Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachrichten über die letzte Lebenszeit des Künstlers richtig
verstehen wollen.

Es ist uns bestimmt überliefert, dass Phidias zu Athen
wegen Unterschleifes angeklagt ward, den er sich bei der
Verfertigung der Athene Parthenos habe zu Schulden kommen
lassen. Nach einem Auszuge aus Philochorus beim Scholiasten
des Aristophanes 1) könnte es nun scheinen, dass dieser Pro-
cess vor die Zeit der Anwesenheit in Elis falle, dass Phidias
als Verbannter nach Elis gekommen sei, und dass sich ein
ähnlicher Process in Elis wegen Veruntreuung des für das
Zeusbild bestimmten Goldes noch einmal wiederholt habe 2).
Allein ausser den aus seiner dortigen Stellung hergenommenen
Gründen spricht dagegen auch die Natur seines attischen Pro-
cesses 3). Derselbe war fast noch mehr gegen Perikles, als
gegen Phidias gerichtet. Um das Ansehen des Perikles zu
untergraben und ihn schliesslich selbst zu stürzen, griffen
seine Gegner zunächst die mit ihm engverbundenen Freunde,
den Phidias, Anaxagoras, sowie die Aspasia an. Aber auch
das wagte man erst spät, kurz vor dem Beginn des pelopon-
nesischen Krieges: ja diese Processe werden sogar als der
Grund angeführt, weshalb Perikles den Ausbruch dieses Krie-
ges, den er bis dahin gehemmt, nun beschleunigte. Dies ge-
schah aber nicht sowohl bald nach der Vollendung der Par-
thenos, als nach der Vollendung des Zeus, Ol. 87, 1. In die-
sem Jahre aber scheint Perikles über die sämmtlichen unter
seinem Vorstande auf der Burg ausgeführten Werke Rechen-
schaft abgelegt zu haben 4), so dass auch deshalb eine frühere
Verhandlung über die Athene nicht wohl angenommen wer-
den darf.

Der Process hatte folgenden Verlauf. Menon, ein früherer
Hülfsarbeiter des Phidias, liess sich von den Feinden des Peri-
kles bereden, als Schutzflehender an dem Altar auf dem Markte
vom Volke Sicherheit für eine Anklage gegen Phidias zu er-
bitten. Sie lautete auf Veruntreuung eines Theiles des Goldes,
welches dem Phidias für das Bild der Parthenos anvertraut

1) Pac. v. 605.
2) Bei Seneca Controv. VIII, 2 handelt es sich blos um
ein erdichtetes Thema zu Redeübungen.
3) Am ausführlichsten handeln über
denselben Plutarch Per. 31 und Diodor. XII, 39 flgd., der aus Ephorus schöpft.
4) wie Heyne (Ant. Aufs. I, S. 197) und Sillig (p. 338), wohl mit Grund ver-
muthen. Valerius Max. III, 1 ext. indessen spricht nur von den Propyläen.

Nachrichten über die letzte Lebenszeit des Künstlers richtig
verstehen wollen.

Es ist uns bestimmt überliefert, dass Phidias zu Athen
wegen Unterschleifes angeklagt ward, den er sich bei der
Verfertigung der Athene Parthenos habe zu Schulden kommen
lassen. Nach einem Auszuge aus Philochorus beim Scholiasten
des Aristophanes 1) könnte es nun scheinen, dass dieser Pro-
cess vor die Zeit der Anwesenheit in Elis falle, dass Phidias
als Verbannter nach Elis gekommen sei, und dass sich ein
ähnlicher Process in Elis wegen Veruntreuung des für das
Zeusbild bestimmten Goldes noch einmal wiederholt habe 2).
Allein ausser den aus seiner dortigen Stellung hergenommenen
Gründen spricht dagegen auch die Natur seines attischen Pro-
cesses 3). Derselbe war fast noch mehr gegen Perikles, als
gegen Phidias gerichtet. Um das Ansehen des Perikles zu
untergraben und ihn schliesslich selbst zu stürzen, griffen
seine Gegner zunächst die mit ihm engverbundenen Freunde,
den Phidias, Anaxagoras, sowie die Aspasia an. Aber auch
das wagte man erst spät, kurz vor dem Beginn des pelopon-
nesischen Krieges: ja diese Processe werden sogar als der
Grund angeführt, weshalb Perikles den Ausbruch dieses Krie-
ges, den er bis dahin gehemmt, nun beschleunigte. Dies ge-
schah aber nicht sowohl bald nach der Vollendung der Par-
thenos, als nach der Vollendung des Zeus, Ol. 87, 1. In die-
sem Jahre aber scheint Perikles über die sämmtlichen unter
seinem Vorstande auf der Burg ausgeführten Werke Rechen-
schaft abgelegt zu haben 4), so dass auch deshalb eine frühere
Verhandlung über die Athene nicht wohl angenommen wer-
den darf.

Der Process hatte folgenden Verlauf. Menon, ein früherer
Hülfsarbeiter des Phidias, liess sich von den Feinden des Peri-
kles bereden, als Schutzflehender an dem Altar auf dem Markte
vom Volke Sicherheit für eine Anklage gegen Phidias zu er-
bitten. Sie lautete auf Veruntreuung eines Theiles des Goldes,
welches dem Phidias für das Bild der Parthenos anvertraut

1) Pac. v. 605.
2) Bei Seneca Controv. VIII, 2 handelt es sich blos um
ein erdichtetes Thema zu Redeübungen.
3) Am ausführlichsten handeln über
denselben Plutarch Per. 31 und Diodor. XII, 39 flgd., der aus Ephorus schöpft.
4) wie Heyne (Ant. Aufs. I, S. 197) und Sillig (p. 338), wohl mit Grund ver-
muthen. Valerius Max. III, 1 ext. indessen spricht nur von den Propyläen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0180" n="167"/>
Nachrichten über die letzte Lebenszeit des Künstlers richtig<lb/>
verstehen wollen.</p><lb/>
            <p>Es ist uns bestimmt überliefert, dass Phidias zu Athen<lb/>
wegen Unterschleifes angeklagt ward, den er sich bei der<lb/>
Verfertigung der Athene Parthenos habe zu Schulden kommen<lb/>
lassen. Nach einem Auszuge aus Philochorus beim Scholiasten<lb/>
des Aristophanes <note place="foot" n="1)">Pac. v. 605.</note> könnte es nun scheinen, dass dieser Pro-<lb/>
cess vor die Zeit der Anwesenheit in Elis falle, dass Phidias<lb/>
als Verbannter nach Elis gekommen sei, und dass sich ein<lb/>
ähnlicher Process in Elis wegen Veruntreuung des für das<lb/>
Zeusbild bestimmten Goldes noch einmal wiederholt habe <note place="foot" n="2)">Bei Seneca Controv. VIII, 2 handelt es sich blos um<lb/>
ein erdichtetes Thema zu Redeübungen.</note>.<lb/>
Allein ausser den aus seiner dortigen Stellung hergenommenen<lb/>
Gründen spricht dagegen auch die Natur seines attischen Pro-<lb/>
cesses <note place="foot" n="3)">Am ausführlichsten handeln über<lb/>
denselben Plutarch Per. 31 und Diodor. XII, 39 flgd., der aus Ephorus schöpft.</note>. Derselbe war fast noch mehr gegen Perikles, als<lb/>
gegen Phidias gerichtet. Um das Ansehen des Perikles zu<lb/>
untergraben und ihn schliesslich selbst zu stürzen, griffen<lb/>
seine Gegner zunächst die mit ihm engverbundenen Freunde,<lb/>
den Phidias, Anaxagoras, sowie die Aspasia an. Aber auch<lb/>
das wagte man erst spät, kurz vor dem Beginn des pelopon-<lb/>
nesischen Krieges: ja diese Processe werden sogar als der<lb/>
Grund angeführt, weshalb Perikles den Ausbruch dieses Krie-<lb/>
ges, den er bis dahin gehemmt, nun beschleunigte. Dies ge-<lb/>
schah aber nicht sowohl bald nach der Vollendung der Par-<lb/>
thenos, als nach der Vollendung des Zeus, Ol. 87, 1. In die-<lb/>
sem Jahre aber scheint Perikles über die sämmtlichen unter<lb/>
seinem Vorstande auf der Burg ausgeführten Werke Rechen-<lb/>
schaft abgelegt zu haben <note place="foot" n="4)">wie Heyne (Ant. Aufs. I, S. 197) und Sillig (p. 338), wohl mit Grund ver-<lb/>
muthen. Valerius Max. III, 1 ext. indessen spricht nur von den Propyläen.</note>, so dass auch deshalb eine frühere<lb/>
Verhandlung über die Athene nicht wohl angenommen wer-<lb/>
den darf.</p><lb/>
            <p>Der Process hatte folgenden Verlauf. Menon, ein früherer<lb/>
Hülfsarbeiter des Phidias, liess sich von den Feinden des Peri-<lb/>
kles bereden, als Schutzflehender an dem Altar auf dem Markte<lb/>
vom Volke Sicherheit für eine Anklage gegen Phidias zu er-<lb/>
bitten. Sie lautete auf Veruntreuung eines Theiles des Goldes,<lb/>
welches dem Phidias für das Bild der Parthenos anvertraut<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0180] Nachrichten über die letzte Lebenszeit des Künstlers richtig verstehen wollen. Es ist uns bestimmt überliefert, dass Phidias zu Athen wegen Unterschleifes angeklagt ward, den er sich bei der Verfertigung der Athene Parthenos habe zu Schulden kommen lassen. Nach einem Auszuge aus Philochorus beim Scholiasten des Aristophanes 1) könnte es nun scheinen, dass dieser Pro- cess vor die Zeit der Anwesenheit in Elis falle, dass Phidias als Verbannter nach Elis gekommen sei, und dass sich ein ähnlicher Process in Elis wegen Veruntreuung des für das Zeusbild bestimmten Goldes noch einmal wiederholt habe 2). Allein ausser den aus seiner dortigen Stellung hergenommenen Gründen spricht dagegen auch die Natur seines attischen Pro- cesses 3). Derselbe war fast noch mehr gegen Perikles, als gegen Phidias gerichtet. Um das Ansehen des Perikles zu untergraben und ihn schliesslich selbst zu stürzen, griffen seine Gegner zunächst die mit ihm engverbundenen Freunde, den Phidias, Anaxagoras, sowie die Aspasia an. Aber auch das wagte man erst spät, kurz vor dem Beginn des pelopon- nesischen Krieges: ja diese Processe werden sogar als der Grund angeführt, weshalb Perikles den Ausbruch dieses Krie- ges, den er bis dahin gehemmt, nun beschleunigte. Dies ge- schah aber nicht sowohl bald nach der Vollendung der Par- thenos, als nach der Vollendung des Zeus, Ol. 87, 1. In die- sem Jahre aber scheint Perikles über die sämmtlichen unter seinem Vorstande auf der Burg ausgeführten Werke Rechen- schaft abgelegt zu haben 4), so dass auch deshalb eine frühere Verhandlung über die Athene nicht wohl angenommen wer- den darf. Der Process hatte folgenden Verlauf. Menon, ein früherer Hülfsarbeiter des Phidias, liess sich von den Feinden des Peri- kles bereden, als Schutzflehender an dem Altar auf dem Markte vom Volke Sicherheit für eine Anklage gegen Phidias zu er- bitten. Sie lautete auf Veruntreuung eines Theiles des Goldes, welches dem Phidias für das Bild der Parthenos anvertraut 1) Pac. v. 605. 2) Bei Seneca Controv. VIII, 2 handelt es sich blos um ein erdichtetes Thema zu Redeübungen. 3) Am ausführlichsten handeln über denselben Plutarch Per. 31 und Diodor. XII, 39 flgd., der aus Ephorus schöpft. 4) wie Heyne (Ant. Aufs. I, S. 197) und Sillig (p. 338), wohl mit Grund ver- muthen. Valerius Max. III, 1 ext. indessen spricht nur von den Propyläen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/180
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/180>, abgerufen am 22.11.2024.