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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Kallon.

Die neueren Forscher haben Kallon ziemlich übereinstim-
mend in die 60--66ste Ol. gesetzt, weil Quintilian1) seinen
Styl hart und dem tuscanischen ähnlich nennt, und weil er nach
Pausanias2) Schüler des Tektaeos und Angelion war, die bei
Dipoenos und Skyllis gelernt hatten. Wenn wir jedoch das
Urtheil des Quintilian über Kallon mit dem des Cicero3) über
Kanachos vergleichen, so finden wir, dass beide Künstler in
ihrer relativen Stellung sich vollkommen entsprechen:
[Spaltenumbruch] rigidiora Canachi
molliora Calamidis
pulchra Myronis
[Spaltenumbruch] duriora Callonis
minus rigida Calamidis
molliora adhuc Myronis.
Und was wir aus dieser Vergleichung lernen, das spricht
Pausanias4) mit bestimmten Worten aus, indem er sagt, dass
die Naupaktier Menaechmos und Soidas um nicht vieles jünger
wären, als Kanachos von Sikyon und Kallon von Aegina.
Kanachos aber blühte, wie wir gesehen haben, bald nach
Ol. 70, nicht nach Ol. 60. Eine andere Vergleichung führt zu
demselben Ergebniss. Quintilian nennt als mit Kallon auf
gleicher Stufe stehend den Hegesias, und Lucian5) verbindet
mit Hegesias den Kritios und Nesiotes, von denen gewiss ist,
dass sie nach Ol. 75, 1 die von Xerxes weggeführten Statuen
des Harmodios und des Aristogeiton durch neue Bilder er-
setzten; dazu nennt er auch ihren Styl alterthümlich und hart.
Hiernach würde Kallon ebenfalls besser in die Zeit zwischen
Ol. 70 und 80, als zwischen 60 und 70 passen.

In diese ganz einfache und klare Berechnung bringen
aber zwei Stellen des Pausanias die grösste Verwirrung. Wir
setzen sie in ihrer ganzen Ausdehnung her. Am Ende des
ersten messenischen Krieges, sagt Pausanias6), zerstörten die
Lakedaemonier Ithome und andere Städte, anethesan de kai
apo ton laphuron to Amuklaio tripodas khalkous; Aphrodi-
tes agalma estin estekos upo to tripodi to proto, Arte-
midos de upo to deutero, Kores de e Demetros upo to trito.
tauta men de anethesan entautha. Die zweite Stelle findet sich
bei der Beschreibung von Amyklae7): Ta de en Amuklais
theas axia aner pentathlos estin epi steles onoma Ainetos

1) XII, 10, 7.
2) II, 32, 4.
3) Brut. 18.
4) VIII, 18, 6.
5) Rhet.
praec. 9.
6) IV, 14, 2.
7) III, 18, 5.

Kallon.

Die neueren Forscher haben Kallon ziemlich übereinstim-
mend in die 60—66ste Ol. gesetzt, weil Quintilian1) seinen
Styl hart und dem tuscanischen ähnlich nennt, und weil er nach
Pausanias2) Schüler des Tektaeos und Angelion war, die bei
Dipoenos und Skyllis gelernt hatten. Wenn wir jedoch das
Urtheil des Quintilian über Kallon mit dem des Cicero3) über
Kanachos vergleichen, so finden wir, dass beide Künstler in
ihrer relativen Stellung sich vollkommen entsprechen:
[Spaltenumbruch] rigidiora Canachi
molliora Calamidis
pulchra Myronis
[Spaltenumbruch] duriora Callonis
minus rigida Calamidis
molliora adhuc Myronis.
Und was wir aus dieser Vergleichung lernen, das spricht
Pausanias4) mit bestimmten Worten aus, indem er sagt, dass
die Naupaktier Menaechmos und Soïdas um nicht vieles jünger
wären, als Kanachos von Sikyon und Kallon von Aegina.
Kanachos aber blühte, wie wir gesehen haben, bald nach
Ol. 70, nicht nach Ol. 60. Eine andere Vergleichung führt zu
demselben Ergebniss. Quintilian nennt als mit Kallon auf
gleicher Stufe stehend den Hegesias, und Lucian5) verbindet
mit Hegesias den Kritios und Nesiotes, von denen gewiss ist,
dass sie nach Ol. 75, 1 die von Xerxes weggeführten Statuen
des Harmodios und des Aristogeiton durch neue Bilder er-
setzten; dazu nennt er auch ihren Styl alterthümlich und hart.
Hiernach würde Kallon ebenfalls besser in die Zeit zwischen
Ol. 70 und 80, als zwischen 60 und 70 passen.

In diese ganz einfache und klare Berechnung bringen
aber zwei Stellen des Pausanias die grösste Verwirrung. Wir
setzen sie in ihrer ganzen Ausdehnung her. Am Ende des
ersten messenischen Krieges, sagt Pausanias6), zerstörten die
Lakedaemonier Ithome und andere Städte, ἀνέϑεσαν δὲ καὶ
ἀπὸ τῶν λαφύρων τῷ Ἀμυκλαίῳ τρίποδας χαλκοῦς· Ἀφροδί-
της ἄγαλμά ἐστιν ἑστηκὸς ὑπὸ τῷ τρίποδι τῷ πρώτῳ, Ἀρτέ-
μιδος δὲ ὑπὸ τῷ δευτέρῳ, Κόρης δὲ ἢ Δήμητρος ὑπὸ τῷ τρίτῳ.
ταῦτα μὲν δὴ ἀνέϑεσαν ἐνταῦϑα. Die zweite Stelle findet sich
bei der Beschreibung von Amyklae7): Τὰ δὲ ἐν Ἀμύκλαις
ϑέας ἄξια ἀνὴρ πένταϑλός ἐστιν ἐπὶ στήλης ὄνομα Αἴνητος

1) XII, 10, 7.
2) II, 32, 4.
3) Brut. 18.
4) VIII, 18, 6.
5) Rhet.
praec. 9.
6) IV, 14, 2.
7) III, 18, 5.
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[85/0098] Kallon. Die neueren Forscher haben Kallon ziemlich übereinstim- mend in die 60—66ste Ol. gesetzt, weil Quintilian 1) seinen Styl hart und dem tuscanischen ähnlich nennt, und weil er nach Pausanias 2) Schüler des Tektaeos und Angelion war, die bei Dipoenos und Skyllis gelernt hatten. Wenn wir jedoch das Urtheil des Quintilian über Kallon mit dem des Cicero 3) über Kanachos vergleichen, so finden wir, dass beide Künstler in ihrer relativen Stellung sich vollkommen entsprechen: rigidiora Canachi molliora Calamidis pulchra Myronis duriora Callonis minus rigida Calamidis molliora adhuc Myronis. Und was wir aus dieser Vergleichung lernen, das spricht Pausanias 4) mit bestimmten Worten aus, indem er sagt, dass die Naupaktier Menaechmos und Soïdas um nicht vieles jünger wären, als Kanachos von Sikyon und Kallon von Aegina. Kanachos aber blühte, wie wir gesehen haben, bald nach Ol. 70, nicht nach Ol. 60. Eine andere Vergleichung führt zu demselben Ergebniss. Quintilian nennt als mit Kallon auf gleicher Stufe stehend den Hegesias, und Lucian 5) verbindet mit Hegesias den Kritios und Nesiotes, von denen gewiss ist, dass sie nach Ol. 75, 1 die von Xerxes weggeführten Statuen des Harmodios und des Aristogeiton durch neue Bilder er- setzten; dazu nennt er auch ihren Styl alterthümlich und hart. Hiernach würde Kallon ebenfalls besser in die Zeit zwischen Ol. 70 und 80, als zwischen 60 und 70 passen. In diese ganz einfache und klare Berechnung bringen aber zwei Stellen des Pausanias die grösste Verwirrung. Wir setzen sie in ihrer ganzen Ausdehnung her. Am Ende des ersten messenischen Krieges, sagt Pausanias 6), zerstörten die Lakedaemonier Ithome und andere Städte, ἀνέϑεσαν δὲ καὶ ἀπὸ τῶν λαφύρων τῷ Ἀμυκλαίῳ τρίποδας χαλκοῦς· Ἀφροδί- της ἄγαλμά ἐστιν ἑστηκὸς ὑπὸ τῷ τρίποδι τῷ πρώτῳ, Ἀρτέ- μιδος δὲ ὑπὸ τῷ δευτέρῳ, Κόρης δὲ ἢ Δήμητρος ὑπὸ τῷ τρίτῳ. ταῦτα μὲν δὴ ἀνέϑεσαν ἐνταῦϑα. Die zweite Stelle findet sich bei der Beschreibung von Amyklae 7): Τὰ δὲ ἐν Ἀμύκλαις ϑέας ἄξια ἀνὴρ πένταϑλός ἐστιν ἐπὶ στήλης ὄνομα Αἴνητος 1) XII, 10, 7. 2) II, 32, 4. 3) Brut. 18. 4) VIII, 18, 6. 5) Rhet. praec. 9. 6) IV, 14, 2. 7) III, 18, 5.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/98>, abgerufen am 24.11.2024.