nommen, erscheint nirgends ein Künstler neben ihm (denn über Smilis s. unten); man hat auf ihn allein fast alles über- tragen, was überhaupt von den Anfängen griechischer Kunst bekannt war. Dazu kommt aber, dass die Sage ihre haupt- sächlichste Ausbildung von Athen aus und dadurch ein wesent- lich attisches Gepräge erhielt. So wird Daedalos vorzugsweise Stammvater der attischen Kunst: oi apo Daidalou und erga- steriou tou Attikou ist namentlich bei Pausanias vollkommen gleichbedeutend. Wir aber gerathen dadurch in die Verlegen- heit, dass wir, wo eine Nachricht mit dem Namen des Dae- dalos verbunden ist, fast nie mit Sicherheit zu unterscheiden vermögen, ob wir es mit den Anfängen griechischer Kunst überhaupt oder speciell der attischen zu thun haben. Wir ziehen es vor, lieber diese Schwierigkeit ohne Hehl einzuge- stehen, als noch länger durch schwankende Vermuthungen feinere Unterschiede feststellen zu wollen. Die Begränzung der Daedalischen Kunst gegen die historische Zeit wird sich uns in den spätern Untersuchungen von selbst ergeben.
Hier mögen zunächst zwei Künstler folgen, von denen der eine mehr der Sage, als der Geschichte, der andere um- gekehrt mehr der Geschichte, als der Sage angehört.
Epeios, Sohn des Panopeus, ist aus Homer als der Verfertiger des hölzernen Rosses bekannt, mit dessen Hülfe Troja erobert ward. Nicht deshalb aber verdient er hier genannt zu werden, sondern weil Plato 1) ihn neben Daedalos und Theodoros von Samos als Künstler (andriantopoios) anführt und Pausanias 2) ihm sogar ein Xoanon des Hermes beilegt, das er zu Argos sah. Diese Angaben beweisen wenigstens, das die Kunst schon in sehr alter Zeit auch in Argos geübt ward, und es ist möglich, dass sich dort die Künstlersage an den Namen des Epeios knüpfte; doch stehen die ältesten uns bekannten Künstler aus Argos mit ihm nicht in einem Schulzusammen- hange, wie er sich bei den Daedaliden bis tief in die histori- sche Zeit hinab findet.
Dibutades, ein Töpfer aus Sikyon, soll zu Korinth die Plastik, das Bilden in weichen Massen, namentlich Thon, erfunden haben. Plinius 3)
1) Jo. p. 533 A.
2) II, 19, 6.
3) 35, 151.
nommen, erscheint nirgends ein Künstler neben ihm (denn über Smilis s. unten); man hat auf ihn allein fast alles über- tragen, was überhaupt von den Anfängen griechischer Kunst bekannt war. Dazu kommt aber, dass die Sage ihre haupt- sächlichste Ausbildung von Athen aus und dadurch ein wesent- lich attisches Gepräge erhielt. So wird Daedalos vorzugsweise Stammvater der attischen Kunst: οἱ ἀπὸ Δαιδάλου und ἐργα- στηρίου τοῦ Ἀττικοῦ ist namentlich bei Pausanias vollkommen gleichbedeutend. Wir aber gerathen dadurch in die Verlegen- heit, dass wir, wo eine Nachricht mit dem Namen des Dae- dalos verbunden ist, fast nie mit Sicherheit zu unterscheiden vermögen, ob wir es mit den Anfängen griechischer Kunst überhaupt oder speciell der attischen zu thun haben. Wir ziehen es vor, lieber diese Schwierigkeit ohne Hehl einzuge- stehen, als noch länger durch schwankende Vermuthungen feinere Unterschiede feststellen zu wollen. Die Begränzung der Daedalischen Kunst gegen die historische Zeit wird sich uns in den spätern Untersuchungen von selbst ergeben.
Hier mögen zunächst zwei Künstler folgen, von denen der eine mehr der Sage, als der Geschichte, der andere um- gekehrt mehr der Geschichte, als der Sage angehört.
Epeios, Sohn des Panopeus, ist aus Homer als der Verfertiger des hölzernen Rosses bekannt, mit dessen Hülfe Troja erobert ward. Nicht deshalb aber verdient er hier genannt zu werden, sondern weil Plato 1) ihn neben Daedalos und Theodoros von Samos als Künstler (ἀνδριαντοποιὸς) anführt und Pausanias 2) ihm sogar ein Xoanon des Hermes beilegt, das er zu Argos sah. Diese Angaben beweisen wenigstens, das die Kunst schon in sehr alter Zeit auch in Argos geübt ward, und es ist möglich, dass sich dort die Künstlersage an den Namen des Epeios knüpfte; doch stehen die ältesten uns bekannten Künstler aus Argos mit ihm nicht in einem Schulzusammen- hange, wie er sich bei den Daedaliden bis tief in die histori- sche Zeit hinab findet.
Dibutades, ein Töpfer aus Sikyon, soll zu Korinth die Plastik, das Bilden in weichen Massen, namentlich Thon, erfunden haben. Plinius 3)
1) Jo. p. 533 A.
2) II, 19, 6.
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über Smilis s. unten); man hat auf ihn allein fast alles über-
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bekannt war. Dazu kommt aber, dass die Sage ihre haupt-
sächlichste Ausbildung von Athen aus und dadurch ein wesent-
lich attisches Gepräge erhielt. So wird Daedalos vorzugsweise
Stammvater der attischen Kunst: οἱ ἀπὸ Δαιδάλου und ἐργα-
στηρίου τοῦ Ἀττικοῦ ist namentlich bei Pausanias vollkommen
gleichbedeutend. Wir aber gerathen dadurch in die Verlegen-
heit, dass wir, wo eine Nachricht mit dem Namen des Dae-
dalos verbunden ist, fast nie mit Sicherheit zu unterscheiden
vermögen, ob wir es mit den Anfängen griechischer Kunst
überhaupt oder speciell der attischen zu thun haben. Wir
ziehen es vor, lieber diese Schwierigkeit ohne Hehl einzuge-
stehen, als noch länger durch schwankende Vermuthungen
feinere Unterschiede feststellen zu wollen. Die Begränzung
der Daedalischen Kunst gegen die historische Zeit wird sich
uns in den spätern Untersuchungen von selbst ergeben.
Hier mögen zunächst zwei Künstler folgen, von denen
der eine mehr der Sage, als der Geschichte, der andere um-
gekehrt mehr der Geschichte, als der Sage angehört.
Epeios,
Sohn des Panopeus, ist aus Homer als der Verfertiger des
hölzernen Rosses bekannt, mit dessen Hülfe Troja erobert
ward. Nicht deshalb aber verdient er hier genannt zu werden,
sondern weil Plato 1) ihn neben Daedalos und Theodoros von
Samos als Künstler (ἀνδριαντοποιὸς) anführt und Pausanias 2)
ihm sogar ein Xoanon des Hermes beilegt, das er zu Argos
sah. Diese Angaben beweisen wenigstens, das die Kunst
schon in sehr alter Zeit auch in Argos geübt ward, und es
ist möglich, dass sich dort die Künstlersage an den Namen
des Epeios knüpfte; doch stehen die ältesten uns bekannten
Künstler aus Argos mit ihm nicht in einem Schulzusammen-
hange, wie er sich bei den Daedaliden bis tief in die histori-
sche Zeit hinab findet.
Dibutades,
ein Töpfer aus Sikyon, soll zu Korinth die Plastik, das Bilden
in weichen Massen, namentlich Thon, erfunden haben. Plinius 3)
1) Jo. p. 533 A.
2) II, 19, 6.
3) 35, 151.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/36>, abgerufen am 24.11.2024.
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