Abkömmling der kretischen Daedaliden betrachtet, Dipoenos und Skyllis aber in gleicher Stellung sowohl durch Marmor- arbeit berühmt wurden, als auch die kretische Kunst nach dem Peloponnes verpflanzten, so dürfen wir vielleicht annehmen, dass Cheirisophos etwa in gleicher Zeit von Kreta nach dem Peloponnes gewandert sei. Uebrigens liesse sich kaum etwas einwenden, wenn jemand den Namen des Künstlers als nicht ursprünglich, sondern als von der Kunstthätigkeit abgeleitet dem Daedalos an die Seite stellen wollte.
Unabhängig von den kretischen Meistern, aber ihnen etwa gleichzeitig, finden wir in Sparta:
Syadras und Chartas. Von ihnen, so wie von ihrem Schüler Eucheiros aus Korinth, den wir mit dem Plasten Eucheir um die 30ste Ol. nicht vermischen dürfen, wissen wir indessen nichts, als was oben bei Gelegenheit Klearchs aus Pausanias (VI, 4, 2) angeführt worden ist.
Endlich setzen wir in diese Epoche noch:
Bathykles aus Magnesia, welcher den Thron des Apollo zu Amyklae errichtete und mit einem Cyklus von Kunstvor- stellungen schmückte; wegen der Vollendung desselben aber die Chariten und ein Bild der Artemis Leukophryne weihte 1). Pausanias scheint über Zeit und Lehrer des Künstlers keine bestimmte Meinung gehabt zu haben; er sagt, dass das Bild des Gottes selbst nicht von Bathykles, sondern alt und ohne künstlerischen Werth sei (ou sun tekhne pepoiemenon). Aus mythologischen Gründen haben Voss 2) und Welcker 3) den Künstler etwa in die 50ste Olympiade gesetzt. Andere wollten eine Zeitbestimmung in der Angabe des Pausanias 4) finden, dass die Lakedaemonier das Gold, welches ihnen Kroesus für den Apollo Pythaeos auf dem Berge Thornax schenkte, zum Schmuck des berühmteren amyklaeischen verwendeten. Die allgemeine Bezeichnung es kosmon gewährt aber noch nicht die Gewissheit, dass damit die Errichtung des Thrones gemeint sei. Dagegen hat die folgende Argumentation Silligs grosse Wahrscheinlichkeit für sich: Karien, wo Magnesia lag, ward
1) Paus. III, 18, 6 sqq. Die Artemis Leukophryne scheint nach Münzen von Magnesia (Müller u. Oesterley D. a. K. I. f. 14) der ephesischen auch in der äusseren Bildung verwandt zu sein.
2) Myth. Briefe II, 188.
3) Zeit- schrift f. a. K. S. 283.
4) III, 10, 10; vgl. Herod. I, 69.
Abkömmling der kretischen Daedaliden betrachtet, Dipoenos und Skyllis aber in gleicher Stellung sowohl durch Marmor- arbeit berühmt wurden, als auch die kretische Kunst nach dem Peloponnes verpflanzten, so dürfen wir vielleicht annehmen, dass Cheirisophos etwa in gleicher Zeit von Kreta nach dem Peloponnes gewandert sei. Uebrigens liesse sich kaum etwas einwenden, wenn jemand den Namen des Künstlers als nicht ursprünglich, sondern als von der Kunstthätigkeit abgeleitet dem Daedalos an die Seite stellen wollte.
Unabhängig von den kretischen Meistern, aber ihnen etwa gleichzeitig, finden wir in Sparta:
Syadras und Chartas. Von ihnen, so wie von ihrem Schüler Eucheiros aus Korinth, den wir mit dem Plasten Eucheir um die 30ste Ol. nicht vermischen dürfen, wissen wir indessen nichts, als was oben bei Gelegenheit Klearchs aus Pausanias (VI, 4, 2) angeführt worden ist.
Endlich setzen wir in diese Epoche noch:
Bathykles aus Magnesia, welcher den Thron des Apollo zu Amyklae errichtete und mit einem Cyklus von Kunstvor- stellungen schmückte; wegen der Vollendung desselben aber die Chariten und ein Bild der Artemis Leukophryne weihte 1). Pausanias scheint über Zeit und Lehrer des Künstlers keine bestimmte Meinung gehabt zu haben; er sagt, dass das Bild des Gottes selbst nicht von Bathykles, sondern alt und ohne künstlerischen Werth sei (οὐ σὺν τέχνῃ πεποιημένον). Aus mythologischen Gründen haben Voss 2) und Welcker 3) den Künstler etwa in die 50ste Olympiade gesetzt. Andere wollten eine Zeitbestimmung in der Angabe des Pausanias 4) finden, dass die Lakedaemonier das Gold, welches ihnen Kroesus für den Apollo Pythaeos auf dem Berge Thornax schenkte, zum Schmuck des berühmteren amyklaeischen verwendeten. Die allgemeine Bezeichnung ἐς κόσμον gewährt aber noch nicht die Gewissheit, dass damit die Errichtung des Thrones gemeint sei. Dagegen hat die folgende Argumentation Silligs grosse Wahrscheinlichkeit für sich: Karien, wo Magnesia lag, ward
1) Paus. III, 18, 6 sqq. Die Artemis Leukophryne scheint nach Münzen von Magnesia (Müller u. Oesterley D. a. K. I. f. 14) der ephesischen auch in der äusseren Bildung verwandt zu sein.
2) Myth. Briefe II, 188.
3) Zeit- schrift f. a. K. S. 283.
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Peloponnes verpflanzten, so dürfen wir vielleicht annehmen,
dass Cheirisophos etwa in gleicher Zeit von Kreta nach dem
Peloponnes gewandert sei. Uebrigens liesse sich kaum etwas
einwenden, wenn jemand den Namen des Künstlers als nicht
ursprünglich, sondern als von der Kunstthätigkeit abgeleitet
dem Daedalos an die Seite stellen wollte.
Unabhängig von den kretischen Meistern, aber ihnen etwa
gleichzeitig, finden wir in Sparta:
Syadras und Chartas. Von ihnen, so wie von ihrem
Schüler Eucheiros aus Korinth, den wir mit dem Plasten
Eucheir um die 30ste Ol. nicht vermischen dürfen, wissen wir
indessen nichts, als was oben bei Gelegenheit Klearchs aus
Pausanias (VI, 4, 2) angeführt worden ist.
Endlich setzen wir in diese Epoche noch:
Bathykles aus Magnesia, welcher den Thron des Apollo
zu Amyklae errichtete und mit einem Cyklus von Kunstvor-
stellungen schmückte; wegen der Vollendung desselben aber
die Chariten und ein Bild der Artemis Leukophryne weihte 1).
Pausanias scheint über Zeit und Lehrer des Künstlers keine
bestimmte Meinung gehabt zu haben; er sagt, dass das Bild
des Gottes selbst nicht von Bathykles, sondern alt und ohne
künstlerischen Werth sei (οὐ σὺν τέχνῃ πεποιημένον). Aus
mythologischen Gründen haben Voss 2) und Welcker 3) den
Künstler etwa in die 50ste Olympiade gesetzt. Andere wollten
eine Zeitbestimmung in der Angabe des Pausanias 4) finden,
dass die Lakedaemonier das Gold, welches ihnen Kroesus für
den Apollo Pythaeos auf dem Berge Thornax schenkte, zum
Schmuck des berühmteren amyklaeischen verwendeten. Die
allgemeine Bezeichnung ἐς κόσμον gewährt aber noch nicht
die Gewissheit, dass damit die Errichtung des Thrones gemeint
sei. Dagegen hat die folgende Argumentation Silligs grosse
Wahrscheinlichkeit für sich: Karien, wo Magnesia lag, ward
1) Paus. III, 18, 6 sqq. Die Artemis Leukophryne scheint nach Münzen
von Magnesia (Müller u. Oesterley D. a. K. I. f. 14) der ephesischen auch in
der äusseren Bildung verwandt zu sein.
2) Myth. Briefe II, 188.
3) Zeit-
schrift f. a. K. S. 283.
4) III, 10, 10; vgl. Herod. I, 69.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/65>, abgerufen am 24.11.2024.
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