um so weniger zu entscheiden, als sich ihre Leistungen im Besondern kaum vergleichen lassen, ihre Werthschätzung im Allgemeinen aber durchaus relativ und gänzlich durch den Standpunkt bedingt ist, von welchem man bei der Beurthei- lung ausgeht. Auch dem Alterthum ist ein solcher Vergleich fern geblieben, und zumal die Zeitgenossen haben beiden Künstlern ihre Anerkennung im reichsten Maasse zu Theil werden lassen, in zu reichem Maasse sogar, insofern sie da- durch die Künstler zu einem unbegrenzten Hochmuthe ver- leiteten: denn auch hierin giebt Parrhasios seinem Neben- buhler Zeuxis nichts nach. Plinius 1) äussert sich darüber folgendermassen: "Ein fruchtbarer Künstler, aber keiner hat seinen Künstlerruhm in so stolzer und anmassender Weise, wie er ausgebeutet; denn er legte sich Beinamen bei, wie abro- diaitos; in andern Versen nannte er sich den Fürsten der Kunst und behauptete, dass dieselbe durch ihn ihren Gipfel erreicht habe, vorzüglich aber, dass er von Apollo 2) ab- stamme, und den Herakles zu Lindos so gemalt habe, wie er denselben oft während des Schlafes gesehen. Des- halb meinte er auch, als er in der Darstellung des Aias und des Waffenurtheils von Timanthes zu Samos mit grosser Stimmenmehrheit besiegt ward, er beklage es im Namen seines Helden, dass dieser wiederum von einem Unwürdigen besiegt worden sei." Fast dieselben Nachrichten, nur in ausgeführterer Weise finden sich bei Aelian 3) und Athe- naeus, 4) welcher als seine Quelle die Biographien des Kle- arch angiebt. Danach offenbarte sich der Stolz des Künstlers schon in der äusseren Erscheinung: er trug einen goldenen Kranz und eine weisse Binde um das Haupt, dazu ein Pur- purgewand, hatte seine Schuhe mit goldenen Schnallen ge- schmückt und führte einen mit goldenen Ranken umwunde- nen Stab. So spielte er durchaus den vornehmen Mann, dem nur ein mit allen feinen Genüssen ausgestattetes Leben anstehe, wie dies der Beiname abrodiaitos besagt. Spötter freilich erinnerten dadurch, dass sie denselben in Rabdodaiitos veränderten, auf witzige Art an die Pinsel (wörtlich an die
1) 35, 71.
2) wohl im Hinblick auf den Apollo Parrhasios : Paus. VIII, 38, 2 u. 6.
3) V. H. IX, 11.
4) XII, p. 543 C sqq., XV, 687 B.
um so weniger zu entscheiden, als sich ihre Leistungen im Besondern kaum vergleichen lassen, ihre Werthschätzung im Allgemeinen aber durchaus relativ und gänzlich durch den Standpunkt bedingt ist, von welchem man bei der Beurthei- lung ausgeht. Auch dem Alterthum ist ein solcher Vergleich fern geblieben, und zumal die Zeitgenossen haben beiden Künstlern ihre Anerkennung im reichsten Maasse zu Theil werden lassen, in zu reichem Maasse sogar, insofern sie da- durch die Künstler zu einem unbegrenzten Hochmuthe ver- leiteten: denn auch hierin giebt Parrhasios seinem Neben- buhler Zeuxis nichts nach. Plinius 1) äussert sich darüber folgendermassen: „Ein fruchtbarer Künstler, aber keiner hat seinen Künstlerruhm in so stolzer und anmassender Weise, wie er ausgebeutet; denn er legte sich Beinamen bei, wie ἁβϱο- δίαιτος; in andern Versen nannte er sich den Fürsten der Kunst und behauptete, dass dieselbe durch ihn ihren Gipfel erreicht habe, vorzüglich aber, dass er von Apollo 2) ab- stamme, und den Herakles zu Lindos so gemalt habe, wie er denselben oft während des Schlafes gesehen. Des- halb meinte er auch, als er in der Darstellung des Aias und des Waffenurtheils von Timanthes zu Samos mit grosser Stimmenmehrheit besiegt ward, er beklage es im Namen seines Helden, dass dieser wiederum von einem Unwürdigen besiegt worden sei.“ Fast dieselben Nachrichten, nur in ausgeführterer Weise finden sich bei Aelian 3) und Athe- naeus, 4) welcher als seine Quelle die Biographien des Kle- arch angiebt. Danach offenbarte sich der Stolz des Künstlers schon in der äusseren Erscheinung: er trug einen goldenen Kranz und eine weisse Binde um das Haupt, dazu ein Pur- purgewand, hatte seine Schuhe mit goldenen Schnallen ge- schmückt und führte einen mit goldenen Ranken umwunde- nen Stab. So spielte er durchaus den vornehmen Mann, dem nur ein mit allen feinen Genüssen ausgestattetes Leben anstehe, wie dies der Beiname ἁβϱοδίαιτος besagt. Spötter freilich erinnerten dadurch, dass sie denselben in ῥαβδοδαίιτος veränderten, auf witzige Art an die Pinsel (wörtlich an die
1) 35, 71.
2) wohl im Hinblick auf den Apollo Parrhasios : Paus. VIII, 38, 2 u. 6.
3) V. H. IX, 11.
4) XII, p. 543 C sqq., XV, 687 B.
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um so weniger zu entscheiden, als sich ihre Leistungen im
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lung ausgeht. Auch dem Alterthum ist ein solcher Vergleich
fern geblieben, und zumal die Zeitgenossen haben beiden
Künstlern ihre Anerkennung im reichsten Maasse zu Theil
werden lassen, in zu reichem Maasse sogar, insofern sie da-
durch die Künstler zu einem unbegrenzten Hochmuthe ver-
leiteten: denn auch hierin giebt Parrhasios seinem Neben-
buhler Zeuxis nichts nach. Plinius 1) äussert sich darüber
folgendermassen: „Ein fruchtbarer Künstler, aber keiner hat
seinen Künstlerruhm in so stolzer und anmassender Weise, wie
er ausgebeutet; denn er legte sich Beinamen bei, wie ἁβϱο-
δίαιτος; in andern Versen nannte er sich den Fürsten der
Kunst und behauptete, dass dieselbe durch ihn ihren Gipfel
erreicht habe, vorzüglich aber, dass er von Apollo 2) ab-
stamme, und den Herakles zu Lindos so gemalt habe,
wie er denselben oft während des Schlafes gesehen. Des-
halb meinte er auch, als er in der Darstellung des Aias
und des Waffenurtheils von Timanthes zu Samos mit grosser
Stimmenmehrheit besiegt ward, er beklage es im Namen
seines Helden, dass dieser wiederum von einem Unwürdigen
besiegt worden sei.“ Fast dieselben Nachrichten, nur in
ausgeführterer Weise finden sich bei Aelian 3) und Athe-
naeus, 4) welcher als seine Quelle die Biographien des Kle-
arch angiebt. Danach offenbarte sich der Stolz des Künstlers
schon in der äusseren Erscheinung: er trug einen goldenen
Kranz und eine weisse Binde um das Haupt, dazu ein Pur-
purgewand, hatte seine Schuhe mit goldenen Schnallen ge-
schmückt und führte einen mit goldenen Ranken umwunde-
nen Stab. So spielte er durchaus den vornehmen Mann,
dem nur ein mit allen feinen Genüssen ausgestattetes Leben
anstehe, wie dies der Beiname ἁβϱοδίαιτος besagt. Spötter
freilich erinnerten dadurch, dass sie denselben in ῥαβδοδαίιτος
veränderten, auf witzige Art an die Pinsel (wörtlich an die
1) 35, 71.
2) wohl im Hinblick auf den Apollo Parrhasios : Paus.
VIII, 38, 2 u. 6.
3) V. H. IX, 11.
4) XII, p. 543 C sqq., XV,
687 B.
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/126>, abgerufen am 23.11.2024.
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