an, indem er von dem Betenden aussagt, man
glaube fast seine Stimme zu hören. Doch dürfen wir wohl
den Versuch wagen, ihn aus einer andern Quelle zu er-
gänzen. Ich halte es nemlich für sehr wahrscheinlich, dass
wir von den „Jägern mit der Beute“ eine genauere Beschrei-
bung bei dem jüngern Philostratus (3) besitzen. Jäger haben
sich im schattigen Gehölze bei einer Quelle gelagert, nach-
dem sie einen Hirsch und eine Sau erbeutet. Während die
Diener das Mahl bereiten, vertreiben sie ihre Zeit im Ge-
spräch über ihre Abenteuer; der Becher beginnt die Runde
zu machen; und auch die Hunde als treue Gehülfen erhalten,
was ihnen gebührt. Die Handlung ist hier höchst einfach
und anspruchslos; und selbst Philostratus verzichtet mehr als
sonst auf das rhetorische Gepränge der Beschreibung: er
fand also weder die Grossartigkeit der Auffassung, wie sie
wohl für heroische Stoffe sich schickt, noch besonders geist-
reiche Einfälle, wie sie den Witz und den Scharfsinn des
Beschauers zu reizen pflegen. Das Ansprechende, welches
gerade dieses Werk gehabt zu haben scheint, konnte daher
nur in der Lebendigkeit des Ausdruckes, der freien lebens-
vollen Charakteristik der einzelnen Figuren begründet sein:
also gerade in Vorzügen, auf welchen die wesentliche Eigen-
thümlichkeit des Aristides beruht. Und in der That hebt
auch Philostratus besonders hervor, wie jede der Figuren
so ganz in der Situation lebt, in welche sie der Künstler
versetzt hat: der Erzählende, die Zuhörer, der Sänger, die
Bereiter des Mahles, selbst die Hunde vereinigen sich zum
Ausdruck der behaglichsten Stimmung, die sich unvermerkt
dem Beschauer mittheilen musste. ‒ Wir würden geneigt sein,
noch eine andere Gemäldebeschreibung des älteren Philostra-
tus: 1) Dionysos und Ariadne, auf ein Original des Aristides zu
beziehen: der liebetrunkene Ausdruck des Gottes, der Schlaf
der Ariadne, in welchem man das Athmen zu vernehmen
1) I, 15.
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/186>, abgerufen am 22.11.2024.
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