erscheint zuerst bei Cicero 1) neben Aetion, Protogenes, Apelles den älteren Schulen gegenüber als ein in jeder Be- ziehung vollendeter Künstler. Bei Plutarch 2) steht er dem Zeuxis und Apelles zur Seite. Plinius 3) führt ihn unter den Malern, welche zu ihren unsterblichen Werken nur die be- kannten vier Farben angewendet, in einer Reihe mit Apelles, Aetion, Melanthios an. Schon hiernach kann es also nicht zweifelhaft sein, dass Nikomachos den Künstlern ersten Ranges zuzuzählen ist. Fragen wir aber nach den Ver- diensten im Einzelnen, so erfahren wir über seine Behand- lung der Farben ausser der schon angeführten Notiz von ziemlich zweifelhaftem Werthe nur noch, dass er zum Weiss sich der Kreide von Eretria bedient habe. 4) Ueber seine Zeichnung wird uns kein Wort gemeldet. Von den Gegen- ständen seiner Darstellungen, Bildern von Göttern und He- roen, lässt sich zwar im Allgemeinen behaupten, dass sie durchweg eine ideale Richtung des Künstlers bekunden; ja einige, wie der Raub der Proserpina, die Victoria mit dem Viergespann scheinen schon an sich einen hohen Grad von Lebendigkeit und Energie der Auffassung vorauszusetzen; aber auch hier müssen wir uns mit der blossen Voraus- setzung begnügen.
So bleibt uns denn, um der Individualität des Künstlers etwas näher zu treten, zunächst die folgende Erzählung bei Plinius übrig: "Keiner war in dieser Kunst (der Malerei) be- hender. Man erzählt nemlich, er habe für Aristratos, Ty- rannen von Sikyon, das Denkmal zu malen übernommen, welches dieser dem Dichter Telestes setzte, wobei der Tag festgesetzt war, an welchem es vollendet sein musste. Da soll er nun erst kurz vorher gekommen sein, so dass der Tyrann schon ihn zu strafen geneigt war, aber es in wenigen Tagen vollendet haben, bewundernswerth sowohl wegen der Schnelligkeit, als wegen der Kunst." Wir sehen hieraus, dass auf jeden Fall Nikomachos die vollste Herrschaft über die technischen Mittel der Darstellung besass. Wenn nun freilich die blosse Virtuosität in ihrer Anwendung für sich allein nicht immer für ein bedeutendes Verdienst gelten kann, indem sie im Gegentheil sogar häufig den Künstler zur Ver-
1) Brut. 18.
2) De mul. virt. praef.
3) 35, 50.
4) Plin. 35, 38.
erscheint zuerst bei Cicero 1) neben Aëtion, Protogenes, Apelles den älteren Schulen gegenüber als ein in jeder Be- ziehung vollendeter Künstler. Bei Plutarch 2) steht er dem Zeuxis und Apelles zur Seite. Plinius 3) führt ihn unter den Malern, welche zu ihren unsterblichen Werken nur die be- kannten vier Farben angewendet, in einer Reihe mit Apelles, Aëtion, Melanthios an. Schon hiernach kann es also nicht zweifelhaft sein, dass Nikomachos den Künstlern ersten Ranges zuzuzählen ist. Fragen wir aber nach den Ver- diensten im Einzelnen, so erfahren wir über seine Behand- lung der Farben ausser der schon angeführten Notiz von ziemlich zweifelhaftem Werthe nur noch, dass er zum Weiss sich der Kreide von Eretria bedient habe. 4) Ueber seine Zeichnung wird uns kein Wort gemeldet. Von den Gegen- ständen seiner Darstellungen, Bildern von Göttern und He- roen, lässt sich zwar im Allgemeinen behaupten, dass sie durchweg eine ideale Richtung des Künstlers bekunden; ja einige, wie der Raub der Proserpina, die Victoria mit dem Viergespann scheinen schon an sich einen hohen Grad von Lebendigkeit und Energie der Auffassung vorauszusetzen; aber auch hier müssen wir uns mit der blossen Voraus- setzung begnügen.
So bleibt uns denn, um der Individualität des Künstlers etwas näher zu treten, zunächst die folgende Erzählung bei Plinius übrig: „Keiner war in dieser Kunst (der Malerei) be- hender. Man erzählt nemlich, er habe für Aristratos, Ty- rannen von Sikyon, das Denkmal zu malen übernommen, welches dieser dem Dichter Telestes setzte, wobei der Tag festgesetzt war, an welchem es vollendet sein musste. Da soll er nun erst kurz vorher gekommen sein, so dass der Tyrann schon ihn zu strafen geneigt war, aber es in wenigen Tagen vollendet haben, bewundernswerth sowohl wegen der Schnelligkeit, als wegen der Kunst.“ Wir sehen hieraus, dass auf jeden Fall Nikomachos die vollste Herrschaft über die technischen Mittel der Darstellung besass. Wenn nun freilich die blosse Virtuosität in ihrer Anwendung für sich allein nicht immer für ein bedeutendes Verdienst gelten kann, indem sie im Gegentheil sogar häufig den Künstler zur Ver-
1) Brut. 18.
2) De mul. virt. praef.
3) 35, 50.
4) Plin. 35, 38.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0177"n="169"/>
erscheint zuerst bei Cicero <noteplace="foot"n="1)">Brut. 18.</note> neben Aëtion, Protogenes,<lb/>
Apelles den älteren Schulen gegenüber als ein in jeder Be-<lb/>
ziehung vollendeter Künstler. Bei Plutarch <noteplace="foot"n="2)">De mul. virt. praef.</note> steht er dem<lb/>
Zeuxis und Apelles zur Seite. Plinius <noteplace="foot"n="3)">35, 50.</note> führt ihn unter den<lb/>
Malern, welche zu ihren unsterblichen Werken nur die be-<lb/>
kannten vier Farben angewendet, in einer Reihe mit Apelles,<lb/>
Aëtion, Melanthios an. Schon hiernach kann es also nicht<lb/>
zweifelhaft sein, dass Nikomachos den Künstlern ersten<lb/>
Ranges zuzuzählen ist. Fragen wir aber nach den Ver-<lb/>
diensten im Einzelnen, so erfahren wir über seine Behand-<lb/>
lung der Farben ausser der schon angeführten Notiz von<lb/>
ziemlich zweifelhaftem Werthe nur noch, dass er zum Weiss<lb/>
sich der Kreide von Eretria bedient habe. <noteplace="foot"n="4)">Plin. 35, 38.</note> Ueber seine<lb/>
Zeichnung wird uns kein Wort gemeldet. Von den Gegen-<lb/>
ständen seiner Darstellungen, Bildern von Göttern und He-<lb/>
roen, lässt sich zwar im Allgemeinen behaupten, dass sie<lb/>
durchweg eine ideale Richtung des Künstlers bekunden; ja<lb/>
einige, wie der Raub der Proserpina, die Victoria mit dem<lb/>
Viergespann scheinen schon an sich einen hohen Grad von<lb/>
Lebendigkeit und Energie der Auffassung vorauszusetzen;<lb/>
aber auch hier müssen wir uns mit der blossen Voraus-<lb/>
setzung begnügen.</p><lb/><p>So bleibt uns denn, um der Individualität des Künstlers<lb/>
etwas näher zu treten, zunächst die folgende Erzählung bei<lb/>
Plinius übrig: „Keiner war in dieser Kunst (der Malerei) be-<lb/>
hender. Man erzählt nemlich, er habe für Aristratos, Ty-<lb/>
rannen von Sikyon, das Denkmal zu malen übernommen,<lb/>
welches dieser dem Dichter Telestes setzte, wobei der Tag<lb/>
festgesetzt war, an welchem es vollendet sein musste. Da<lb/>
soll er nun erst kurz vorher gekommen sein, so dass der<lb/>
Tyrann schon ihn zu strafen geneigt war, aber es in wenigen<lb/>
Tagen vollendet haben, bewundernswerth sowohl wegen der<lb/>
Schnelligkeit, als wegen der Kunst.“ Wir sehen hieraus,<lb/>
dass auf jeden Fall Nikomachos die vollste Herrschaft über<lb/>
die technischen Mittel der Darstellung besass. Wenn nun<lb/>
freilich die blosse Virtuosität in ihrer Anwendung für sich<lb/>
allein nicht immer für ein bedeutendes Verdienst gelten kann,<lb/>
indem sie im Gegentheil sogar häufig den Künstler zur Ver-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[169/0177]
erscheint zuerst bei Cicero 1) neben Aëtion, Protogenes,
Apelles den älteren Schulen gegenüber als ein in jeder Be-
ziehung vollendeter Künstler. Bei Plutarch 2) steht er dem
Zeuxis und Apelles zur Seite. Plinius 3) führt ihn unter den
Malern, welche zu ihren unsterblichen Werken nur die be-
kannten vier Farben angewendet, in einer Reihe mit Apelles,
Aëtion, Melanthios an. Schon hiernach kann es also nicht
zweifelhaft sein, dass Nikomachos den Künstlern ersten
Ranges zuzuzählen ist. Fragen wir aber nach den Ver-
diensten im Einzelnen, so erfahren wir über seine Behand-
lung der Farben ausser der schon angeführten Notiz von
ziemlich zweifelhaftem Werthe nur noch, dass er zum Weiss
sich der Kreide von Eretria bedient habe. 4) Ueber seine
Zeichnung wird uns kein Wort gemeldet. Von den Gegen-
ständen seiner Darstellungen, Bildern von Göttern und He-
roen, lässt sich zwar im Allgemeinen behaupten, dass sie
durchweg eine ideale Richtung des Künstlers bekunden; ja
einige, wie der Raub der Proserpina, die Victoria mit dem
Viergespann scheinen schon an sich einen hohen Grad von
Lebendigkeit und Energie der Auffassung vorauszusetzen;
aber auch hier müssen wir uns mit der blossen Voraus-
setzung begnügen.
So bleibt uns denn, um der Individualität des Künstlers
etwas näher zu treten, zunächst die folgende Erzählung bei
Plinius übrig: „Keiner war in dieser Kunst (der Malerei) be-
hender. Man erzählt nemlich, er habe für Aristratos, Ty-
rannen von Sikyon, das Denkmal zu malen übernommen,
welches dieser dem Dichter Telestes setzte, wobei der Tag
festgesetzt war, an welchem es vollendet sein musste. Da
soll er nun erst kurz vorher gekommen sein, so dass der
Tyrann schon ihn zu strafen geneigt war, aber es in wenigen
Tagen vollendet haben, bewundernswerth sowohl wegen der
Schnelligkeit, als wegen der Kunst.“ Wir sehen hieraus,
dass auf jeden Fall Nikomachos die vollste Herrschaft über
die technischen Mittel der Darstellung besass. Wenn nun
freilich die blosse Virtuosität in ihrer Anwendung für sich
allein nicht immer für ein bedeutendes Verdienst gelten kann,
indem sie im Gegentheil sogar häufig den Künstler zur Ver-
1) Brut. 18.
2) De mul. virt. praef.
3) 35, 50.
4) Plin. 35, 38.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/177>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.