in der Geschichte der Malerei für immer gesichert, und es erscheint sogar vollkommen gerechtfertigt, wenn Plinius von seinem Standpunkte aus mit ihm und Apollodor die Blüthe der Malerei erst beginnen lässt.
Weniger lässt sich die Art rechtfertigen, wie der Künst- ler selbst diese Stellung für sich in Anspruch nimmt: Zeuxis liefert das erste Beispiel eines ungezügelten Künstlerstolzes. Ich will ein Zeugniss für denselben nicht in dem Ausspruche finden, mit welchem er dem auf sein leichtes und schnelles Malen stolzen Agatharch antwortete: er brauche viele Zeit zum Malen. 1) Denn wenn auch nach dem Doppelsinne des griechischen Ausdruckes (pollo khrono) der Künstler zugleich sagen wollte, er male für lange Zeit, so liegt doch darin noch mehr eine Werthschätzung der verschiedenen Manieren der Malerei, als des persönlichen Verdienstes. Dagegen spricht sich sein Stolz deutlich aus in dem, was Plinius über den Pomp seiner Kleidung und über das Verschenken seiner Werke be- merkt, so wie in der Anwendung, welche er selbst von den Ver- sen des Homer auf seine Helena machte. Nicht weniger stolz erscheint er in einem Epigramme, 2) in welchem er sich für unbesiegbar erklärt. Endlich gehört hierher der Ausspruch: tadeln sei leichter, als besser machen (momesetai tis mallon e mimesetai). Denn wenn Einige sagen, Apollodor habe diesen Spruch auf "seine Werke" gesetzt, so muss diese Allgemein- heit, diese öftere Wiederholung von vorn herein unsern Verdacht erwecken, und der Ueberlieferung des Plinius den Vorzug sichern, welcher ein bestimmtes Werk, einen Athleten, anführt, den Zeuxis durch diese Aufschrift als unnachahmlich habe hinstellen wollen.
Wie aber selbst die Vögel, welche getäuscht zu haben sich Zeuxis einst rühmte, ihn seinen Stolz entgelten liessen, indem sie wohl seine Trauben, nicht aber den Knaben ach- teten, welcher sie trug; so sollte er selbst es noch mit eigenem Munde bekennen, dass er von einem Nebenbuhler übertroffen sei. Die Erzählung von dem gemalten Vorhange des Parrhasios, durch welchen sich Zeuxis täuschen liess, mag scheinbar wegen ihres anekdotenähnlichen Charakters
1) Plut. Per. 13; de amic. mult. 94 F.
2) Anthol. XIII, p. 777, v. 99; Arist. orat. peri tou apophth. II, p. 386; vgl. Bergk anall. lyr. I, p. 7.
in der Geschichte der Malerei für immer gesichert, und es erscheint sogar vollkommen gerechtfertigt, wenn Plinius von seinem Standpunkte aus mit ihm und Apollodor die Blüthe der Malerei erst beginnen lässt.
Weniger lässt sich die Art rechtfertigen, wie der Künst- ler selbst diese Stellung für sich in Anspruch nimmt: Zeuxis liefert das erste Beispiel eines ungezügelten Künstlerstolzes. Ich will ein Zeugniss für denselben nicht in dem Ausspruche finden, mit welchem er dem auf sein leichtes und schnelles Malen stolzen Agatharch antwortete: er brauche viele Zeit zum Malen. 1) Denn wenn auch nach dem Doppelsinne des griechischen Ausdruckes (πολλῷ χϱόνῳ) der Künstler zugleich sagen wollte, er male für lange Zeit, so liegt doch darin noch mehr eine Werthschätzung der verschiedenen Manieren der Malerei, als des persönlichen Verdienstes. Dagegen spricht sich sein Stolz deutlich aus in dem, was Plinius über den Pomp seiner Kleidung und über das Verschenken seiner Werke be- merkt, so wie in der Anwendung, welche er selbst von den Ver- sen des Homer auf seine Helena machte. Nicht weniger stolz erscheint er in einem Epigramme, 2) in welchem er sich für unbesiegbar erklärt. Endlich gehört hierher der Ausspruch: tadeln sei leichter, als besser machen (μωμήσεταί τις μᾶλλον ἢ μιμήσεται). Denn wenn Einige sagen, Apollodor habe diesen Spruch auf „seine Werke“ gesetzt, so muss diese Allgemein- heit, diese öftere Wiederholung von vorn herein unsern Verdacht erwecken, und der Ueberlieferung des Plinius den Vorzug sichern, welcher ein bestimmtes Werk, einen Athleten, anführt, den Zeuxis durch diese Aufschrift als unnachahmlich habe hinstellen wollen.
Wie aber selbst die Vögel, welche getäuscht zu haben sich Zeuxis einst rühmte, ihn seinen Stolz entgelten liessen, indem sie wohl seine Trauben, nicht aber den Knaben ach- teten, welcher sie trug; so sollte er selbst es noch mit eigenem Munde bekennen, dass er von einem Nebenbuhler übertroffen sei. Die Erzählung von dem gemalten Vorhange des Parrhasios, durch welchen sich Zeuxis täuschen liess, mag scheinbar wegen ihres anekdotenähnlichen Charakters
1) Plut. Per. 13; de amic. mult. 94 F.
2) Anthol. XIII, p. 777, v. 99; Arist. orat. πεϱὶ τοῦ ἀποφϑ. II, p. 386; vgl. Bergk anall. lyr. I, p. 7.
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[96/0104]
in der Geschichte der Malerei für immer gesichert, und es
erscheint sogar vollkommen gerechtfertigt, wenn Plinius von
seinem Standpunkte aus mit ihm und Apollodor die Blüthe
der Malerei erst beginnen lässt.
Weniger lässt sich die Art rechtfertigen, wie der Künst-
ler selbst diese Stellung für sich in Anspruch nimmt: Zeuxis
liefert das erste Beispiel eines ungezügelten Künstlerstolzes.
Ich will ein Zeugniss für denselben nicht in dem Ausspruche
finden, mit welchem er dem auf sein leichtes und schnelles
Malen stolzen Agatharch antwortete: er brauche viele Zeit
zum Malen. 1) Denn wenn auch nach dem Doppelsinne des
griechischen Ausdruckes (πολλῷ χϱόνῳ) der Künstler zugleich
sagen wollte, er male für lange Zeit, so liegt doch darin
noch mehr eine Werthschätzung der verschiedenen Manieren
der Malerei, als des persönlichen Verdienstes. Dagegen spricht
sich sein Stolz deutlich aus in dem, was Plinius über den Pomp
seiner Kleidung und über das Verschenken seiner Werke be-
merkt, so wie in der Anwendung, welche er selbst von den Ver-
sen des Homer auf seine Helena machte. Nicht weniger stolz
erscheint er in einem Epigramme, 2) in welchem er sich für
unbesiegbar erklärt. Endlich gehört hierher der Ausspruch:
tadeln sei leichter, als besser machen (μωμήσεταί τις μᾶλλον ἢ
μιμήσεται). Denn wenn Einige sagen, Apollodor habe diesen
Spruch auf „seine Werke“ gesetzt, so muss diese Allgemein-
heit, diese öftere Wiederholung von vorn herein unsern
Verdacht erwecken, und der Ueberlieferung des Plinius den
Vorzug sichern, welcher ein bestimmtes Werk, einen Athleten,
anführt, den Zeuxis durch diese Aufschrift als unnachahmlich
habe hinstellen wollen.
Wie aber selbst die Vögel, welche getäuscht zu haben
sich Zeuxis einst rühmte, ihn seinen Stolz entgelten liessen,
indem sie wohl seine Trauben, nicht aber den Knaben ach-
teten, welcher sie trug; so sollte er selbst es noch mit
eigenem Munde bekennen, dass er von einem Nebenbuhler
übertroffen sei. Die Erzählung von dem gemalten Vorhange
des Parrhasios, durch welchen sich Zeuxis täuschen liess,
mag scheinbar wegen ihres anekdotenähnlichen Charakters
1) Plut. Per. 13; de amic. mult. 94 F.
2) Anthol. XIII, p. 777, v. 99;
Arist. orat. πεϱὶ τοῦ ἀποφϑ. II, p. 386; vgl. Bergk anall. lyr. I, p. 7.
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/104>, abgerufen am 23.11.2024.
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