aber der Künstler dem sinnlichen, körperlichen Reiz in der Darstellung eingeräumt hatte, zeigen sowohl die Anspielungen Lucians 1), als in noch höherem Grade die Verirrungen einer griechischen Phantasie, welche den Eros zu Parion, wie die knidische Aphrodite befleckten. -- Besondere Beachtung ver- dient es ferner, dass zur Zeit des Praxiteles und gewiss zum Theil durch ihn selbst die jugendliche Bildung der Götter Ueber- hand nahm. So war Hermes mit dem Dionysoskinde (für wel- che Gruppe indessen schon ein Vorbild in einer ähnlichen des Kephisodot vorlag) gewiss der jugendliche Gott. Auffallender ist die Darstellung Apollo's im Knabenalter, wie wir sie aus den Wiederholungen des Sauroktonos kennen. Namentlich aber muss hier auf die Bildungen des Dionysos und seiner Begleitung aufmerksam gemacht werden. Denn ich kann Mül- ler 2) nicht beistimmen, welcher wahrscheinlich wegen des lateinischen Ausdrucks Liberum patrem bei Plinius annehmen will, dass wenigstens zuweilen Praxiteles den Gott in der äl- teren Weise, im reifen Mannesalter gebildet habe. Die Ver- bindung, in welche dieser Liber pater mit der Ebrietas oder Methe und dem Satyr Staphylos oder Ampelos tritt, erinnert uns vielmehr an die Gruppen oder deren Nachbildungen in Reliefs, in welchen Dionysos theils mit einem, theils mit zwei Satyrn, aber auch mit einem Satyr und einer weiblichen Figur vereinigt erscheint. In diesen ist er immer der jugendliche Gott, von weichen, fast weibisch üppigen Formen, ein Bild der verfeinertsten Sinnlichkeit, gerade so wie er in der Beschrei- bung des Callistratus 3) als von Praxiteles dargestellt geschil- dert wird. Ja auch seine Begleiter, die Satyrn, welche früher ohne Ausnahme bärtig und mit vielfachen Zeichen ihrer halb- thierischen Herkunft gebildet wurden, folgen ihm in dieser feineren Entwickelung. Wir brauchen nur jenen vom Flöten- spiel ausruhenden, an einen Baumstamm gelehnten Satyr zu betrachten, von welchem fast jedes bedeutendere Museum Nachbildungen aufzuweisen hat, um zu erkennen, wie hier von jener Abstammung kaum noch ein äusseres Zeichen übrig ge- blieben, die frühere Derbheit dem Ausdrucke sinnlicher Lust und sinnlichen Behagens gewichen ist. Freilich muss ich bei dieser Gelegenheit bemerken, dass ich keinen positiven Grund
1) Amor. 11 u. 17.
2) Handb. §. 127, 2.
3) stat. 8.
aber der Künstler dem sinnlichen, körperlichen Reiz in der Darstellung eingeräumt hatte, zeigen sowohl die Anspielungen Lucians 1), als in noch höherem Grade die Verirrungen einer griechischen Phantasie, welche den Eros zu Parion, wie die knidische Aphrodite befleckten. — Besondere Beachtung ver- dient es ferner, dass zur Zeit des Praxiteles und gewiss zum Theil durch ihn selbst die jugendliche Bildung der Götter Ueber- hand nahm. So war Hermes mit dem Dionysoskinde (für wel- che Gruppe indessen schon ein Vorbild in einer ähnlichen des Kephisodot vorlag) gewiss der jugendliche Gott. Auffallender ist die Darstellung Apollo’s im Knabenalter, wie wir sie aus den Wiederholungen des Sauroktonos kennen. Namentlich aber muss hier auf die Bildungen des Dionysos und seiner Begleitung aufmerksam gemacht werden. Denn ich kann Mül- ler 2) nicht beistimmen, welcher wahrscheinlich wegen des lateinischen Ausdrucks Liberum patrem bei Plinius annehmen will, dass wenigstens zuweilen Praxiteles den Gott in der äl- teren Weise, im reifen Mannesalter gebildet habe. Die Ver- bindung, in welche dieser Liber pater mit der Ebrietas oder Methe und dem Satyr Staphylos oder Ampelos tritt, erinnert uns vielmehr an die Gruppen oder deren Nachbildungen in Reliefs, in welchen Dionysos theils mit einem, theils mit zwei Satyrn, aber auch mit einem Satyr und einer weiblichen Figur vereinigt erscheint. In diesen ist er immer der jugendliche Gott, von weichen, fast weibisch üppigen Formen, ein Bild der verfeinertsten Sinnlichkeit, gerade so wie er in der Beschrei- bung des Callistratus 3) als von Praxiteles dargestellt geschil- dert wird. Ja auch seine Begleiter, die Satyrn, welche früher ohne Ausnahme bärtig und mit vielfachen Zeichen ihrer halb- thierischen Herkunft gebildet wurden, folgen ihm in dieser feineren Entwickelung. Wir brauchen nur jenen vom Flöten- spiel ausruhenden, an einen Baumstamm gelehnten Satyr zu betrachten, von welchem fast jedes bedeutendere Museum Nachbildungen aufzuweisen hat, um zu erkennen, wie hier von jener Abstammung kaum noch ein äusseres Zeichen übrig ge- blieben, die frühere Derbheit dem Ausdrucke sinnlicher Lust und sinnlichen Behagens gewichen ist. Freilich muss ich bei dieser Gelegenheit bemerken, dass ich keinen positiven Grund
1) Amor. 11 u. 17.
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3) stat. 8.
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[350/0363]
aber der Künstler dem sinnlichen, körperlichen Reiz in der
Darstellung eingeräumt hatte, zeigen sowohl die Anspielungen
Lucians 1), als in noch höherem Grade die Verirrungen einer
griechischen Phantasie, welche den Eros zu Parion, wie die
knidische Aphrodite befleckten. — Besondere Beachtung ver-
dient es ferner, dass zur Zeit des Praxiteles und gewiss zum
Theil durch ihn selbst die jugendliche Bildung der Götter Ueber-
hand nahm. So war Hermes mit dem Dionysoskinde (für wel-
che Gruppe indessen schon ein Vorbild in einer ähnlichen des
Kephisodot vorlag) gewiss der jugendliche Gott. Auffallender
ist die Darstellung Apollo’s im Knabenalter, wie wir sie aus
den Wiederholungen des Sauroktonos kennen. Namentlich
aber muss hier auf die Bildungen des Dionysos und seiner
Begleitung aufmerksam gemacht werden. Denn ich kann Mül-
ler 2) nicht beistimmen, welcher wahrscheinlich wegen des
lateinischen Ausdrucks Liberum patrem bei Plinius annehmen
will, dass wenigstens zuweilen Praxiteles den Gott in der äl-
teren Weise, im reifen Mannesalter gebildet habe. Die Ver-
bindung, in welche dieser Liber pater mit der Ebrietas oder
Methe und dem Satyr Staphylos oder Ampelos tritt, erinnert
uns vielmehr an die Gruppen oder deren Nachbildungen in
Reliefs, in welchen Dionysos theils mit einem, theils mit zwei
Satyrn, aber auch mit einem Satyr und einer weiblichen Figur
vereinigt erscheint. In diesen ist er immer der jugendliche
Gott, von weichen, fast weibisch üppigen Formen, ein Bild der
verfeinertsten Sinnlichkeit, gerade so wie er in der Beschrei-
bung des Callistratus 3) als von Praxiteles dargestellt geschil-
dert wird. Ja auch seine Begleiter, die Satyrn, welche früher
ohne Ausnahme bärtig und mit vielfachen Zeichen ihrer halb-
thierischen Herkunft gebildet wurden, folgen ihm in dieser
feineren Entwickelung. Wir brauchen nur jenen vom Flöten-
spiel ausruhenden, an einen Baumstamm gelehnten Satyr zu
betrachten, von welchem fast jedes bedeutendere Museum
Nachbildungen aufzuweisen hat, um zu erkennen, wie hier von
jener Abstammung kaum noch ein äusseres Zeichen übrig ge-
blieben, die frühere Derbheit dem Ausdrucke sinnlicher Lust
und sinnlichen Behagens gewichen ist. Freilich muss ich bei
dieser Gelegenheit bemerken, dass ich keinen positiven Grund
1) Amor. 11 u. 17.
2) Handb. §. 127, 2.
3) stat. 8.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/363>, abgerufen am 25.11.2024.
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