Einem solchen Wechsel der äusseren Verhältnisse war freilich die Schule von Argos und Sikyon weniger unterwor- fen: sie war schon früher weniger für einheimische öffentliche Unternehmungen, als für fremde Staaten und für Privatleute thätig gewesen, und dieses Verhältniss erhält sich zum Theil auch noch in dieser Periode; denn für Argos und Sikyon selbst ist nur eine geringe Zahl von Werken der dort einheimischen Schule bestimmt.
Dass nun die Kunst nicht nur sich zu erhalten vermochte, sondern sogar glänzend gedieh, verdankt sie zwei Quellen, welche sich ihr jetzt neu erschlossen. Athen, Olympia, Delphi, Argos hatten in der vorigen Epoche das Beispiel gegeben, wie ein Staat oder ein anderes politisches oder religiöses Gemein- wesen, vermittelst seiner Reichthümer durch die Kunst herr- lichen Ruhm zu gewinnen vermochte. Der Wetteifer ward rege, und, wo eine Blüthe der politischen Macht oder des Reichthums sich öffnet, da feiert auch sicher zugleich die Kunst einen Triumph. Noch gegen das Ende der vorigen Pe- riode erreicht Thebens Macht ihren Höhepunkt, und alsbald finden wir dort eine Reihe einheimischer Künstler, neben ihnen aber auch die bedeutendsten auswärtigen beschäftigt: Praxiteles schmückt einen Tempel mit den Thaten des Herakles; einzelne Götterbilder liefert Skopas. Thespiae wird durch Werke des Praxiteles und Lysipp verherrlicht. Durch die Bundesgenos- senschaft Thebens hebt sich Arkadien: unter Leitung des Skopas ersteht in dem Athenetempel von Tegea ein der vori- gen Epoche würdiges Prachtwerk. Für Megalopolis, den neuen politischen Mittelpunkt Arkadiens, arbeiten mehrere der ausgezeichnetsten Künstler; für Mantinea Praxiteles. Mit der Wiedererbauung Messene's, noch gegen das Ende der vorigen Periode, tritt gleichzeitig dort ein einheimischer Künstler von hohem Verdienste, Demophon, auf. Megara füllt sich mit Werken des Skopas und Praxiteles. Knidos erlangt seine Be- rühmtheit erst durch die Aphrodite; und andere Kunstwerke gesellen sich ihr bei. Von kleineren Orten zu schweigen, seien hier nur noch Tarent und Rhodos erwähnt, welche in den Kolossen des Lysipp und Chares alle Nebenbuhler durch Gewaltigkeit und Massenhaftigkeit überbieten zu wollen schie- nen. Durch diese Verbreitung der Kunstliebe über ganz Hel- las erhielt sich namentlich die religiöse Kunst fortwährend in
Einem solchen Wechsel der äusseren Verhältnisse war freilich die Schule von Argos und Sikyon weniger unterwor- fen: sie war schon früher weniger für einheimische öffentliche Unternehmungen, als für fremde Staaten und für Privatleute thätig gewesen, und dieses Verhältniss erhält sich zum Theil auch noch in dieser Periode; denn für Argos und Sikyon selbst ist nur eine geringe Zahl von Werken der dort einheimischen Schule bestimmt.
Dass nun die Kunst nicht nur sich zu erhalten vermochte, sondern sogar glänzend gedieh, verdankt sie zwei Quellen, welche sich ihr jetzt neu erschlossen. Athen, Olympia, Delphi, Argos hatten in der vorigen Epoche das Beispiel gegeben, wie ein Staat oder ein anderes politisches oder religiöses Gemein- wesen, vermittelst seiner Reichthümer durch die Kunst herr- lichen Ruhm zu gewinnen vermochte. Der Wetteifer ward rege, und, wo eine Blüthe der politischen Macht oder des Reichthums sich öffnet, da feiert auch sicher zugleich die Kunst einen Triumph. Noch gegen das Ende der vorigen Pe- riode erreicht Thebens Macht ihren Höhepunkt, und alsbald finden wir dort eine Reihe einheimischer Künstler, neben ihnen aber auch die bedeutendsten auswärtigen beschäftigt: Praxiteles schmückt einen Tempel mit den Thaten des Herakles; einzelne Götterbilder liefert Skopas. Thespiae wird durch Werke des Praxiteles und Lysipp verherrlicht. Durch die Bundesgenos- senschaft Thebens hebt sich Arkadien: unter Leitung des Skopas ersteht in dem Athenetempel von Tegea ein der vori- gen Epoche würdiges Prachtwerk. Für Megalopolis, den neuen politischen Mittelpunkt Arkadiens, arbeiten mehrere der ausgezeichnetsten Künstler; für Mantinea Praxiteles. Mit der Wiedererbauung Messene’s, noch gegen das Ende der vorigen Periode, tritt gleichzeitig dort ein einheimischer Künstler von hohem Verdienste, Demophon, auf. Megara füllt sich mit Werken des Skopas und Praxiteles. Knidos erlangt seine Be- rühmtheit erst durch die Aphrodite; und andere Kunstwerke gesellen sich ihr bei. Von kleineren Orten zu schweigen, seien hier nur noch Tarent und Rhodos erwähnt, welche in den Kolossen des Lysipp und Chares alle Nebenbuhler durch Gewaltigkeit und Massenhaftigkeit überbieten zu wollen schie- nen. Durch diese Verbreitung der Kunstliebe über ganz Hel- las erhielt sich namentlich die religiöse Kunst fortwährend in
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Einem solchen Wechsel der äusseren Verhältnisse war
freilich die Schule von Argos und Sikyon weniger unterwor-
fen: sie war schon früher weniger für einheimische öffentliche
Unternehmungen, als für fremde Staaten und für Privatleute
thätig gewesen, und dieses Verhältniss erhält sich zum Theil
auch noch in dieser Periode; denn für Argos und Sikyon selbst
ist nur eine geringe Zahl von Werken der dort einheimischen
Schule bestimmt.
Dass nun die Kunst nicht nur sich zu erhalten vermochte,
sondern sogar glänzend gedieh, verdankt sie zwei Quellen,
welche sich ihr jetzt neu erschlossen. Athen, Olympia, Delphi,
Argos hatten in der vorigen Epoche das Beispiel gegeben, wie
ein Staat oder ein anderes politisches oder religiöses Gemein-
wesen, vermittelst seiner Reichthümer durch die Kunst herr-
lichen Ruhm zu gewinnen vermochte. Der Wetteifer ward
rege, und, wo eine Blüthe der politischen Macht oder des
Reichthums sich öffnet, da feiert auch sicher zugleich die
Kunst einen Triumph. Noch gegen das Ende der vorigen Pe-
riode erreicht Thebens Macht ihren Höhepunkt, und alsbald
finden wir dort eine Reihe einheimischer Künstler, neben ihnen
aber auch die bedeutendsten auswärtigen beschäftigt: Praxiteles
schmückt einen Tempel mit den Thaten des Herakles; einzelne
Götterbilder liefert Skopas. Thespiae wird durch Werke des
Praxiteles und Lysipp verherrlicht. Durch die Bundesgenos-
senschaft Thebens hebt sich Arkadien: unter Leitung des
Skopas ersteht in dem Athenetempel von Tegea ein der vori-
gen Epoche würdiges Prachtwerk. Für Megalopolis, den
neuen politischen Mittelpunkt Arkadiens, arbeiten mehrere der
ausgezeichnetsten Künstler; für Mantinea Praxiteles. Mit der
Wiedererbauung Messene’s, noch gegen das Ende der vorigen
Periode, tritt gleichzeitig dort ein einheimischer Künstler von
hohem Verdienste, Demophon, auf. Megara füllt sich mit
Werken des Skopas und Praxiteles. Knidos erlangt seine Be-
rühmtheit erst durch die Aphrodite; und andere Kunstwerke
gesellen sich ihr bei. Von kleineren Orten zu schweigen,
seien hier nur noch Tarent und Rhodos erwähnt, welche in
den Kolossen des Lysipp und Chares alle Nebenbuhler durch
Gewaltigkeit und Massenhaftigkeit überbieten zu wollen schie-
nen. Durch diese Verbreitung der Kunstliebe über ganz Hel-
las erhielt sich namentlich die religiöse Kunst fortwährend in
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/439>, abgerufen am 22.11.2024.
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