an, wenn wir auch zugeben wollen, dass in den Buchstaben- formen manche Eigenthümlichkeit auf Rechnung des weichen Materials und der Flüchtigkeit des Einkritzelns zu setzen ist. Nochdazu bietet die Restitution keine Gewähr ihrer Richtig- keit und kann nur den Werth einer Vermuthung haben. So bleibt als sicheres Resultat freilich nichts übrig, als dass um die Zeit des ersten Jahrhunderts vor und nach Ch. G. eine Künstlerfamilie aus Tyros existirte, in welcher die Namen Artemidoros und Menodotos sich vielleicht einige Geschlech- ter hindurch wiederholten.
Aphrodisios aus Tralles gehört zu der Reihe von Künstlern, mit deren Werken die Kaiserpaläste in Rom ange- füllt waren: Pl. 36, 38. Ueber dieselben ist weiter unten ge- nauer zu handeln.
Periklymenos wird von Plinius (34, 91) unter den Erzbildnern angeführt, welche Athleten, Bewaffnete, Jäger und Opfernde darstellten. Ausserdem führt Tatian (c. Gr. 55, p. 118 Worth) als sein Werk die Statue einer Frau an, welche dreissig Kinder geboren hatte. Diese ist wahrschein- lich die Eutychis, welche bei ihrem Tode von zwanzig über- lebenden unter den dreissig von ihr geborenen Kindern zum Scheiterhaufen getragen wurde, wie Plinius (7, 34) erzählt. Sie war aus Tralles, was uns erlaubt, den Periklymenos un- ter den Künstlern dieser Stadt anzuführen. Ihre Statue stand nach Plinius im Theater des Pompejus zu Rom.
Die eben geschlossene Zusammenstellung enthält alles, was wir durch die schriftliche Ueberlieferung der Litteratur und durch Inschriften über rhodische Künstler wissen. Wie dürftig in vieler Beziehung diese Nachrichten sind, braucht kaum gesagt zu werden. Urtheile über das besondere Ver- dienst der Einzelnen, wie sie uns bei den vorzüglichsten Künstlern früherer Epochen zu Gebote standen, fehlen hier gänzlich. Doch lässt sich durch richtige Benutzung des Ge- gebenen immer noch eine Reihe von sicheren Resultaten ge- winnen. So fällt uns schon bei der ersten flüchtigen Betrach- tung eine Thatsache in die Augen, deren Bedeutung sich uns bald offenbaren soll: die Thätigkeit der rhodischen Schule be- ginnt nach Alexander und erscheint vor dem Beginne der Kai- serzeit vollkommen abgeschlossen; innerhalb dieses Zeitraumes aber zeigt sich die grössere Regsamkeit mehr im Anfange, als
an, wenn wir auch zugeben wollen, dass in den Buchstaben- formen manche Eigenthümlichkeit auf Rechnung des weichen Materials und der Flüchtigkeit des Einkritzelns zu setzen ist. Nochdazu bietet die Restitution keine Gewähr ihrer Richtig- keit und kann nur den Werth einer Vermuthung haben. So bleibt als sicheres Resultat freilich nichts übrig, als dass um die Zeit des ersten Jahrhunderts vor und nach Ch. G. eine Künstlerfamilie aus Tyros existirte, in welcher die Namen Artemidoros und Menodotos sich vielleicht einige Geschlech- ter hindurch wiederholten.
Aphrodisios aus Tralles gehört zu der Reihe von Künstlern, mit deren Werken die Kaiserpaläste in Rom ange- füllt waren: Pl. 36, 38. Ueber dieselben ist weiter unten ge- nauer zu handeln.
Periklymenos wird von Plinius (34, 91) unter den Erzbildnern angeführt, welche Athleten, Bewaffnete, Jäger und Opfernde darstellten. Ausserdem führt Tatian (c. Gr. 55, p. 118 Worth) als sein Werk die Statue einer Frau an, welche dreissig Kinder geboren hatte. Diese ist wahrschein- lich die Eutychis, welche bei ihrem Tode von zwanzig über- lebenden unter den dreissig von ihr geborenen Kindern zum Scheiterhaufen getragen wurde, wie Plinius (7, 34) erzählt. Sie war aus Tralles, was uns erlaubt, den Periklymenos un- ter den Künstlern dieser Stadt anzuführen. Ihre Statue stand nach Plinius im Theater des Pompejus zu Rom.
Die eben geschlossene Zusammenstellung enthält alles, was wir durch die schriftliche Ueberlieferung der Litteratur und durch Inschriften über rhodische Künstler wissen. Wie dürftig in vieler Beziehung diese Nachrichten sind, braucht kaum gesagt zu werden. Urtheile über das besondere Ver- dienst der Einzelnen, wie sie uns bei den vorzüglichsten Künstlern früherer Epochen zu Gebote standen, fehlen hier gänzlich. Doch lässt sich durch richtige Benutzung des Ge- gebenen immer noch eine Reihe von sicheren Resultaten ge- winnen. So fällt uns schon bei der ersten flüchtigen Betrach- tung eine Thatsache in die Augen, deren Bedeutung sich uns bald offenbaren soll: die Thätigkeit der rhodischen Schule be- ginnt nach Alexander und erscheint vor dem Beginne der Kai- serzeit vollkommen abgeschlossen; innerhalb dieses Zeitraumes aber zeigt sich die grössere Regsamkeit mehr im Anfange, als
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an, wenn wir auch zugeben wollen, dass in den Buchstaben-
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Nochdazu bietet die Restitution keine Gewähr ihrer Richtig-
keit und kann nur den Werth einer Vermuthung haben. So
bleibt als sicheres Resultat freilich nichts übrig, als dass um
die Zeit des ersten Jahrhunderts vor und nach Ch. G. eine
Künstlerfamilie aus Tyros existirte, in welcher die Namen
Artemidoros und Menodotos sich vielleicht einige Geschlech-
ter hindurch wiederholten.
Aphrodisios aus Tralles gehört zu der Reihe von
Künstlern, mit deren Werken die Kaiserpaläste in Rom ange-
füllt waren: Pl. 36, 38. Ueber dieselben ist weiter unten ge-
nauer zu handeln.
Periklymenos wird von Plinius (34, 91) unter den
Erzbildnern angeführt, welche Athleten, Bewaffnete, Jäger
und Opfernde darstellten. Ausserdem führt Tatian (c. Gr. 55,
p. 118 Worth) als sein Werk die Statue einer Frau an,
welche dreissig Kinder geboren hatte. Diese ist wahrschein-
lich die Eutychis, welche bei ihrem Tode von zwanzig über-
lebenden unter den dreissig von ihr geborenen Kindern zum
Scheiterhaufen getragen wurde, wie Plinius (7, 34) erzählt.
Sie war aus Tralles, was uns erlaubt, den Periklymenos un-
ter den Künstlern dieser Stadt anzuführen. Ihre Statue stand
nach Plinius im Theater des Pompejus zu Rom.
Die eben geschlossene Zusammenstellung enthält alles,
was wir durch die schriftliche Ueberlieferung der Litteratur
und durch Inschriften über rhodische Künstler wissen. Wie
dürftig in vieler Beziehung diese Nachrichten sind, braucht
kaum gesagt zu werden. Urtheile über das besondere Ver-
dienst der Einzelnen, wie sie uns bei den vorzüglichsten
Künstlern früherer Epochen zu Gebote standen, fehlen hier
gänzlich. Doch lässt sich durch richtige Benutzung des Ge-
gebenen immer noch eine Reihe von sicheren Resultaten ge-
winnen. So fällt uns schon bei der ersten flüchtigen Betrach-
tung eine Thatsache in die Augen, deren Bedeutung sich uns
bald offenbaren soll: die Thätigkeit der rhodischen Schule be-
ginnt nach Alexander und erscheint vor dem Beginne der Kai-
serzeit vollkommen abgeschlossen; innerhalb dieses Zeitraumes
aber zeigt sich die grössere Regsamkeit mehr im Anfange, als
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/486>, abgerufen am 25.11.2024.
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