des Einzelnen hervortreten, wenn er unabhängig von diesem Zunftzusammenhange an einem neuen Orte neue Bahnen brach. Und in der That stehen die Künstler, welche wir zunächst zu behandeln haben, ausserhalb des Kreises der Daedaliden. Wir beginnen mit
Smilis,
des Eukleides Sohn, aus Aegina. Pausanias 1) nennt ihn ei- nen Zeitgenossen des Daedalos, aber nicht von gleicher Be- rühmtheit: des Daedalos Ruhm sei durch weite Wanderungen weit verbreitet worden, von Reisen des Smilis dagegen ken- ne man nur die nach Samos und Elis. Durch die Zusammen- stellung mit Daedalos ist nun freilich der Zeitbestimmung ein grosser Spielraum eröffnet, und neuere Forscher haben sich diesen auch in sofern zu Nutze zu machen gesucht, als sie Smilis, wie Daedalos, für einen Gattungsnamen erklärten, der den Bildschnitzer bedeute, und diesen Smilis in demselben Sinne an die Spitze der aeginetischen Kunstübung stellten, wie Daedalos bei der attischen. Um diese Ansicht zu prüfen, stellen wir zunächst die Nachrichten über seine Werke zu- sammen
1) In Samos machte er das Holzbild der Hera. Ausser Pausanias (l. l.) berichtet dies Clemens Alexandrinus (protr. 13) aus den samischen Büchern eines uns unbekannten Olympichos, ferner Athenagoras (leg. pr. Ch. 14. p. 61.), endlich auch Kallimachus nach den Verbesserungen Bentley's und anderer bei Euseb. praep. evang. III, 8:
Eras di kai Samioi xulinon eikhon edos, os phesi Kallimakhos, Oupo Smilion ergon euxoon, all' epi tethmo Demaio gluphanon axoos estha sanis. Ode kathidruonto theous tote kai gar Athenes En Lindo Danaos leion etheken edos.
Dass die Hera zu Samos in ältester Zeit unter dem Bilde eines einfachen Brettes verehrt ward, bestätigt Aethlios bei Clemens Alex. (l. l.), indem er hinzufügt. später unter der Herrschaft des Prokles (epi Prokleous arkhontos) habe es menschliche Gestalt erhalten. Ob die steife stehende Figur der Göttin mit reicher Gewandung auf späten Münzen der Sa-
1) VII, 4, 4.
des Einzelnen hervortreten, wenn er unabhängig von diesem Zunftzusammenhange an einem neuen Orte neue Bahnen brach. Und in der That stehen die Künstler, welche wir zunächst zu behandeln haben, ausserhalb des Kreises der Daedaliden. Wir beginnen mit
Smilis,
des Eukleides Sohn, aus Aegina. Pausanias 1) nennt ihn ei- nen Zeitgenossen des Daedalos, aber nicht von gleicher Be- rühmtheit: des Daedalos Ruhm sei durch weite Wanderungen weit verbreitet worden, von Reisen des Smilis dagegen ken- ne man nur die nach Samos und Elis. Durch die Zusammen- stellung mit Daedalos ist nun freilich der Zeitbestimmung ein grosser Spielraum eröffnet, und neuere Forscher haben sich diesen auch in sofern zu Nutze zu machen gesucht, als sie Smilis, wie Daedalos, für einen Gattungsnamen erklärten, der den Bildschnitzer bedeute, und diesen Smilis in demselben Sinne an die Spitze der aeginetischen Kunstübung stellten, wie Daedalos bei der attischen. Um diese Ansicht zu prüfen, stellen wir zunächst die Nachrichten über seine Werke zu- sammen
1) In Samos machte er das Holzbild der Hera. Ausser Pausanias (l. l.) berichtet dies Clemens Alexandrinus (protr. 13) aus den samischen Büchern eines uns unbekannten Olympichos, ferner Athenagoras (leg. pr. Ch. 14. p. 61.), endlich auch Kallimachus nach den Verbesserungen Bentley’s und anderer bei Euseb. praep. evang. III, 8:
Dass die Hera zu Samos in ältester Zeit unter dem Bilde eines einfachen Brettes verehrt ward, bestätigt Aëthlios bei Clemens Alex. (l. l.), indem er hinzufügt. später unter der Herrschaft des Prokles (ἐπὶ Προκλέους ἄρχοντος) habe es menschliche Gestalt erhalten. Ob die steife stehende Figur der Göttin mit reicher Gewandung auf späten Münzen der Sa-
1) VII, 4, 4.
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des Einzelnen hervortreten, wenn er unabhängig von diesem
Zunftzusammenhange an einem neuen Orte neue Bahnen brach.
Und in der That stehen die Künstler, welche wir zunächst zu
behandeln haben, ausserhalb des Kreises der Daedaliden. Wir
beginnen mit
Smilis,
des Eukleides Sohn, aus Aegina. Pausanias 1) nennt ihn ei-
nen Zeitgenossen des Daedalos, aber nicht von gleicher Be-
rühmtheit: des Daedalos Ruhm sei durch weite Wanderungen
weit verbreitet worden, von Reisen des Smilis dagegen ken-
ne man nur die nach Samos und Elis. Durch die Zusammen-
stellung mit Daedalos ist nun freilich der Zeitbestimmung ein
grosser Spielraum eröffnet, und neuere Forscher haben sich
diesen auch in sofern zu Nutze zu machen gesucht, als sie
Smilis, wie Daedalos, für einen Gattungsnamen erklärten, der
den Bildschnitzer bedeute, und diesen Smilis in demselben
Sinne an die Spitze der aeginetischen Kunstübung stellten, wie
Daedalos bei der attischen. Um diese Ansicht zu prüfen,
stellen wir zunächst die Nachrichten über seine Werke zu-
sammen
1) In Samos machte er das Holzbild der Hera. Ausser
Pausanias (l. l.) berichtet dies Clemens Alexandrinus (protr. 13)
aus den samischen Büchern eines uns unbekannten Olympichos,
ferner Athenagoras (leg. pr. Ch. 14. p. 61.), endlich auch
Kallimachus nach den Verbesserungen Bentley’s und anderer
bei Euseb. praep. evang. III, 8:
Ἥρας δὶ καὶ Σάμιοι ξύλινον εἶχον ἕδος, ὥς φησι Καλλίμαχος,
Οὔπω Σμίλιον ἔργον ἐύξοον, ἀλλ’ ἐπὶ τεϑμῷ
Δημαίῳ γλυφάνων ἄξοος ἦσϑα σανίς.
Ὧδε καϑιδρύοντο ϑεοὺς τότε καὶ γὰρ Ἀϑήνης
Ἐν Λίνδῳ Δαναὸς λεῖον ἔϑηκεν ἕδος.
Dass die Hera zu Samos in ältester Zeit unter dem Bilde
eines einfachen Brettes verehrt ward, bestätigt Aëthlios bei
Clemens Alex. (l. l.), indem er hinzufügt. später unter der
Herrschaft des Prokles (ἐπὶ Προκλέους ἄρχοντος) habe es
menschliche Gestalt erhalten. Ob die steife stehende Figur
der Göttin mit reicher Gewandung auf späten Münzen der Sa-
1) VII, 4, 4.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/39>, abgerufen am 21.11.2024.
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