nur ein Xoanon von Kallon, in Sikyon ebenfalls nur ein Xoanon neben einem Goldelfenbeinbilde von Kanachos, in Argos nur Bronzebilder, endlich noch Xoana von Laphaes und Hermon, ein Goldelfenbeinbild von Menaechmos und Soidas. Nur in Athen begegnen wir ausser den Elfenbein- und Holzbildern des Endoeos auch noch dem Marmor. Dieses aus den Nach- richten über die Künstler gewonnene Resultat scheint nun zwar im Gegensatze zu stehen mit den erhaltenen Monumen- ten. Denn die bedeutendsten Marmorwerke dieser Periode sind gerade die aeginetischen Giebelstatuen. Allein wir dürfen nicht vergessen, dass diese mit der Architektur in Verbindung stehen, und dass dadurch der Stoff bedingt ist. Dies ist bei den athenischen Marmorwerken nicht der Fall, so wenig wie bei den Bronzen aller andern Schulen. Das gewonnene Re- sultat behält also seine Bedeutung überall, wo die Wahl des Stoffes frei war. Seine Richtigkeit aber wird sich noch mehr dadurch bewähren, dass es seine Geltung auch über diese Pe- riode hinaus gerade in der Blüthezeit der griechischen Kunst behauptet.
Ueberhaupt bildet, wenn wir auf die äussere Geschichte sehen, diese Periode nicht einen so scharfen Abschluss, wie die vorige, nach deren Ende die Kunstübung fast überall ihre Wohnsitze veränderte. Aegina freilich verschwindet, weil es ein selbstständiger Staat zu sein aufhört, auch aus der Ge- schichte der Kunst. Argos nebst Sikyon aber und Athen be- haupten in der folgenden Zeit noch weit ausschliesslicher ihre Herrschaft, so dass, was ausserhalb dieser Mittelpunkte steht, nur in geringem Maasse unsere Aufmerksamkeit zu fesseln vermag.
Blicken wir nun auf die Summe unserer Ergebnisse zurück, so erscheint es gewiss gerechtfertigt, wenn wir im Eingange sagten, dass wir diese Periode mit dem Gefühl nicht befriedigter Erwartung verlassen müssen. Wollen wir aus dem, was spä- ter sich ereignet, rückwärts schliessen, so möchten wir vieles mit Bestimmtheit annehmen, was sich im Kunstleben dieser Zeit zugetragen haben muss. Aber uns fehlen die Mittel es zu beweisen und im Einzelnen darzuthun. Wir befinden uns in der Nähe des Höhepunktes, fast ohne es zu ahnen. Nun ist es wohl wahr, dass der letzte Schritt zur Vollendung auch der gewaltigste zu sein pflegt. Allein behaupten zu wollen,
nur ein Xoanon von Kallon, in Sikyon ebenfalls nur ein Xoanon neben einem Goldelfenbeinbilde von Kanachos, in Argos nur Bronzebilder, endlich noch Xoana von Laphaës und Hermon, ein Goldelfenbeinbild von Menaechmos und Soïdas. Nur in Athen begegnen wir ausser den Elfenbein- und Holzbildern des Endoeos auch noch dem Marmor. Dieses aus den Nach- richten über die Künstler gewonnene Resultat scheint nun zwar im Gegensatze zu stehen mit den erhaltenen Monumen- ten. Denn die bedeutendsten Marmorwerke dieser Periode sind gerade die aeginetischen Giebelstatuen. Allein wir dürfen nicht vergessen, dass diese mit der Architektur in Verbindung stehen, und dass dadurch der Stoff bedingt ist. Dies ist bei den athenischen Marmorwerken nicht der Fall, so wenig wie bei den Bronzen aller andern Schulen. Das gewonnene Re- sultat behält also seine Bedeutung überall, wo die Wahl des Stoffes frei war. Seine Richtigkeit aber wird sich noch mehr dadurch bewähren, dass es seine Geltung auch über diese Pe- riode hinaus gerade in der Blüthezeit der griechischen Kunst behauptet.
Ueberhaupt bildet, wenn wir auf die äussere Geschichte sehen, diese Periode nicht einen so scharfen Abschluss, wie die vorige, nach deren Ende die Kunstübung fast überall ihre Wohnsitze veränderte. Aegina freilich verschwindet, weil es ein selbstständiger Staat zu sein aufhört, auch aus der Ge- schichte der Kunst. Argos nebst Sikyon aber und Athen be- haupten in der folgenden Zeit noch weit ausschliesslicher ihre Herrschaft, so dass, was ausserhalb dieser Mittelpunkte steht, nur in geringem Maasse unsere Aufmerksamkeit zu fesseln vermag.
Blicken wir nun auf die Summe unserer Ergebnisse zurück, so erscheint es gewiss gerechtfertigt, wenn wir im Eingange sagten, dass wir diese Periode mit dem Gefühl nicht befriedigter Erwartung verlassen müssen. Wollen wir aus dem, was spä- ter sich ereignet, rückwärts schliessen, so möchten wir vieles mit Bestimmtheit annehmen, was sich im Kunstleben dieser Zeit zugetragen haben muss. Aber uns fehlen die Mittel es zu beweisen und im Einzelnen darzuthun. Wir befinden uns in der Nähe des Höhepunktes, fast ohne es zu ahnen. Nun ist es wohl wahr, dass der letzte Schritt zur Vollendung auch der gewaltigste zu sein pflegt. Allein behaupten zu wollen,
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Bronzebilder, endlich noch Xoana von Laphaës und Hermon,
ein Goldelfenbeinbild von Menaechmos und Soïdas. Nur in
Athen begegnen wir ausser den Elfenbein- und Holzbildern
des Endoeos auch noch dem Marmor. Dieses aus den Nach-
richten über die Künstler gewonnene Resultat scheint nun
zwar im Gegensatze zu stehen mit den erhaltenen Monumen-
ten. Denn die bedeutendsten Marmorwerke dieser Periode
sind gerade die aeginetischen Giebelstatuen. Allein wir dürfen
nicht vergessen, dass diese mit der Architektur in Verbindung
stehen, und dass dadurch der Stoff bedingt ist. Dies ist bei
den athenischen Marmorwerken nicht der Fall, so wenig wie
bei den Bronzen aller andern Schulen. Das gewonnene Re-
sultat behält also seine Bedeutung überall, wo die Wahl des
Stoffes frei war. Seine Richtigkeit aber wird sich noch mehr
dadurch bewähren, dass es seine Geltung auch über diese Pe-
riode hinaus gerade in der Blüthezeit der griechischen Kunst
behauptet.
Ueberhaupt bildet, wenn wir auf die äussere Geschichte
sehen, diese Periode nicht einen so scharfen Abschluss, wie
die vorige, nach deren Ende die Kunstübung fast überall ihre
Wohnsitze veränderte. Aegina freilich verschwindet, weil es
ein selbstständiger Staat zu sein aufhört, auch aus der Ge-
schichte der Kunst. Argos nebst Sikyon aber und Athen be-
haupten in der folgenden Zeit noch weit ausschliesslicher ihre
Herrschaft, so dass, was ausserhalb dieser Mittelpunkte steht,
nur in geringem Maasse unsere Aufmerksamkeit zu fesseln
vermag.
Blicken wir nun auf die Summe unserer Ergebnisse zurück,
so erscheint es gewiss gerechtfertigt, wenn wir im Eingange
sagten, dass wir diese Periode mit dem Gefühl nicht befriedigter
Erwartung verlassen müssen. Wollen wir aus dem, was spä-
ter sich ereignet, rückwärts schliessen, so möchten wir vieles
mit Bestimmtheit annehmen, was sich im Kunstleben dieser
Zeit zugetragen haben muss. Aber uns fehlen die Mittel es
zu beweisen und im Einzelnen darzuthun. Wir befinden uns
in der Nähe des Höhepunktes, fast ohne es zu ahnen. Nun
ist es wohl wahr, dass der letzte Schritt zur Vollendung auch
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/137>, abgerufen am 24.11.2024.
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