so dürfen wir mit demselben Rechte behaupten: Ageladas möge Ol. 75, 4 nach Athen übergesiedelt sein, als dort auf Themi- stokles Rath Künstlern aller Art Abgabenfreiheit ertheilt ward, um für den Wiederaufbau der Stadt eine möglichst grosse Masse von Arbeitern und künstlerischen Kräften zu gewinnen 1). Auch zwingt nichts zu der Annahme, dass Phidias gerade in Athen den Unterricht des Ageladas genossen habe. Er konnte z. B., während Attika von den Persern besetzt war, sich in Argos aufhalten. Diese Annahme suchte ich früher 2) durch eine Nachricht des Pausanias zu stützen, der zufolge Phidias ein goldelfenbeinernes Bild der Athene zu Pellene in Achaia vor den Athenebildern in Athen und Plataeae gearbeitet habe 3), indem ich daraus folgerte, dass dieses Werk eines der frühe- sten des Phidias gewesen sein müsse. Später hat zwar Prel- ler 4) darauf aufmerksam gemacht, dass unter dem athenischen Bilde vielmehr die Parthenos, als die bald nach dem Perser- kriege errichtete eherne Pallas Promachos zu verstehen sein möchte. Trotz dem aber werden wir durch die Athene von Plataeae, welche in Folge der Perserkriege geweiht war, wie- der auf die frühere Zeit des Phidias zurückgeführt, und das Bild von Pellene liefert also mindestens den Beweis, dass Phidias schon in seinen jüngeren Jahren mit dem Peloponnes im Verkehr stand.
Ferner versucht Müller 5) für seine Zeitbestimmung die Erzählungen von der Liebe des Pantarkes geltend zu machen. Dass er das Bild dieses Knaben am Throne des Zeus anbrachte, ist bereits erwähnt worden. Weiter wird aber berichtet, er habe den Namen des Pantarkes (Pantarkes kalos) auf einem Finger des Zeus eingeschrieben; und eben daraus folgert Mül- ler: eine solche Liebesleidenschaft, wie sie sich in dieser In- schrift offenbare, sei selbst nach griechischen Begriffen bei einem Greise unerhört und höchstens bei einem Manne von noch kräftigem Alter erklärlich. Aber schon Thiersch hat dar- auf hingewiesen, dass Müller diese Erzählungen von einem zu einseitigen Standpunkte aufgefasst habe. Zuerst müssen wir beachten, dass die Angaben über die Inschriften sehr
1) Diod. XI, 43.
2) Art. lib. Gr. temp. p. 32.
3) Paus. VII, 27, 2.
4) S. 168.
5) §. 18.
so dürfen wir mit demselben Rechte behaupten: Ageladas möge Ol. 75, 4 nach Athen übergesiedelt sein, als dort auf Themi- stokles Rath Künstlern aller Art Abgabenfreiheit ertheilt ward, um für den Wiederaufbau der Stadt eine möglichst grosse Masse von Arbeitern und künstlerischen Kräften zu gewinnen 1). Auch zwingt nichts zu der Annahme, dass Phidias gerade in Athen den Unterricht des Ageladas genossen habe. Er konnte z. B., während Attika von den Persern besetzt war, sich in Argos aufhalten. Diese Annahme suchte ich früher 2) durch eine Nachricht des Pausanias zu stützen, der zufolge Phidias ein goldelfenbeinernes Bild der Athene zu Pellene in Achaia vor den Athenebildern in Athen und Plataeae gearbeitet habe 3), indem ich daraus folgerte, dass dieses Werk eines der frühe- sten des Phidias gewesen sein müsse. Später hat zwar Prel- ler 4) darauf aufmerksam gemacht, dass unter dem athenischen Bilde vielmehr die Parthenos, als die bald nach dem Perser- kriege errichtete eherne Pallas Promachos zu verstehen sein möchte. Trotz dem aber werden wir durch die Athene von Plataeae, welche in Folge der Perserkriege geweiht war, wie- der auf die frühere Zeit des Phidias zurückgeführt, und das Bild von Pellene liefert also mindestens den Beweis, dass Phidias schon in seinen jüngeren Jahren mit dem Peloponnes im Verkehr stand.
Ferner versucht Müller 5) für seine Zeitbestimmung die Erzählungen von der Liebe des Pantarkes geltend zu machen. Dass er das Bild dieses Knaben am Throne des Zeus anbrachte, ist bereits erwähnt worden. Weiter wird aber berichtet, er habe den Namen des Pantarkes (Παντάρκης καλός) auf einem Finger des Zeus eingeschrieben; und eben daraus folgert Mül- ler: eine solche Liebesleidenschaft, wie sie sich in dieser In- schrift offenbare, sei selbst nach griechischen Begriffen bei einem Greise unerhört und höchstens bei einem Manne von noch kräftigem Alter erklärlich. Aber schon Thiersch hat dar- auf hingewiesen, dass Müller diese Erzählungen von einem zu einseitigen Standpunkte aufgefasst habe. Zuerst müssen wir beachten, dass die Angaben über die Inschriften sehr
1) Diod. XI, 43.
2) Art. lib. Gr. temp. p. 32.
3) Paus. VII, 27, 2.
4) S. 168.
5) §. 18.
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so dürfen wir mit demselben Rechte behaupten: Ageladas möge
Ol. 75, 4 nach Athen übergesiedelt sein, als dort auf Themi-
stokles Rath Künstlern aller Art Abgabenfreiheit ertheilt ward,
um für den Wiederaufbau der Stadt eine möglichst grosse
Masse von Arbeitern und künstlerischen Kräften zu gewinnen 1).
Auch zwingt nichts zu der Annahme, dass Phidias gerade in
Athen den Unterricht des Ageladas genossen habe. Er konnte
z. B., während Attika von den Persern besetzt war, sich in
Argos aufhalten. Diese Annahme suchte ich früher 2) durch
eine Nachricht des Pausanias zu stützen, der zufolge Phidias
ein goldelfenbeinernes Bild der Athene zu Pellene in Achaia
vor den Athenebildern in Athen und Plataeae gearbeitet habe 3),
indem ich daraus folgerte, dass dieses Werk eines der frühe-
sten des Phidias gewesen sein müsse. Später hat zwar Prel-
ler 4) darauf aufmerksam gemacht, dass unter dem athenischen
Bilde vielmehr die Parthenos, als die bald nach dem Perser-
kriege errichtete eherne Pallas Promachos zu verstehen sein
möchte. Trotz dem aber werden wir durch die Athene von
Plataeae, welche in Folge der Perserkriege geweiht war, wie-
der auf die frühere Zeit des Phidias zurückgeführt, und das
Bild von Pellene liefert also mindestens den Beweis, dass
Phidias schon in seinen jüngeren Jahren mit dem Peloponnes
im Verkehr stand.
Ferner versucht Müller 5) für seine Zeitbestimmung die
Erzählungen von der Liebe des Pantarkes geltend zu machen.
Dass er das Bild dieses Knaben am Throne des Zeus anbrachte,
ist bereits erwähnt worden. Weiter wird aber berichtet, er
habe den Namen des Pantarkes (Παντάρκης καλός) auf einem
Finger des Zeus eingeschrieben; und eben daraus folgert Mül-
ler: eine solche Liebesleidenschaft, wie sie sich in dieser In-
schrift offenbare, sei selbst nach griechischen Begriffen bei
einem Greise unerhört und höchstens bei einem Manne von
noch kräftigem Alter erklärlich. Aber schon Thiersch hat dar-
auf hingewiesen, dass Müller diese Erzählungen von einem
zu einseitigen Standpunkte aufgefasst habe. Zuerst müssen
wir beachten, dass die Angaben über die Inschriften sehr
1) Diod. XI, 43.
2) Art. lib. Gr. temp. p. 32.
3) Paus. VII, 27, 2.
4) S. 168.
5) §. 18.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/173>, abgerufen am 28.11.2024.
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