den Tafelmalern, das andere Mal unter den Enkausten, so dass, wenn er in beiden Arten tüchtig war, schon dadurch die doppelte Erwähnung gerechtfertigt wird. Es fragt sich daher nur, ob die beiden Urtheile über die künstlerische Be- deutung so weit übereinstimmen, dass sie auf eine und die- selbe Person bezogen werden dürfen. Fassen wir die Mi- schung von Lob und Tadel in der ersten Stelle in das Auge, so werden wir nicht umhin können, das Lob der nur den Künstlern verständlichen Sorgfalt auf eine äusserst gefeilte und, wie wir wohl sagen, geleckte Durchführung der Zeich- nung im Gegensatze zur Farbe zu beziehen. Denn gerade dadurch wird leicht die Einheit der Gesammttöne in den Farben zerstört und Härte im Colorit erzeugt. Wie aber dieses Urtheil bei Plinius gefasst erscheint, hat es offenbar nicht einen Künstler, sondern einen Laien zum Urheber. Dagegen spricht sich nun in der zweiten Stelle die Meinung eines Künstlers aus. Ihm erscheint jene Sorgfalt der Zeich- nung als Eleganz und Feinheit in so hohem Grade, dass er in dem Lobe der venustas, der zierlichen Anmuth, dem Ni- kophanes Wenige an die Seite stellen mag. Dieses Lob dürfen wir jedoch keineswegs zu weit und zu allgemein fassen. Ja wenn man daneben dem Nikophanes auch noch erhabene Würde und einen hohen Ernst der Auffassung bei- legen wollte, indem man bei Plinius von den Worten "cothur- nus ei et gravitas artis" die Fortsetzung des Satzes "multum a Zeuxide et Apelle abest" durch die Interpunktion ablöste und mit dem folgenden "Apellis discipulus Perseus" verband, so liess man dadurch Plinius geradezu Widersprechendes aus- sagen. Denn diese Eigenschaften schliessen die unmittelbar vorher gepriesenen förmlich aus, da z. B. Cicero 1) von sententiae non tam graves et severae, quam venustae et con- cinnae sprechen darf. Das Bekenntniss aber, dass sie ihm fehlen, kann in dem Zusammenhange des ganzen Urtheils weniger für einen Tadel gelten, als für eine schärfere Be- grenzung jenes Lobes der Eleganz und Anmuth; und in der That gewinnen wir auf diesem Wege ein lebendigeres Bild von der Persönlichkeit des Künstlers, einer Persönlichkeit, für welche es keineswegs an Analogien in der Kunstge-
1) Brut. 95.
den Tafelmalern, das andere Mal unter den Enkausten, so dass, wenn er in beiden Arten tüchtig war, schon dadurch die doppelte Erwähnung gerechtfertigt wird. Es fragt sich daher nur, ob die beiden Urtheile über die künstlerische Be- deutung so weit übereinstimmen, dass sie auf eine und die- selbe Person bezogen werden dürfen. Fassen wir die Mi- schung von Lob und Tadel in der ersten Stelle in das Auge, so werden wir nicht umhin können, das Lob der nur den Künstlern verständlichen Sorgfalt auf eine äusserst gefeilte und, wie wir wohl sagen, geleckte Durchführung der Zeich- nung im Gegensatze zur Farbe zu beziehen. Denn gerade dadurch wird leicht die Einheit der Gesammttöne in den Farben zerstört und Härte im Colorit erzeugt. Wie aber dieses Urtheil bei Plinius gefasst erscheint, hat es offenbar nicht einen Künstler, sondern einen Laien zum Urheber. Dagegen spricht sich nun in der zweiten Stelle die Meinung eines Künstlers aus. Ihm erscheint jene Sorgfalt der Zeich- nung als Eleganz und Feinheit in so hohem Grade, dass er in dem Lobe der venustas, der zierlichen Anmuth, dem Ni- kophanes Wenige an die Seite stellen mag. Dieses Lob dürfen wir jedoch keineswegs zu weit und zu allgemein fassen. Ja wenn man daneben dem Nikophanes auch noch erhabene Würde und einen hohen Ernst der Auffassung bei- legen wollte, indem man bei Plinius von den Worten „cothur- nus ei et gravitas artis“ die Fortsetzung des Satzes „multum a Zeuxide et Apelle abest“ durch die Interpunktion ablöste und mit dem folgenden „Apellis discipulus Perseus“ verband, so liess man dadurch Plinius geradezu Widersprechendes aus- sagen. Denn diese Eigenschaften schliessen die unmittelbar vorher gepriesenen förmlich aus, da z. B. Cicero 1) von sententiae non tam graves et severae, quam venustae et con- cinnae sprechen darf. Das Bekenntniss aber, dass sie ihm fehlen, kann in dem Zusammenhange des ganzen Urtheils weniger für einen Tadel gelten, als für eine schärfere Be- grenzung jenes Lobes der Eleganz und Anmuth; und in der That gewinnen wir auf diesem Wege ein lebendigeres Bild von der Persönlichkeit des Künstlers, einer Persönlichkeit, für welche es keineswegs an Analogien in der Kunstge-
1) Brut. 95.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0164"n="156"/>
den Tafelmalern, das andere Mal unter den Enkausten, so<lb/>
dass, wenn er in beiden Arten tüchtig war, schon dadurch<lb/>
die doppelte Erwähnung gerechtfertigt wird. Es fragt sich<lb/>
daher nur, ob die beiden Urtheile über die künstlerische Be-<lb/>
deutung so weit übereinstimmen, dass sie auf eine und die-<lb/>
selbe Person bezogen werden dürfen. Fassen wir die Mi-<lb/>
schung von Lob und Tadel in der ersten Stelle in das Auge,<lb/>
so werden wir nicht umhin können, das Lob der nur den<lb/>
Künstlern verständlichen Sorgfalt auf eine äusserst gefeilte<lb/>
und, wie wir wohl sagen, geleckte Durchführung der Zeich-<lb/>
nung im Gegensatze zur Farbe zu beziehen. Denn gerade<lb/>
dadurch wird leicht die Einheit der Gesammttöne in den<lb/>
Farben zerstört und Härte im Colorit erzeugt. Wie aber<lb/>
dieses Urtheil bei Plinius gefasst erscheint, hat es offenbar<lb/>
nicht einen Künstler, sondern einen Laien zum Urheber.<lb/>
Dagegen spricht sich nun in der zweiten Stelle die Meinung<lb/>
eines Künstlers aus. Ihm erscheint jene Sorgfalt der Zeich-<lb/>
nung als Eleganz und Feinheit in so hohem Grade, dass er<lb/>
in dem Lobe der venustas, der zierlichen Anmuth, dem Ni-<lb/>
kophanes Wenige an die Seite stellen mag. Dieses Lob<lb/>
dürfen wir jedoch keineswegs zu weit und zu allgemein<lb/>
fassen. Ja wenn man daneben dem Nikophanes auch noch<lb/>
erhabene Würde und einen hohen Ernst der Auffassung bei-<lb/>
legen wollte, indem man bei Plinius von den Worten „cothur-<lb/>
nus ei et gravitas artis“ die Fortsetzung des Satzes „multum a<lb/>
Zeuxide et Apelle abest“ durch die Interpunktion ablöste und<lb/>
mit dem folgenden „Apellis discipulus Perseus“ verband, so<lb/>
liess man dadurch Plinius geradezu Widersprechendes aus-<lb/>
sagen. Denn diese Eigenschaften schliessen die unmittelbar<lb/>
vorher gepriesenen förmlich aus, da z. B. Cicero <noteplace="foot"n="1)">Brut. 95.</note> von<lb/>
sententiae non tam graves et severae, quam venustae et con-<lb/>
cinnae sprechen darf. Das Bekenntniss aber, dass sie ihm<lb/>
fehlen, kann in dem Zusammenhange des ganzen Urtheils<lb/>
weniger für einen Tadel gelten, als für eine schärfere Be-<lb/>
grenzung jenes Lobes der Eleganz und Anmuth; und in der<lb/>
That gewinnen wir auf diesem Wege ein lebendigeres Bild<lb/>
von der Persönlichkeit des Künstlers, einer Persönlichkeit,<lb/>
für welche es keineswegs an Analogien in der Kunstge-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[156/0164]
den Tafelmalern, das andere Mal unter den Enkausten, so
dass, wenn er in beiden Arten tüchtig war, schon dadurch
die doppelte Erwähnung gerechtfertigt wird. Es fragt sich
daher nur, ob die beiden Urtheile über die künstlerische Be-
deutung so weit übereinstimmen, dass sie auf eine und die-
selbe Person bezogen werden dürfen. Fassen wir die Mi-
schung von Lob und Tadel in der ersten Stelle in das Auge,
so werden wir nicht umhin können, das Lob der nur den
Künstlern verständlichen Sorgfalt auf eine äusserst gefeilte
und, wie wir wohl sagen, geleckte Durchführung der Zeich-
nung im Gegensatze zur Farbe zu beziehen. Denn gerade
dadurch wird leicht die Einheit der Gesammttöne in den
Farben zerstört und Härte im Colorit erzeugt. Wie aber
dieses Urtheil bei Plinius gefasst erscheint, hat es offenbar
nicht einen Künstler, sondern einen Laien zum Urheber.
Dagegen spricht sich nun in der zweiten Stelle die Meinung
eines Künstlers aus. Ihm erscheint jene Sorgfalt der Zeich-
nung als Eleganz und Feinheit in so hohem Grade, dass er
in dem Lobe der venustas, der zierlichen Anmuth, dem Ni-
kophanes Wenige an die Seite stellen mag. Dieses Lob
dürfen wir jedoch keineswegs zu weit und zu allgemein
fassen. Ja wenn man daneben dem Nikophanes auch noch
erhabene Würde und einen hohen Ernst der Auffassung bei-
legen wollte, indem man bei Plinius von den Worten „cothur-
nus ei et gravitas artis“ die Fortsetzung des Satzes „multum a
Zeuxide et Apelle abest“ durch die Interpunktion ablöste und
mit dem folgenden „Apellis discipulus Perseus“ verband, so
liess man dadurch Plinius geradezu Widersprechendes aus-
sagen. Denn diese Eigenschaften schliessen die unmittelbar
vorher gepriesenen förmlich aus, da z. B. Cicero 1) von
sententiae non tam graves et severae, quam venustae et con-
cinnae sprechen darf. Das Bekenntniss aber, dass sie ihm
fehlen, kann in dem Zusammenhange des ganzen Urtheils
weniger für einen Tadel gelten, als für eine schärfere Be-
grenzung jenes Lobes der Eleganz und Anmuth; und in der
That gewinnen wir auf diesem Wege ein lebendigeres Bild
von der Persönlichkeit des Künstlers, einer Persönlichkeit,
für welche es keineswegs an Analogien in der Kunstge-
1) Brut. 95.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/164>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.