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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Julian früher angeführt. Um uns aber ein bestimmtes Bild von
dieser Thätigkeit des Phidias in ihrem Verhältnisse zu seinen
grossen Schöpfungen zu entwerfen, erinnere ich an einen
Künstler der neueren Zeit, an Benvenuto Cellini: er arbeitete
im Kleinsten, Schaalen, Becher, Agraffen, Figürchen an Na-
deln zur Befestigung der Hutkrämpe, wie Phidias "die Cicade
am Schopf"; aber gerade diese Kenntniss war ihm gewiss
von wesentlichstem Nutzen, als es galt, an den Perseus durch
Cisellirung die letzte Hand anzulegen. Die Arbeit war die
gleiche, nur der Maassstab war verschieden. -- Im Gegensatze
hiermit hat man in neuerer Zeit auch die Werke des Phidias
toreutische genannt, welche aus Gold und Elfenbein zusam-
mengesetzt waren, ohne jedoch für diese Anwendung des Wor-
tes hinlängliche Belege beizubringen. Hier ist zunächst nur
ein Punkt zuzugeben: dass sich nemlich an diesen Werken
eine ganze Reihe toreutischer Arbeiten befand, die Relieffigu-
ren am Throne und Schemel des Zeus, die Reliefs am Schilde
und an den Sohlen der Parthenos. Allein dies waren Parerga,
welche noch nicht das Hauptwerk zu einem Toreuma machen.
Denken wir an die historische Entwickelung dieses Kunstzwei-
ges zurück, so finden wir, dass die Werke aus Gold und El-
fenbein vielmehr an die Stelle der alten Xoana treten; und
Xoana nennt in der That Strabo 1) den Zeus des Phidias, wie
die Hera des Polyklet. Dass auch Plinius in der angeführten
Stelle nicht von Arbeiten in Gold und Elfenbein, sondern von
Erzarbeit spricht, ergiebt sich mit Bestimmtheit aus dem Zu-
sammenhange, in dem seine Worte mit den später folgenden
Urtheilen über andere Künstler, besonders Polyklet, stehen 2).

Den Glanzpunkt der technischen Meisterschaft des Phidias
bilden freilich die Kolosse aus Gold und Elfenbein. Denn sie
verlangen ihrer Natur nach eine umfassende Kenntniss aller
Zweige der künstlerischen Technik. Hier musste Phidias mehr
als je auch Werkmeister sein und die Hände der verschieden-
sten Handwerker für seine Zwecke zu benutzen verstehen.
Leider sind wir nicht hinlänglich unterrichtet, um uns ein voll-
ständiges Bild der mannigfaltigen Thätigkeit zu entwerfen,
welche ein solches Werk in Anspruch nahm. So viel leuchtet
aber von selbst ein, dass auch das höchste poetisch-schöpfe-

1) VIII, p. 353 u. 372.
2) S. darüber Jahn a. a. O.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 13

Julian früher angeführt. Um uns aber ein bestimmtes Bild von
dieser Thätigkeit des Phidias in ihrem Verhältnisse zu seinen
grossen Schöpfungen zu entwerfen, erinnere ich an einen
Künstler der neueren Zeit, an Benvenuto Cellini: er arbeitete
im Kleinsten, Schaalen, Becher, Agraffen, Figürchen an Na-
deln zur Befestigung der Hutkrämpe, wie Phidias „die Cicade
am Schopf”; aber gerade diese Kenntniss war ihm gewiss
von wesentlichstem Nutzen, als es galt, an den Perseus durch
Cisellirung die letzte Hand anzulegen. Die Arbeit war die
gleiche, nur der Maassstab war verschieden. — Im Gegensatze
hiermit hat man in neuerer Zeit auch die Werke des Phidias
toreutische genannt, welche aus Gold und Elfenbein zusam-
mengesetzt waren, ohne jedoch für diese Anwendung des Wor-
tes hinlängliche Belege beizubringen. Hier ist zunächst nur
ein Punkt zuzugeben: dass sich nemlich an diesen Werken
eine ganze Reihe toreutischer Arbeiten befand, die Relieffigu-
ren am Throne und Schemel des Zeus, die Reliefs am Schilde
und an den Sohlen der Parthenos. Allein dies waren Parerga,
welche noch nicht das Hauptwerk zu einem Toreuma machen.
Denken wir an die historische Entwickelung dieses Kunstzwei-
ges zurück, so finden wir, dass die Werke aus Gold und El-
fenbein vielmehr an die Stelle der alten Xoana treten; und
Xoana nennt in der That Strabo 1) den Zeus des Phidias, wie
die Hera des Polyklet. Dass auch Plinius in der angeführten
Stelle nicht von Arbeiten in Gold und Elfenbein, sondern von
Erzarbeit spricht, ergiebt sich mit Bestimmtheit aus dem Zu-
sammenhange, in dem seine Worte mit den später folgenden
Urtheilen über andere Künstler, besonders Polyklet, stehen 2).

Den Glanzpunkt der technischen Meisterschaft des Phidias
bilden freilich die Kolosse aus Gold und Elfenbein. Denn sie
verlangen ihrer Natur nach eine umfassende Kenntniss aller
Zweige der künstlerischen Technik. Hier musste Phidias mehr
als je auch Werkmeister sein und die Hände der verschieden-
sten Handwerker für seine Zwecke zu benutzen verstehen.
Leider sind wir nicht hinlänglich unterrichtet, um uns ein voll-
ständiges Bild der mannigfaltigen Thätigkeit zu entwerfen,
welche ein solches Werk in Anspruch nahm. So viel leuchtet
aber von selbst ein, dass auch das höchste poetisch-schöpfe-

1) VIII, p. 353 u. 372.
2) S. darüber Jahn a. a. O.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 13
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[193/0206] Julian früher angeführt. Um uns aber ein bestimmtes Bild von dieser Thätigkeit des Phidias in ihrem Verhältnisse zu seinen grossen Schöpfungen zu entwerfen, erinnere ich an einen Künstler der neueren Zeit, an Benvenuto Cellini: er arbeitete im Kleinsten, Schaalen, Becher, Agraffen, Figürchen an Na- deln zur Befestigung der Hutkrämpe, wie Phidias „die Cicade am Schopf”; aber gerade diese Kenntniss war ihm gewiss von wesentlichstem Nutzen, als es galt, an den Perseus durch Cisellirung die letzte Hand anzulegen. Die Arbeit war die gleiche, nur der Maassstab war verschieden. — Im Gegensatze hiermit hat man in neuerer Zeit auch die Werke des Phidias toreutische genannt, welche aus Gold und Elfenbein zusam- mengesetzt waren, ohne jedoch für diese Anwendung des Wor- tes hinlängliche Belege beizubringen. Hier ist zunächst nur ein Punkt zuzugeben: dass sich nemlich an diesen Werken eine ganze Reihe toreutischer Arbeiten befand, die Relieffigu- ren am Throne und Schemel des Zeus, die Reliefs am Schilde und an den Sohlen der Parthenos. Allein dies waren Parerga, welche noch nicht das Hauptwerk zu einem Toreuma machen. Denken wir an die historische Entwickelung dieses Kunstzwei- ges zurück, so finden wir, dass die Werke aus Gold und El- fenbein vielmehr an die Stelle der alten Xoana treten; und Xoana nennt in der That Strabo 1) den Zeus des Phidias, wie die Hera des Polyklet. Dass auch Plinius in der angeführten Stelle nicht von Arbeiten in Gold und Elfenbein, sondern von Erzarbeit spricht, ergiebt sich mit Bestimmtheit aus dem Zu- sammenhange, in dem seine Worte mit den später folgenden Urtheilen über andere Künstler, besonders Polyklet, stehen 2). Den Glanzpunkt der technischen Meisterschaft des Phidias bilden freilich die Kolosse aus Gold und Elfenbein. Denn sie verlangen ihrer Natur nach eine umfassende Kenntniss aller Zweige der künstlerischen Technik. Hier musste Phidias mehr als je auch Werkmeister sein und die Hände der verschieden- sten Handwerker für seine Zwecke zu benutzen verstehen. Leider sind wir nicht hinlänglich unterrichtet, um uns ein voll- ständiges Bild der mannigfaltigen Thätigkeit zu entwerfen, welche ein solches Werk in Anspruch nahm. So viel leuchtet aber von selbst ein, dass auch das höchste poetisch-schöpfe- 1) VIII, p. 353 u. 372. 2) S. darüber Jahn a. a. O. Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 13

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/206>, abgerufen am 22.11.2024.