Darstellung hinaus die aus derselben sich entwickelnde tra- gische Katastrophe als unvermeidlich voraus ahnen liess. In dem Gemälde der Iphigenie endlich erscheint jene Verhül- lung keineswegs als ein blosser Kunstgriff, sondern vorbe- reitet durch die in den Nebenpersonen ausgesprochene Stufen- folge steigender Affecte ist sie als höchster Ausdruck des Schmerzes fast mit Nothwendigkeit geboten. Es ist demnach durchaus treffend, dass Eustathius uns zum Vergleich auf die Niobe und ähnliche Gestalten des Aeschylus hinweist. Wenn wir aber nicht umhin konnten, uns bei Gelegenheit des Zeuxis und Parrhasios zuweilen an Euripides zu erin- nern, so muss jener Vergleich dem Timanthes um so mehr zur Ehre gereichen. Denn es liegt darin ausgesprochen, dass Timanthes, während er auf der einen Seite hinter den Forderungen seiner Zeit keineswegs zurückblieb, auf der andern zugleich einen Theil der Vorzüge der früheren Zeit, die Tiefe und Bedeutsamkeit der geistigen Auffassung noch zu bewahren wusste, während bei seinen Nebenbuhlern be- reits das Streben nach Illusion und einer mehr äussern Cha- rakteristik sich Bahn zu brechen begonnen hatte.
Die übrigen Maler dieser Periode.
Von Schülern der eben behandelten Meister haben wir keine Kunde. Denn Mikkion, den Lucian (Zeuxis 7) ein- mal als Schüler des Zeuxis nennt, wird so beiläufig und in einer solchen Weise angeführt, dass der Name sehr wohl von Lucian bloss zum Zwecke seiner Erzählung erfunden sein kann. Aber auch sonst kennen wir nur wenige Maler aus dieser Zeit. Wir nennen unter diesen zuerst:
Androkydes. Unter den Zeitgenossen und Nebenbuhlern des Zeuxis, Ti- manthes, Parrhasios, Eupompos führt Plinius (35, 64) auch Androkydes an, der andern Nachrichten zufolge aus Kyzikos stammte. Er malte nach Plutarch (Pelop. 25) zur Zeit der Wiedereinnahme der Kadmea durch die Thebaner (Ol. C, 2) ein bei ihm von der Stadt bestelltes Schlachtbild, in welchem Pelopidas und Epaminondas zu den Hauptfiguren gehörten: vielleicht den Kampf gegen die Arkader, in welchem Epami- nondas den schwer verwundeten Pelopidas mit Gefahr des eigenen Lebens vertheidigte (Plut. Pelop. 4: Ol. 98, 4). Um
Darstellung hinaus die aus derselben sich entwickelnde tra- gische Katastrophe als unvermeidlich voraus ahnen liess. In dem Gemälde der Iphigenie endlich erscheint jene Verhül- lung keineswegs als ein blosser Kunstgriff, sondern vorbe- reitet durch die in den Nebenpersonen ausgesprochene Stufen- folge steigender Affecte ist sie als höchster Ausdruck des Schmerzes fast mit Nothwendigkeit geboten. Es ist demnach durchaus treffend, dass Eustathius uns zum Vergleich auf die Niobe und ähnliche Gestalten des Aeschylus hinweist. Wenn wir aber nicht umhin konnten, uns bei Gelegenheit des Zeuxis und Parrhasios zuweilen an Euripides zu erin- nern, so muss jener Vergleich dem Timanthes um so mehr zur Ehre gereichen. Denn es liegt darin ausgesprochen, dass Timanthes, während er auf der einen Seite hinter den Forderungen seiner Zeit keineswegs zurückblieb, auf der andern zugleich einen Theil der Vorzüge der früheren Zeit, die Tiefe und Bedeutsamkeit der geistigen Auffassung noch zu bewahren wusste, während bei seinen Nebenbuhlern be- reits das Streben nach Illusion und einer mehr äussern Cha- rakteristik sich Bahn zu brechen begonnen hatte.
Die übrigen Maler dieser Periode.
Von Schülern der eben behandelten Meister haben wir keine Kunde. Denn Mikkion, den Lucian (Zeuxis 7) ein- mal als Schüler des Zeuxis nennt, wird so beiläufig und in einer solchen Weise angeführt, dass der Name sehr wohl von Lucian bloss zum Zwecke seiner Erzählung erfunden sein kann. Aber auch sonst kennen wir nur wenige Maler aus dieser Zeit. Wir nennen unter diesen zuerst:
Androkydes. Unter den Zeitgenossen und Nebenbuhlern des Zeuxis, Ti- manthes, Parrhasios, Eupompos führt Plinius (35, 64) auch Androkydes an, der andern Nachrichten zufolge aus Kyzikos stammte. Er malte nach Plutarch (Pelop. 25) zur Zeit der Wiedereinnahme der Kadmea durch die Thebaner (Ol. C, 2) ein bei ihm von der Stadt bestelltes Schlachtbild, in welchem Pelopidas und Epaminondas zu den Hauptfiguren gehörten: vielleicht den Kampf gegen die Arkader, in welchem Epami- nondas den schwer verwundeten Pelopidas mit Gefahr des eigenen Lebens vertheidigte (Plut. Pelop. 4: Ol. 98, 4). Um
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lung keineswegs als ein blosser Kunstgriff, sondern vorbe-
reitet durch die in den Nebenpersonen ausgesprochene Stufen-
folge steigender Affecte ist sie als höchster Ausdruck des
Schmerzes fast mit Nothwendigkeit geboten. Es ist demnach
durchaus treffend, dass Eustathius uns zum Vergleich auf
die Niobe und ähnliche Gestalten des Aeschylus hinweist.
Wenn wir aber nicht umhin konnten, uns bei Gelegenheit
des Zeuxis und Parrhasios zuweilen an Euripides zu erin-
nern, so muss jener Vergleich dem Timanthes um so mehr
zur Ehre gereichen. Denn es liegt darin ausgesprochen,
dass Timanthes, während er auf der einen Seite hinter den
Forderungen seiner Zeit keineswegs zurückblieb, auf der
andern zugleich einen Theil der Vorzüge der früheren Zeit,
die Tiefe und Bedeutsamkeit der geistigen Auffassung noch
zu bewahren wusste, während bei seinen Nebenbuhlern be-
reits das Streben nach Illusion und einer mehr äussern Cha-
rakteristik sich Bahn zu brechen begonnen hatte.
Die übrigen Maler dieser Periode.
Von Schülern der eben behandelten Meister haben wir
keine Kunde. Denn Mikkion, den Lucian (Zeuxis 7) ein-
mal als Schüler des Zeuxis nennt, wird so beiläufig und in
einer solchen Weise angeführt, dass der Name sehr wohl
von Lucian bloss zum Zwecke seiner Erzählung erfunden sein
kann. Aber auch sonst kennen wir nur wenige Maler aus
dieser Zeit. Wir nennen unter diesen zuerst:
Androkydes.
Unter den Zeitgenossen und Nebenbuhlern des Zeuxis, Ti-
manthes, Parrhasios, Eupompos führt Plinius (35, 64) auch
Androkydes an, der andern Nachrichten zufolge aus Kyzikos
stammte. Er malte nach Plutarch (Pelop. 25) zur Zeit der
Wiedereinnahme der Kadmea durch die Thebaner (Ol. C, 2)
ein bei ihm von der Stadt bestelltes Schlachtbild, in welchem
Pelopidas und Epaminondas zu den Hauptfiguren gehörten:
vielleicht den Kampf gegen die Arkader, in welchem Epami-
nondas den schwer verwundeten Pelopidas mit Gefahr des
eigenen Lebens vertheidigte (Plut. Pelop. 4: Ol. 98, 4). Um
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/132>, abgerufen am 27.11.2024.
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