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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Kallimachos.

Obwohl sein Vaterland nirgends ausdrücklich genannt wird,
setzen wir ihn nach Athen, weil sich dort wenigstens ein
Werk in einem öffentlichen Gebäude von ihm befand: ein gol-
dener Leuchter
im Erechtheum mit einer immer brennen-
den Lampe, welche nur alle Jahre einmal an einem bestimm-
ten Tage mit Oel versehen wurde. Von der Lampe erhob
sich eine eherne Palme bis an die Decke des Tempels, um
den Qualm von derselben abzuhalten: Paus. I, 26, 7. Ein zwei-
tes Werk des Kallimachos sah Pausanias zu Plataeae: eine
sitzende bräutliche Hera (Numpheuomene): IX, 2, 5. Ferner
nennt Plinius von ihm tanzende Lakedaemonierinnen:
35, 92. Diese möchte Rangabe 1) für nichts Anderes, als die
noch vorhandenen Karyatiden am Erechtheum erklären. Allein
so erfreulich es wäre, diese Werke auf einen bestimmten
Künstler zurückführen zu können, so dürfen wir uns doch von
seinen, bei dem ersten Blicke überraschenden Gründen nicht
blenden lassen. Lucian nemlich erwähnt 2) eine Art des Tan-
zens, welche durch karuatizein bezeichnet wurde. So habe
Plinius aus einem Misverständnisse Karyatiden für lakedämo-
nische Tänzerinnen halten können. Allein, dieses zugegeben,
müssten wir den Plinius sogleich eines zweiten Fehlers be-
schuldigen, nemlich: Marmorwerke in dem Buche über die Erz-
giesser angeführt zu haben. Endlich aber passt das Urtheil,
welches Plinius über die Tänzerinnen fällt, in keiner Weise
auf die athenischen Karyatiden: er nennt sie ein gefeiltes
(emendatum) Werk, in welchem aber alle Grazie durch über-
grosse Sorgfalt verloren gegangen sei.

Nach Plinius soll Kallimachos auch Maler gewesen sein;
und wir würden zur Bestätigung dieser Angabe auf Gregor
von Nazianz 3) verweisen, wenn nicht in dessen Zusammen-
stellung von Künstlern die grösste Verwirrung herrschte.

Wichtiger ist seine Thätigkeit in der Architektur. Denn
er ist es, dem Vitruv 4) in der bekannten Erzählung von dem
Korbe auf dem Grabe eines korinthischen Mädchens die Erfin-
dung des korinthischen Kapitäls und der korinthischen
Säulenordnung beilegt.

1) Rev. arch. II, p. 425.
2) de salt. 10.
3) in Tollii Itin. Ital. p. 66.
4) IV, 1, 9.

Kallimachos.

Obwohl sein Vaterland nirgends ausdrücklich genannt wird,
setzen wir ihn nach Athen, weil sich dort wenigstens ein
Werk in einem öffentlichen Gebäude von ihm befand: ein gol-
dener Leuchter
im Erechtheum mit einer immer brennen-
den Lampe, welche nur alle Jahre einmal an einem bestimm-
ten Tage mit Oel versehen wurde. Von der Lampe erhob
sich eine eherne Palme bis an die Decke des Tempels, um
den Qualm von derselben abzuhalten: Paus. I, 26, 7. Ein zwei-
tes Werk des Kallimachos sah Pausanias zu Plataeae: eine
sitzende bräutliche Hera (Νυμφευομένη): IX, 2, 5. Ferner
nennt Plinius von ihm tanzende Lakedaemonierinnen:
35, 92. Diese möchte Rangabé 1) für nichts Anderes, als die
noch vorhandenen Karyatiden am Erechtheum erklären. Allein
so erfreulich es wäre, diese Werke auf einen bestimmten
Künstler zurückführen zu können, so dürfen wir uns doch von
seinen, bei dem ersten Blicke überraschenden Gründen nicht
blenden lassen. Lucian nemlich erwähnt 2) eine Art des Tan-
zens, welche durch καρυατίζειν bezeichnet wurde. So habe
Plinius aus einem Misverständnisse Karyatiden für lakedämo-
nische Tänzerinnen halten können. Allein, dieses zugegeben,
müssten wir den Plinius sogleich eines zweiten Fehlers be-
schuldigen, nemlich: Marmorwerke in dem Buche über die Erz-
giesser angeführt zu haben. Endlich aber passt das Urtheil,
welches Plinius über die Tänzerinnen fällt, in keiner Weise
auf die athenischen Karyatiden: er nennt sie ein gefeiltes
(emendatum) Werk, in welchem aber alle Grazie durch über-
grosse Sorgfalt verloren gegangen sei.

Nach Plinius soll Kallimachos auch Maler gewesen sein;
und wir würden zur Bestätigung dieser Angabe auf Gregor
von Nazianz 3) verweisen, wenn nicht in dessen Zusammen-
stellung von Künstlern die grösste Verwirrung herrschte.

Wichtiger ist seine Thätigkeit in der Architektur. Denn
er ist es, dem Vitruv 4) in der bekannten Erzählung von dem
Korbe auf dem Grabe eines korinthischen Mädchens die Erfin-
dung des korinthischen Kapitäls und der korinthischen
Säulenordnung beilegt.

1) Rev. arch. II, p. 425.
2) de salt. 10.
3) in Tollii Itin. Ital. p. 66.
4) IV, 1, 9.
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[251/0264] Kallimachos. Obwohl sein Vaterland nirgends ausdrücklich genannt wird, setzen wir ihn nach Athen, weil sich dort wenigstens ein Werk in einem öffentlichen Gebäude von ihm befand: ein gol- dener Leuchter im Erechtheum mit einer immer brennen- den Lampe, welche nur alle Jahre einmal an einem bestimm- ten Tage mit Oel versehen wurde. Von der Lampe erhob sich eine eherne Palme bis an die Decke des Tempels, um den Qualm von derselben abzuhalten: Paus. I, 26, 7. Ein zwei- tes Werk des Kallimachos sah Pausanias zu Plataeae: eine sitzende bräutliche Hera (Νυμφευομένη): IX, 2, 5. Ferner nennt Plinius von ihm tanzende Lakedaemonierinnen: 35, 92. Diese möchte Rangabé 1) für nichts Anderes, als die noch vorhandenen Karyatiden am Erechtheum erklären. Allein so erfreulich es wäre, diese Werke auf einen bestimmten Künstler zurückführen zu können, so dürfen wir uns doch von seinen, bei dem ersten Blicke überraschenden Gründen nicht blenden lassen. Lucian nemlich erwähnt 2) eine Art des Tan- zens, welche durch καρυατίζειν bezeichnet wurde. So habe Plinius aus einem Misverständnisse Karyatiden für lakedämo- nische Tänzerinnen halten können. Allein, dieses zugegeben, müssten wir den Plinius sogleich eines zweiten Fehlers be- schuldigen, nemlich: Marmorwerke in dem Buche über die Erz- giesser angeführt zu haben. Endlich aber passt das Urtheil, welches Plinius über die Tänzerinnen fällt, in keiner Weise auf die athenischen Karyatiden: er nennt sie ein gefeiltes (emendatum) Werk, in welchem aber alle Grazie durch über- grosse Sorgfalt verloren gegangen sei. Nach Plinius soll Kallimachos auch Maler gewesen sein; und wir würden zur Bestätigung dieser Angabe auf Gregor von Nazianz 3) verweisen, wenn nicht in dessen Zusammen- stellung von Künstlern die grösste Verwirrung herrschte. Wichtiger ist seine Thätigkeit in der Architektur. Denn er ist es, dem Vitruv 4) in der bekannten Erzählung von dem Korbe auf dem Grabe eines korinthischen Mädchens die Erfin- dung des korinthischen Kapitäls und der korinthischen Säulenordnung beilegt. 1) Rev. arch. II, p. 425. 2) de salt. 10. 3) in Tollii Itin. Ital. p. 66. 4) IV, 1, 9.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/264>, abgerufen am 24.11.2024.