Diomedes Aeneas, dem Telamonier Aias Deiphobos: im Ganzen also dreizehn Figuren, welche sich um den Zeus in strenger Symmetrie gruppirten. -- Ausser diesem umfangreichen Werke erwähnt Pausanias 1) nur noch einen Knaben mit dem Weih- gefäss (perirranterion) aus Erz, als auf der Akropolis von Athen befindlich. Bei Plinius 2) finden wir "einen Knaben, der verlöschendes Feuer wieder anbläst (puerum sufflantem languidos ignes), ein Werk, würdig des Lehrers; und Argo- nauten", und wenig später einen Räucherknaben: Lycius et ipse puerum suffitorem. Die Bilder dieser Knaben müssen sehr verwandter Natur gewesen sein. Allein hier fragt es sich, ob wir es überhaupt mit drei verschiedenen Werken zu thun haben. Die Römer nannten suffitio z. B. eine Ceremonie bei Leichenbegängnissen, bei welcher die Theilnehmer mit Wasser besprengt wurden 3). Der puer suffitor des Plinius und der Knabe mit dem Weihgefäss bei Pausanias können also recht wohl ein und dasselbe Werk sein. Suffitio aber bedeu- tet auch eine wirkliche Räucherung: und der Name suffitor kommt daher mit vollem Rechte einem Knaben zu, welcher Feuer, in unserem Falle die zu Räucherungen nothwendigen Kohlen in dem Weihgefässe, anbläst. Christliche Chorknaben in ähnlicher Handlung sind für künstlerische Darstellungen auch in der neueren Zeit benutzt worden. Es bliebe also nur noch die zweifache Erwähnung eines und desselben Werkes bei Plinius zu erklären. Ist es aber nicht auffällig, dass, nachdem über Lykios bereits gehandelt ist, wenige Zeilen später ein einzelnes Werk desselben ausser dem Zusammenhange ange- führt wird? Es scheint demnach, dass dieser Schriftsteller nach der ersten Abfassung des Textes den puer suffitor aus anderen Quellen am Ende der unter L zusammengestellten Künstler notirte, ohne die Identität desselben mit dem schon angeführten Knaben zu vermuthen, und dass dieser Zusatz später nicht weiter in den Zusammenhang verarbeitet wurde, wie dies z. B. auch bei dem folgenden Künstler, Kresilas, in ähnlicher Weise geschehen sein muss. Auf diese Weise würde die doppelte Erwähnung aus verschiedenen Quellen nur Zeug- niss ablegen für die Berühmtheit des Werkes. Uns aber liefert dasselbe durch seinen Gegenstand den Beweis, dass Lykios
1) I, 23, 8.
2) 34, 79.
3) Festus s. v. aqua.
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Diomedes Aeneas, dem Telamonier Aias Deiphobos: im Ganzen also dreizehn Figuren, welche sich um den Zeus in strenger Symmetrie gruppirten. — Ausser diesem umfangreichen Werke erwähnt Pausanias 1) nur noch einen Knaben mit dem Weih- gefäss (περιρραντήριον) aus Erz, als auf der Akropolis von Athen befindlich. Bei Plinius 2) finden wir „einen Knaben, der verlöschendes Feuer wieder anbläst (puerum sufflantem languidos ignes), ein Werk, würdig des Lehrers; und Argo- nauten”, und wenig später einen Räucherknaben: Lycius et ipse puerum suffitorem. Die Bilder dieser Knaben müssen sehr verwandter Natur gewesen sein. Allein hier fragt es sich, ob wir es überhaupt mit drei verschiedenen Werken zu thun haben. Die Römer nannten suffitio z. B. eine Ceremonie bei Leichenbegängnissen, bei welcher die Theilnehmer mit Wasser besprengt wurden 3). Der puer suffitor des Plinius und der Knabe mit dem Weihgefäss bei Pausanias können also recht wohl ein und dasselbe Werk sein. Suffitio aber bedeu- tet auch eine wirkliche Räucherung: und der Name suffitor kommt daher mit vollem Rechte einem Knaben zu, welcher Feuer, in unserem Falle die zu Räucherungen nothwendigen Kohlen in dem Weihgefässe, anbläst. Christliche Chorknaben in ähnlicher Handlung sind für künstlerische Darstellungen auch in der neueren Zeit benutzt worden. Es bliebe also nur noch die zweifache Erwähnung eines und desselben Werkes bei Plinius zu erklären. Ist es aber nicht auffällig, dass, nachdem über Lykios bereits gehandelt ist, wenige Zeilen später ein einzelnes Werk desselben ausser dem Zusammenhange ange- führt wird? Es scheint demnach, dass dieser Schriftsteller nach der ersten Abfassung des Textes den puer suffitor aus anderen Quellen am Ende der unter L zusammengestellten Künstler notirte, ohne die Identität desselben mit dem schon angeführten Knaben zu vermuthen, und dass dieser Zusatz später nicht weiter in den Zusammenhang verarbeitet wurde, wie dies z. B. auch bei dem folgenden Künstler, Kresilas, in ähnlicher Weise geschehen sein muss. Auf diese Weise würde die doppelte Erwähnung aus verschiedenen Quellen nur Zeug- niss ablegen für die Berühmtheit des Werkes. Uns aber liefert dasselbe durch seinen Gegenstand den Beweis, dass Lykios
1) I, 23, 8.
2) 34, 79.
3) Festus s. v. aqua.
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Diomedes Aeneas, dem Telamonier Aias Deiphobos: im Ganzen
also dreizehn Figuren, welche sich um den Zeus in strenger
Symmetrie gruppirten. — Ausser diesem umfangreichen Werke
erwähnt Pausanias 1) nur noch einen Knaben mit dem Weih-
gefäss (περιρραντήριον) aus Erz, als auf der Akropolis von
Athen befindlich. Bei Plinius 2) finden wir „einen Knaben,
der verlöschendes Feuer wieder anbläst (puerum sufflantem
languidos ignes), ein Werk, würdig des Lehrers; und Argo-
nauten”, und wenig später einen Räucherknaben: Lycius
et ipse puerum suffitorem. Die Bilder dieser Knaben müssen
sehr verwandter Natur gewesen sein. Allein hier fragt es
sich, ob wir es überhaupt mit drei verschiedenen Werken zu
thun haben. Die Römer nannten suffitio z. B. eine Ceremonie
bei Leichenbegängnissen, bei welcher die Theilnehmer mit
Wasser besprengt wurden 3). Der puer suffitor des Plinius
und der Knabe mit dem Weihgefäss bei Pausanias können also
recht wohl ein und dasselbe Werk sein. Suffitio aber bedeu-
tet auch eine wirkliche Räucherung: und der Name suffitor
kommt daher mit vollem Rechte einem Knaben zu, welcher
Feuer, in unserem Falle die zu Räucherungen nothwendigen
Kohlen in dem Weihgefässe, anbläst. Christliche Chorknaben
in ähnlicher Handlung sind für künstlerische Darstellungen auch
in der neueren Zeit benutzt worden. Es bliebe also nur noch
die zweifache Erwähnung eines und desselben Werkes bei
Plinius zu erklären. Ist es aber nicht auffällig, dass, nachdem
über Lykios bereits gehandelt ist, wenige Zeilen später ein
einzelnes Werk desselben ausser dem Zusammenhange ange-
führt wird? Es scheint demnach, dass dieser Schriftsteller
nach der ersten Abfassung des Textes den puer suffitor aus
anderen Quellen am Ende der unter L zusammengestellten
Künstler notirte, ohne die Identität desselben mit dem schon
angeführten Knaben zu vermuthen, und dass dieser Zusatz
später nicht weiter in den Zusammenhang verarbeitet wurde,
wie dies z. B. auch bei dem folgenden Künstler, Kresilas, in
ähnlicher Weise geschehen sein muss. Auf diese Weise würde
die doppelte Erwähnung aus verschiedenen Quellen nur Zeug-
niss ablegen für die Berühmtheit des Werkes. Uns aber liefert
dasselbe durch seinen Gegenstand den Beweis, dass Lykios
1) I, 23, 8.
2) 34, 79.
3) Festus s. v. aqua.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/272>, abgerufen am 24.11.2024.
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