bekannten Euanthe "en peripato tekousa." Ich vermuthe, dass vielmehr Euadne, die Tochter des Poseidon und der Pitane, gemeint ist, welche, von Apollo schwanger, beim Wasser- holen den Gürtel ablegte und den Jamos gebar: Pind. Ol. VI, v. 66 u. d. Schol.
Athenaeos ist wahrscheinlich kein Künstler, sondern bezeichnet nur Polykles als Athener. Die Fragen aber, wel- che sich an den Namen dieses Künstlers knüpfen, sind sehr verwickelter Natur; und die letzten Untersuchungen über die- selben von Bergk1) haben leider diese Verwirrung, anstatt sie zu lösen, nur vermehrt, indem sie auf Behauptungen beruhen, welche in eben dem Maasse falsch und unbegründet sind, als sie zuversichtlich, ja fast gebieterisch ausgesprochen werden. Dadurch bin ich zu einer ausführlicheren Auseinandersetzung gezwungen, in welcher ausser von Polykles des Zusammen- hanges wegen zugleich noch von einigen andern Künstlern ge- handelt werden muss:
Polykles, Timokles, Timarchides und Diony- sios.
Die Nachrichten der Alten, welche bei der Bestimmung der Zeit und des Familienzusammenhanges dieser Künstler in Betracht kommen, sind die folgenden. Plinius berichtet (36, 35): "In dem Tempel des Apollo bei dem Porticus der Octa- via ist das Bild des Apollo mit der Cither von Timarchides; innerhalb dieses Porticus im Tempel der Juno machte das Bild der Göttin Dionysios, ein anderes derselben Göttin Po- lykles, die Venus an demselben Orte Philiskos (von dem noch mehrere Bildwerke auch im Appollotempel sich fan- den), die übrigen Bilder Praxiteles (oder Pasiteles). Derselbe Polykles und Dionysies, der Sohn des Timarchides (filius nach Cod. Bamb., filii nach andern), machten den Juppiter in dem zunächst stehenden Tempel." Die hier genannten Künstler bilden offenbar eine zusammengehörige Gruppe. Künstler des Namens Polykles aber gab es nach Plinius zwei, den einen um Ol. 102, den andern Ol. 156 (34, 50 u. 52); und es fragt sich also, von welchem hier die Rede ist.
Pausanias kennt einen Polykles, Schüler des Stadieus, aus Athen, den Künstler einer Statue des Amyntas, Sohnes
1) Zeitschr. f. Altw. 1845, S. 788.
bekannten Euanthe „ἐν περιπάτῳ τεκοῦσα.” Ich vermuthe, dass vielmehr Euadne, die Tochter des Poseidon und der Pitane, gemeint ist, welche, von Apollo schwanger, beim Wasser- holen den Gürtel ablegte und den Jamos gebar: Pind. Ol. VI, v. 66 u. d. Schol.
Athenaeos ist wahrscheinlich kein Künstler, sondern bezeichnet nur Polykles als Athener. Die Fragen aber, wel- che sich an den Namen dieses Künstlers knüpfen, sind sehr verwickelter Natur; und die letzten Untersuchungen über die- selben von Bergk1) haben leider diese Verwirrung, anstatt sie zu lösen, nur vermehrt, indem sie auf Behauptungen beruhen, welche in eben dem Maasse falsch und unbegründet sind, als sie zuversichtlich, ja fast gebieterisch ausgesprochen werden. Dadurch bin ich zu einer ausführlicheren Auseinandersetzung gezwungen, in welcher ausser von Polykles des Zusammen- hanges wegen zugleich noch von einigen andern Künstlern ge- handelt werden muss:
Polykles, Timokles, Timarchides und Diony- sios.
Die Nachrichten der Alten, welche bei der Bestimmung der Zeit und des Familienzusammenhanges dieser Künstler in Betracht kommen, sind die folgenden. Plinius berichtet (36, 35): „In dem Tempel des Apollo bei dem Porticus der Octa- via ist das Bild des Apollo mit der Cither von Timarchides; innerhalb dieses Porticus im Tempel der Juno machte das Bild der Göttin Dionysios, ein anderes derselben Göttin Po- lykles, die Venus an demselben Orte Philiskos (von dem noch mehrere Bildwerke auch im Appollotempel sich fan- den), die übrigen Bilder Praxiteles (oder Pasiteles). Derselbe Polykles und Dionysies, der Sohn des Timarchides (filius nach Cod. Bamb., filii nach andern), machten den Juppiter in dem zunächst stehenden Tempel.” Die hier genannten Künstler bilden offenbar eine zusammengehörige Gruppe. Künstler des Namens Polykles aber gab es nach Plinius zwei, den einen um Ol. 102, den andern Ol. 156 (34, 50 u. 52); und es fragt sich also, von welchem hier die Rede ist.
Pausanias kennt einen Polykles, Schüler des Stadieus, aus Athen, den Künstler einer Statue des Amyntas, Sohnes
1) Zeitschr. f. Altw. 1845, S. 788.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0549"n="536"/>
bekannten Euanthe „ἐνπεριπάτῳτεκοῦσα.” Ich vermuthe, dass<lb/>
vielmehr Euadne, die Tochter des Poseidon und der Pitane,<lb/>
gemeint ist, welche, von Apollo schwanger, beim Wasser-<lb/>
holen den Gürtel ablegte und den Jamos gebar: Pind. Ol. VI,<lb/>
v. 66 u. d. Schol.</p><lb/><p><hirendition="#g">Athenaeos</hi> ist wahrscheinlich kein Künstler, sondern<lb/>
bezeichnet nur Polykles als Athener. Die Fragen aber, wel-<lb/>
che sich an den Namen dieses Künstlers knüpfen, sind sehr<lb/>
verwickelter Natur; und die letzten Untersuchungen über die-<lb/>
selben von Bergk<noteplace="foot"n="1)">Zeitschr. f. Altw. 1845, S. 788.</note> haben leider diese Verwirrung, anstatt sie<lb/>
zu lösen, nur vermehrt, indem sie auf Behauptungen beruhen,<lb/>
welche in eben dem Maasse falsch und unbegründet sind, als<lb/>
sie zuversichtlich, ja fast gebieterisch ausgesprochen werden.<lb/>
Dadurch bin ich zu einer ausführlicheren Auseinandersetzung<lb/>
gezwungen, in welcher ausser von Polykles des Zusammen-<lb/>
hanges wegen zugleich noch von einigen andern Künstlern ge-<lb/>
handelt werden muss:</p><lb/><p><hirendition="#g">Polykles, Timokles, Timarchides</hi> und <hirendition="#g">Diony-<lb/>
sios.</hi></p><lb/><p>Die Nachrichten der Alten, welche bei der Bestimmung<lb/>
der Zeit und des Familienzusammenhanges dieser Künstler in<lb/>
Betracht kommen, sind die folgenden. Plinius berichtet (36,<lb/>
35): „In dem Tempel des Apollo bei dem Porticus der Octa-<lb/>
via ist das Bild des Apollo mit der Cither von Timarchides;<lb/>
innerhalb dieses Porticus im Tempel der Juno machte das<lb/>
Bild der Göttin Dionysios, ein anderes derselben Göttin Po-<lb/>
lykles, die Venus an demselben Orte Philiskos (von dem<lb/>
noch mehrere Bildwerke auch im Appollotempel sich fan-<lb/>
den), die übrigen Bilder Praxiteles (oder Pasiteles). Derselbe<lb/>
Polykles und Dionysies, der Sohn des Timarchides (filius nach<lb/>
Cod. Bamb., filii nach andern), machten den Juppiter in dem<lb/>
zunächst stehenden Tempel.” Die hier genannten Künstler<lb/>
bilden offenbar eine zusammengehörige Gruppe. Künstler des<lb/>
Namens Polykles aber gab es nach Plinius zwei, den einen<lb/>
um Ol. 102, den andern Ol. 156 (34, 50 u. 52); und es fragt<lb/>
sich also, von welchem hier die Rede ist.</p><lb/><p>Pausanias kennt einen Polykles, Schüler des Stadieus,<lb/>
aus Athen, den Künstler einer Statue des Amyntas, Sohnes<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[536/0549]
bekannten Euanthe „ἐν περιπάτῳ τεκοῦσα.” Ich vermuthe, dass
vielmehr Euadne, die Tochter des Poseidon und der Pitane,
gemeint ist, welche, von Apollo schwanger, beim Wasser-
holen den Gürtel ablegte und den Jamos gebar: Pind. Ol. VI,
v. 66 u. d. Schol.
Athenaeos ist wahrscheinlich kein Künstler, sondern
bezeichnet nur Polykles als Athener. Die Fragen aber, wel-
che sich an den Namen dieses Künstlers knüpfen, sind sehr
verwickelter Natur; und die letzten Untersuchungen über die-
selben von Bergk 1) haben leider diese Verwirrung, anstatt sie
zu lösen, nur vermehrt, indem sie auf Behauptungen beruhen,
welche in eben dem Maasse falsch und unbegründet sind, als
sie zuversichtlich, ja fast gebieterisch ausgesprochen werden.
Dadurch bin ich zu einer ausführlicheren Auseinandersetzung
gezwungen, in welcher ausser von Polykles des Zusammen-
hanges wegen zugleich noch von einigen andern Künstlern ge-
handelt werden muss:
Polykles, Timokles, Timarchides und Diony-
sios.
Die Nachrichten der Alten, welche bei der Bestimmung
der Zeit und des Familienzusammenhanges dieser Künstler in
Betracht kommen, sind die folgenden. Plinius berichtet (36,
35): „In dem Tempel des Apollo bei dem Porticus der Octa-
via ist das Bild des Apollo mit der Cither von Timarchides;
innerhalb dieses Porticus im Tempel der Juno machte das
Bild der Göttin Dionysios, ein anderes derselben Göttin Po-
lykles, die Venus an demselben Orte Philiskos (von dem
noch mehrere Bildwerke auch im Appollotempel sich fan-
den), die übrigen Bilder Praxiteles (oder Pasiteles). Derselbe
Polykles und Dionysies, der Sohn des Timarchides (filius nach
Cod. Bamb., filii nach andern), machten den Juppiter in dem
zunächst stehenden Tempel.” Die hier genannten Künstler
bilden offenbar eine zusammengehörige Gruppe. Künstler des
Namens Polykles aber gab es nach Plinius zwei, den einen
um Ol. 102, den andern Ol. 156 (34, 50 u. 52); und es fragt
sich also, von welchem hier die Rede ist.
Pausanias kennt einen Polykles, Schüler des Stadieus,
aus Athen, den Künstler einer Statue des Amyntas, Sohnes
1) Zeitschr. f. Altw. 1845, S. 788.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/549>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.