erst von Xerxes wegführen. Allein was Xerxes nahm, mochte in der Zwischenzeit gesammelt oder bei der ersten Plünderung von den Branchiden versteckt sein, was allerdings nicht von einem Erzkolosse, sondern nur von Werken geringeren Um- fanges gelten kann. -- Wenn ferner Tacitus1) von Schutz und Begünstigung spricht, deren sich das Orakel unter Darius zu erfreuen gehabt, so kann dies nur für die Zeit nach der Plünderung gelten, als Darius nach Wegführung der Aeolier Stadt und Orakel zwar wieder herstellte, aber barbarisirte: oste emibarbarous genesthai phesi Demetrios o Skepsios anti Aioleon2). Die alten Weihgeschenke endlich, welche Strabo noch sah, widerlegen nicht die Nachricht von den verschie- denen Plünderungen, sondern zeigen nur, dass entweder der Verlust durch neue Gaben gedeckt wurde, oder dass ein Theil der Schätze wieder nach Milet zurückkehrte. So wissen wir gerade von dem Apollo des Kanachos aus Pausanias3), dass Seleukos Nikator ihn aus Ekbatana nach Milet zurückschickte. -- Wir nehmen demnach als sicher an, dass Kanachos den Apollo in der ersten Hälfte der siebziger Olympiaden gearbeitet habe. Dass von dem älteren ein gleichnamiger jüngerer Künst- ler, um Ol. 95, geschieden werden müsse, wird sich später zeigen. Diesen aber nennt Pausanias, um jede Verwechselung zu vermeiden, an einer Stelle4) ausdrücklich Schüler des Po- lyklet; an einer andern5) war eine nähere Bezeichnung des- halb unnöthig, weil sich das dort erwähnte Werk auf den Sieg von Aegospotamos bezieht. Die Werke des älteren, von denen wir Kenntniss haben, sind der Zahl nach nicht bedeu- tend, nemlich:
1) Celetizontes pueri, Knaben auf Rennpferden, also wohl auf Siege in Festspielen bezüglich: Plin. 34, 57.
2) Eine Muse mit der Hirtenflöte, in einem Epigramme des Antipater (Anall. II, p. 15, n. 35) mit zwei andern des Ageladas und Aristokles zusammengestellt.
3) Ein sitzendes Bild der Aphrodite aus Gold und El- fenbein in Korinth. Es trug auf dem Kopfe den Polos, in der einen Hand einen Mohnkopf, in der andern einen Apfel: Paus. II, 10, 4.
1) Ann. III, 36.
2) Strabo XIII, p. 611.
3) I, 16, 3. VIII, 46, 2.
4) VI, 13, 4.
5) X, 9, 4.
erst von Xerxes wegführen. Allein was Xerxes nahm, mochte in der Zwischenzeit gesammelt oder bei der ersten Plünderung von den Branchiden versteckt sein, was allerdings nicht von einem Erzkolosse, sondern nur von Werken geringeren Um- fanges gelten kann. — Wenn ferner Tacitus1) von Schutz und Begünstigung spricht, deren sich das Orakel unter Darius zu erfreuen gehabt, so kann dies nur für die Zeit nach der Plünderung gelten, als Darius nach Wegführung der Aeolier Stadt und Orakel zwar wieder herstellte, aber barbarisirte: ὥστε ἡμιβαρβάρους γενέσϑαι φησὶ Δημήτριος ὁ Σκήψιος ἀντὶ Αἰολέων2). Die alten Weihgeschenke endlich, welche Strabo noch sah, widerlegen nicht die Nachricht von den verschie- denen Plünderungen, sondern zeigen nur, dass entweder der Verlust durch neue Gaben gedeckt wurde, oder dass ein Theil der Schätze wieder nach Milet zurückkehrte. So wissen wir gerade von dem Apollo des Kanachos aus Pausanias3), dass Seleukos Nikator ihn aus Ekbatana nach Milet zurückschickte. — Wir nehmen demnach als sicher an, dass Kanachos den Apollo in der ersten Hälfte der siebziger Olympiaden gearbeitet habe. Dass von dem älteren ein gleichnamiger jüngerer Künst- ler, um Ol. 95, geschieden werden müsse, wird sich später zeigen. Diesen aber nennt Pausanias, um jede Verwechselung zu vermeiden, an einer Stelle4) ausdrücklich Schüler des Po- lyklet; an einer andern5) war eine nähere Bezeichnung des- halb unnöthig, weil sich das dort erwähnte Werk auf den Sieg von Aegospotamos bezieht. Die Werke des älteren, von denen wir Kenntniss haben, sind der Zahl nach nicht bedeu- tend, nemlich:
1) Celetizontes pueri, Knaben auf Rennpferden, also wohl auf Siege in Festspielen bezüglich: Plin. 34, 57.
2) Eine Muse mit der Hirtenflöte, in einem Epigramme des Antipater (Anall. II, p. 15, n. 35) mit zwei andern des Ageladas und Aristokles zusammengestellt.
3) Ein sitzendes Bild der Aphrodite aus Gold und El- fenbein in Korinth. Es trug auf dem Kopfe den Polos, in der einen Hand einen Mohnkopf, in der andern einen Apfel: Paus. II, 10, 4.
1) Ann. III, 36.
2) Strabo XIII, p. 611.
3) I, 16, 3. VIII, 46, 2.
4) VI, 13, 4.
5) X, 9, 4.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0089"n="76"/>
erst von Xerxes wegführen. Allein was Xerxes nahm, mochte<lb/>
in der Zwischenzeit gesammelt oder bei der ersten Plünderung<lb/>
von den Branchiden versteckt sein, was allerdings nicht von<lb/>
einem Erzkolosse, sondern nur von Werken geringeren Um-<lb/>
fanges gelten kann. — Wenn ferner Tacitus<noteplace="foot"n="1)">Ann. III, 36.</note> von Schutz<lb/>
und Begünstigung spricht, deren sich das Orakel unter Darius<lb/>
zu erfreuen gehabt, so kann dies nur für die Zeit nach der<lb/>
Plünderung gelten, als Darius nach Wegführung der Aeolier<lb/>
Stadt und Orakel zwar wieder herstellte, aber barbarisirte:<lb/>ὥστεἡμιβαρβάρουςγενέσϑαιφησὶΔημήτριοςὁΣκήψιοςἀντὶ<lb/>Αἰολέων<noteplace="foot"n="2)">Strabo XIII, p. 611.</note>. Die alten Weihgeschenke endlich, welche Strabo<lb/>
noch sah, widerlegen nicht die Nachricht von den verschie-<lb/>
denen Plünderungen, sondern zeigen nur, dass entweder der<lb/>
Verlust durch neue Gaben gedeckt wurde, oder dass ein Theil<lb/>
der Schätze wieder nach Milet zurückkehrte. So wissen wir<lb/>
gerade von dem Apollo des Kanachos aus Pausanias<noteplace="foot"n="3)">I, 16, 3. VIII, 46, 2.</note>, dass<lb/>
Seleukos Nikator ihn aus Ekbatana nach Milet zurückschickte.<lb/>— Wir nehmen demnach als sicher an, dass Kanachos den<lb/>
Apollo in der ersten Hälfte der siebziger Olympiaden gearbeitet<lb/>
habe. Dass von dem älteren ein gleichnamiger jüngerer Künst-<lb/>
ler, um Ol. 95, geschieden werden müsse, wird sich später<lb/>
zeigen. Diesen aber nennt Pausanias, um jede Verwechselung<lb/>
zu vermeiden, an einer Stelle<noteplace="foot"n="4)">VI, 13, 4.</note> ausdrücklich Schüler des Po-<lb/>
lyklet; an einer andern<noteplace="foot"n="5)">X, 9, 4.</note> war eine nähere Bezeichnung des-<lb/>
halb unnöthig, weil sich das dort erwähnte Werk auf den<lb/>
Sieg von Aegospotamos bezieht. Die Werke des älteren, von<lb/>
denen wir Kenntniss haben, sind der Zahl nach nicht bedeu-<lb/>
tend, nemlich:</p><lb/><p>1) <hirendition="#g">Celetizontes pueri,</hi> Knaben auf Rennpferden, also<lb/>
wohl auf Siege in Festspielen bezüglich: Plin. 34, 57.</p><lb/><p>2) Eine <hirendition="#g">Muse</hi> mit der Hirtenflöte, in einem Epigramme<lb/>
des Antipater (Anall. II, p. 15, n. 35) mit zwei andern des<lb/>
Ageladas und Aristokles zusammengestellt.</p><lb/><p>3) Ein sitzendes Bild der <hirendition="#g">Aphrodite</hi> aus Gold und El-<lb/>
fenbein in Korinth. Es trug auf dem Kopfe den Polos, in der<lb/>
einen Hand einen Mohnkopf, in der andern einen Apfel: Paus.<lb/>
II, 10, 4.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[76/0089]
erst von Xerxes wegführen. Allein was Xerxes nahm, mochte
in der Zwischenzeit gesammelt oder bei der ersten Plünderung
von den Branchiden versteckt sein, was allerdings nicht von
einem Erzkolosse, sondern nur von Werken geringeren Um-
fanges gelten kann. — Wenn ferner Tacitus 1) von Schutz
und Begünstigung spricht, deren sich das Orakel unter Darius
zu erfreuen gehabt, so kann dies nur für die Zeit nach der
Plünderung gelten, als Darius nach Wegführung der Aeolier
Stadt und Orakel zwar wieder herstellte, aber barbarisirte:
ὥστε ἡμιβαρβάρους γενέσϑαι φησὶ Δημήτριος ὁ Σκήψιος ἀντὶ
Αἰολέων 2). Die alten Weihgeschenke endlich, welche Strabo
noch sah, widerlegen nicht die Nachricht von den verschie-
denen Plünderungen, sondern zeigen nur, dass entweder der
Verlust durch neue Gaben gedeckt wurde, oder dass ein Theil
der Schätze wieder nach Milet zurückkehrte. So wissen wir
gerade von dem Apollo des Kanachos aus Pausanias 3), dass
Seleukos Nikator ihn aus Ekbatana nach Milet zurückschickte.
— Wir nehmen demnach als sicher an, dass Kanachos den
Apollo in der ersten Hälfte der siebziger Olympiaden gearbeitet
habe. Dass von dem älteren ein gleichnamiger jüngerer Künst-
ler, um Ol. 95, geschieden werden müsse, wird sich später
zeigen. Diesen aber nennt Pausanias, um jede Verwechselung
zu vermeiden, an einer Stelle 4) ausdrücklich Schüler des Po-
lyklet; an einer andern 5) war eine nähere Bezeichnung des-
halb unnöthig, weil sich das dort erwähnte Werk auf den
Sieg von Aegospotamos bezieht. Die Werke des älteren, von
denen wir Kenntniss haben, sind der Zahl nach nicht bedeu-
tend, nemlich:
1) Celetizontes pueri, Knaben auf Rennpferden, also
wohl auf Siege in Festspielen bezüglich: Plin. 34, 57.
2) Eine Muse mit der Hirtenflöte, in einem Epigramme
des Antipater (Anall. II, p. 15, n. 35) mit zwei andern des
Ageladas und Aristokles zusammengestellt.
3) Ein sitzendes Bild der Aphrodite aus Gold und El-
fenbein in Korinth. Es trug auf dem Kopfe den Polos, in der
einen Hand einen Mohnkopf, in der andern einen Apfel: Paus.
II, 10, 4.
1) Ann. III, 36.
2) Strabo XIII, p. 611.
3) I, 16, 3. VIII, 46, 2.
4) VI, 13, 4.
5) X, 9, 4.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/89>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.