matische Anordnung in Reihen von Löckchen oder regelmässi- gen Parthien.
Wie weit die hier angegebenen Kennzeichen gerade dem Kanachos oder nur überhaupt der älteren Kunst angehören, ist schwer zu entscheiden. Auch das Urtheil des Cicero1), wel- cher Kanachos eine Kunststufe höher aufwärts als Kalamis, zwei höher als Myron setzt, vermag uns darüber keinen Auf- schluss zu gewähren. Um so mehr halte ich es für Pflicht, in einem Punkte zur Vorsicht zu rathen, nemlich nicht vor- schnell diesen Apollo als ein den aeginetischen Giebelstatuen verwandtes Bildwerk hinzustellen; denn diese Verwandtschaft würde sich höchstens auf die allgemeine Aehnlichkeit aller alterthümlichen griechischen Kunstwerke erstrecken. Die ein- zelnen Formen dagegen erscheinen in den Aegineten weit schärfer bezeichnet, als in dem Apollo, der, soweit sich aus den Copien urtheilen lässt, im Ganzen einen gedrungenen, kräftigen Körperbau, im Einzelnen aber mehr Fülle und Run- dung zeigt. Auch im Ausdruck fehlt ihm zwar nicht eine ge- wisse Gutmüthigkeit, aber sie ist gepaart mit einem Grade von Ernst und Strenge, den man in den lächelnden Gesichtern der Aegineten vergeblich suchen wird.
Was wir von den übrigen Werken des Kanachos wissen, giebt uns über den Styl keinen näheren Aufschluss. Die Attri- bute seiner Aphrodite, Mohnkopf und Apfel, sind die, welche wir in alterthümlichen Terracottenbildungen zu sehen gewohnt sind. Nur das ist noch zu bemerken, dass Kanachos nicht ausschliesslich in einem Stoffe arbeitete. Der milesische Apoll, die Knaben mit den Rennpferden, wahrscheinlich auch die Muse, waren aus Erz, und zwar, wie Plinius bemerkt, von aeginetischer Mischung. Bei dem ismenischen Apollo wandte er noch das von Alters her gebräuchliche Holz an, bei der Aphrodite Gold und Elfenbein. Vielleicht arbeitete er auch in Marmor. Plinius2) sagt zwar nur, dass der unter den Erz- bildnern genannte Kanachos auch Marmorwerke gemacht habe, und wir könnten daher seine Angabe auch auf den jüngeren Künstler dieses Namens beziehen, den er in die 95ste Ol. setzt. Allein weder von diesem, noch von den mit ihm verbundenen Künstlern kennen wir andere als Erzwerke, weshalb wir dem
1) Brut. 18.
2) 36, 42.
matische Anordnung in Reihen von Löckchen oder regelmässi- gen Parthien.
Wie weit die hier angegebenen Kennzeichen gerade dem Kanachos oder nur überhaupt der älteren Kunst angehören, ist schwer zu entscheiden. Auch das Urtheil des Cicero1), wel- cher Kanachos eine Kunststufe höher aufwärts als Kalamis, zwei höher als Myron setzt, vermag uns darüber keinen Auf- schluss zu gewähren. Um so mehr halte ich es für Pflicht, in einem Punkte zur Vorsicht zu rathen, nemlich nicht vor- schnell diesen Apollo als ein den aeginetischen Giebelstatuen verwandtes Bildwerk hinzustellen; denn diese Verwandtschaft würde sich höchstens auf die allgemeine Aehnlichkeit aller alterthümlichen griechischen Kunstwerke erstrecken. Die ein- zelnen Formen dagegen erscheinen in den Aegineten weit schärfer bezeichnet, als in dem Apollo, der, soweit sich aus den Copien urtheilen lässt, im Ganzen einen gedrungenen, kräftigen Körperbau, im Einzelnen aber mehr Fülle und Run- dung zeigt. Auch im Ausdruck fehlt ihm zwar nicht eine ge- wisse Gutmüthigkeit, aber sie ist gepaart mit einem Grade von Ernst und Strenge, den man in den lächelnden Gesichtern der Aegineten vergeblich suchen wird.
Was wir von den übrigen Werken des Kanachos wissen, giebt uns über den Styl keinen näheren Aufschluss. Die Attri- bute seiner Aphrodite, Mohnkopf und Apfel, sind die, welche wir in alterthümlichen Terracottenbildungen zu sehen gewohnt sind. Nur das ist noch zu bemerken, dass Kanachos nicht ausschliesslich in einem Stoffe arbeitete. Der milesische Apoll, die Knaben mit den Rennpferden, wahrscheinlich auch die Muse, waren aus Erz, und zwar, wie Plinius bemerkt, von aeginetischer Mischung. Bei dem ismenischen Apollo wandte er noch das von Alters her gebräuchliche Holz an, bei der Aphrodite Gold und Elfenbein. Vielleicht arbeitete er auch in Marmor. Plinius2) sagt zwar nur, dass der unter den Erz- bildnern genannte Kanachos auch Marmorwerke gemacht habe, und wir könnten daher seine Angabe auch auf den jüngeren Künstler dieses Namens beziehen, den er in die 95ste Ol. setzt. Allein weder von diesem, noch von den mit ihm verbundenen Künstlern kennen wir andere als Erzwerke, weshalb wir dem
1) Brut. 18.
2) 36, 42.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0092"n="79"/>
matische Anordnung in Reihen von Löckchen oder regelmässi-<lb/>
gen Parthien.</p><lb/><p>Wie weit die hier angegebenen Kennzeichen gerade dem<lb/>
Kanachos oder nur überhaupt der älteren Kunst angehören, ist<lb/>
schwer zu entscheiden. Auch das Urtheil des Cicero<noteplace="foot"n="1)">Brut. 18.</note>, wel-<lb/>
cher Kanachos eine Kunststufe höher aufwärts als Kalamis,<lb/>
zwei höher als Myron setzt, vermag uns darüber keinen Auf-<lb/>
schluss zu gewähren. Um so mehr halte ich es für Pflicht,<lb/>
in einem Punkte zur Vorsicht zu rathen, nemlich nicht vor-<lb/>
schnell diesen Apollo als ein den aeginetischen Giebelstatuen<lb/>
verwandtes Bildwerk hinzustellen; denn diese Verwandtschaft<lb/>
würde sich höchstens auf die allgemeine Aehnlichkeit aller<lb/>
alterthümlichen griechischen Kunstwerke erstrecken. Die ein-<lb/>
zelnen Formen dagegen erscheinen in den Aegineten weit<lb/>
schärfer bezeichnet, als in dem Apollo, der, soweit sich aus<lb/>
den Copien urtheilen lässt, im Ganzen einen gedrungenen,<lb/>
kräftigen Körperbau, im Einzelnen aber mehr Fülle und Run-<lb/>
dung zeigt. Auch im Ausdruck fehlt ihm zwar nicht eine ge-<lb/>
wisse Gutmüthigkeit, aber sie ist gepaart mit einem Grade<lb/>
von Ernst und Strenge, den man in den lächelnden Gesichtern<lb/>
der Aegineten vergeblich suchen wird.</p><lb/><p>Was wir von den übrigen Werken des Kanachos wissen,<lb/>
giebt uns über den Styl keinen näheren Aufschluss. Die Attri-<lb/>
bute seiner Aphrodite, Mohnkopf und Apfel, sind die, welche<lb/>
wir in alterthümlichen Terracottenbildungen zu sehen gewohnt<lb/>
sind. Nur das ist noch zu bemerken, dass Kanachos nicht<lb/>
ausschliesslich in <hirendition="#g">einem</hi> Stoffe arbeitete. Der milesische Apoll,<lb/>
die Knaben mit den Rennpferden, wahrscheinlich auch die<lb/>
Muse, waren aus Erz, und zwar, wie Plinius bemerkt, von<lb/>
aeginetischer Mischung. Bei dem ismenischen Apollo wandte<lb/>
er noch das von Alters her gebräuchliche Holz an, bei der<lb/>
Aphrodite Gold und Elfenbein. Vielleicht arbeitete er auch in<lb/>
Marmor. Plinius<noteplace="foot"n="2)">36, 42.</note> sagt zwar nur, dass der unter den Erz-<lb/>
bildnern genannte Kanachos auch Marmorwerke gemacht habe,<lb/>
und wir könnten daher seine Angabe auch auf den jüngeren<lb/>
Künstler dieses Namens beziehen, den er in die 95ste Ol. setzt.<lb/>
Allein weder von diesem, noch von den mit ihm verbundenen<lb/>
Künstlern kennen wir andere als Erzwerke, weshalb wir dem<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[79/0092]
matische Anordnung in Reihen von Löckchen oder regelmässi-
gen Parthien.
Wie weit die hier angegebenen Kennzeichen gerade dem
Kanachos oder nur überhaupt der älteren Kunst angehören, ist
schwer zu entscheiden. Auch das Urtheil des Cicero 1), wel-
cher Kanachos eine Kunststufe höher aufwärts als Kalamis,
zwei höher als Myron setzt, vermag uns darüber keinen Auf-
schluss zu gewähren. Um so mehr halte ich es für Pflicht,
in einem Punkte zur Vorsicht zu rathen, nemlich nicht vor-
schnell diesen Apollo als ein den aeginetischen Giebelstatuen
verwandtes Bildwerk hinzustellen; denn diese Verwandtschaft
würde sich höchstens auf die allgemeine Aehnlichkeit aller
alterthümlichen griechischen Kunstwerke erstrecken. Die ein-
zelnen Formen dagegen erscheinen in den Aegineten weit
schärfer bezeichnet, als in dem Apollo, der, soweit sich aus
den Copien urtheilen lässt, im Ganzen einen gedrungenen,
kräftigen Körperbau, im Einzelnen aber mehr Fülle und Run-
dung zeigt. Auch im Ausdruck fehlt ihm zwar nicht eine ge-
wisse Gutmüthigkeit, aber sie ist gepaart mit einem Grade
von Ernst und Strenge, den man in den lächelnden Gesichtern
der Aegineten vergeblich suchen wird.
Was wir von den übrigen Werken des Kanachos wissen,
giebt uns über den Styl keinen näheren Aufschluss. Die Attri-
bute seiner Aphrodite, Mohnkopf und Apfel, sind die, welche
wir in alterthümlichen Terracottenbildungen zu sehen gewohnt
sind. Nur das ist noch zu bemerken, dass Kanachos nicht
ausschliesslich in einem Stoffe arbeitete. Der milesische Apoll,
die Knaben mit den Rennpferden, wahrscheinlich auch die
Muse, waren aus Erz, und zwar, wie Plinius bemerkt, von
aeginetischer Mischung. Bei dem ismenischen Apollo wandte
er noch das von Alters her gebräuchliche Holz an, bei der
Aphrodite Gold und Elfenbein. Vielleicht arbeitete er auch in
Marmor. Plinius 2) sagt zwar nur, dass der unter den Erz-
bildnern genannte Kanachos auch Marmorwerke gemacht habe,
und wir könnten daher seine Angabe auch auf den jüngeren
Künstler dieses Namens beziehen, den er in die 95ste Ol. setzt.
Allein weder von diesem, noch von den mit ihm verbundenen
Künstlern kennen wir andere als Erzwerke, weshalb wir dem
1) Brut. 18.
2) 36, 42.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/92>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.