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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Die Resultate, welche sich aus den bisherigen Unter-
suchungen ziehen lassen, sind sehr allgemeiner Art. Der Um-
fang der künstlerischen Thätigkeit erweitert sich immer mehr,
aber nicht regellos, sondern allmählig und in sehr bestimmten
Richtungen. Eine Hauptaufgabe bildet immer noch die Dar-
stellung der Götter. Unter den grossen olympischen Göttern
ist keiner, den wir nicht ein- oder einigemale unter den Wer-
ken dieser Periode gefunden; und wenn nicht als ganz selbst-
ständiges Tempelbild, so doch wenigstens in Vereinigung mit
andern als religiöses Weihgeschenk. Dagegen ist die Bildung
der untergeordneten Götter und göttlichen Wesen noch sehr
beschränkt und von dem, was später üblich ward, durchaus
verschieden. Die mannigfachen Gestalten aus dem Kreise des
Dionysos, des Poseidon und anderer Götter, die zwar auch für
sich allein eine Geltung haben, aber doch mehr ein Ausfluss
aus dem Wesen einer höheren Gottheit sind, die sich einem
allgemeineren Begriffe, wie Zeit, Schicksal, dem Wirken einer
Naturkraft, Licht, Wasser, unterordnen lassen, sind der bil-
denden Kunst, wenigstens der statuarischen, noch fremd.
Nur ein kleiner Kreis bildet eine Ausnahme: es sind die Cha-
riten, Horen, Moeren und etwa noch die Musen und Sirenen,
also sämmtlich bestimmt abgeschlossene Frauengruppen, die
abgesehen von dieser äusserlichen Aehnlichkeit auch in ihrem
inneren Wesen manche Analogie verrathen. Ihre Geltung aber
in dieser älteren Zeit ist von der späteren Ausbildung weit ver-
schieden. Die Chariten sind nicht jene späteren Begleiterinnen
der Aphrodite, wir finden sie auf den Händen des delischen
Apollo, im Tempel der Nemeses zu Smyrna, wie im Vorhof
der Athene von Erythrae; die Horen sind nicht die einfachen
Göttinnen der verschiedenen Jahreszeiten: sie stehen ebenfalls
im Vorhof der Athene im Tempel der Hera zu Olympia. Die
Sirenen erblicken wir auf der Hand der Hera; die Moeren nur
einmal mit den Horen, und die Horen mit den Musen auf dem
Grabe des Hyakinthos im Tempel zu Amyklae. Die Musen
des Ageladas, Kanachos und Aristokles erscheinen uns zwar
selbstständig, allein wo, in welcher Verbindung sie aufgestellt
waren, wissen wir nicht. In allen übrigen Fällen sind diese
sämmtlichen Frauenvereine nicht um ihrer selbst willen da,
sondern in engster und naher Beziehung zu andern grösseren
Gottheiten und zu bestimmten Handlungen. Wir dürfen uns

Die Resultate, welche sich aus den bisherigen Unter-
suchungen ziehen lassen, sind sehr allgemeiner Art. Der Um-
fang der künstlerischen Thätigkeit erweitert sich immer mehr,
aber nicht regellos, sondern allmählig und in sehr bestimmten
Richtungen. Eine Hauptaufgabe bildet immer noch die Dar-
stellung der Götter. Unter den grossen olympischen Göttern
ist keiner, den wir nicht ein- oder einigemale unter den Wer-
ken dieser Periode gefunden; und wenn nicht als ganz selbst-
ständiges Tempelbild, so doch wenigstens in Vereinigung mit
andern als religiöses Weihgeschenk. Dagegen ist die Bildung
der untergeordneten Götter und göttlichen Wesen noch sehr
beschränkt und von dem, was später üblich ward, durchaus
verschieden. Die mannigfachen Gestalten aus dem Kreise des
Dionysos, des Poseidon und anderer Götter, die zwar auch für
sich allein eine Geltung haben, aber doch mehr ein Ausfluss
aus dem Wesen einer höheren Gottheit sind, die sich einem
allgemeineren Begriffe, wie Zeit, Schicksal, dem Wirken einer
Naturkraft, Licht, Wasser, unterordnen lassen, sind der bil-
denden Kunst, wenigstens der statuarischen, noch fremd.
Nur ein kleiner Kreis bildet eine Ausnahme: es sind die Cha-
riten, Horen, Moeren und etwa noch die Musen und Sirenen,
also sämmtlich bestimmt abgeschlossene Frauengruppen, die
abgesehen von dieser äusserlichen Aehnlichkeit auch in ihrem
inneren Wesen manche Analogie verrathen. Ihre Geltung aber
in dieser älteren Zeit ist von der späteren Ausbildung weit ver-
schieden. Die Chariten sind nicht jene späteren Begleiterinnen
der Aphrodite, wir finden sie auf den Händen des delischen
Apollo, im Tempel der Nemeses zu Smyrna, wie im Vorhof
der Athene von Erythrae; die Horen sind nicht die einfachen
Göttinnen der verschiedenen Jahreszeiten: sie stehen ebenfalls
im Vorhof der Athene im Tempel der Hera zu Olympia. Die
Sirenen erblicken wir auf der Hand der Hera; die Moeren nur
einmal mit den Horen, und die Horen mit den Musen auf dem
Grabe des Hyakinthos im Tempel zu Amyklae. Die Musen
des Ageladas, Kanachos und Aristokles erscheinen uns zwar
selbstständig, allein wo, in welcher Verbindung sie aufgestellt
waren, wissen wir nicht. In allen übrigen Fällen sind diese
sämmtlichen Frauenvereine nicht um ihrer selbst willen da,
sondern in engster und naher Beziehung zu andern grösseren
Gottheiten und zu bestimmten Handlungen. Wir dürfen uns

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[119/0132] Die Resultate, welche sich aus den bisherigen Unter- suchungen ziehen lassen, sind sehr allgemeiner Art. Der Um- fang der künstlerischen Thätigkeit erweitert sich immer mehr, aber nicht regellos, sondern allmählig und in sehr bestimmten Richtungen. Eine Hauptaufgabe bildet immer noch die Dar- stellung der Götter. Unter den grossen olympischen Göttern ist keiner, den wir nicht ein- oder einigemale unter den Wer- ken dieser Periode gefunden; und wenn nicht als ganz selbst- ständiges Tempelbild, so doch wenigstens in Vereinigung mit andern als religiöses Weihgeschenk. Dagegen ist die Bildung der untergeordneten Götter und göttlichen Wesen noch sehr beschränkt und von dem, was später üblich ward, durchaus verschieden. Die mannigfachen Gestalten aus dem Kreise des Dionysos, des Poseidon und anderer Götter, die zwar auch für sich allein eine Geltung haben, aber doch mehr ein Ausfluss aus dem Wesen einer höheren Gottheit sind, die sich einem allgemeineren Begriffe, wie Zeit, Schicksal, dem Wirken einer Naturkraft, Licht, Wasser, unterordnen lassen, sind der bil- denden Kunst, wenigstens der statuarischen, noch fremd. Nur ein kleiner Kreis bildet eine Ausnahme: es sind die Cha- riten, Horen, Moeren und etwa noch die Musen und Sirenen, also sämmtlich bestimmt abgeschlossene Frauengruppen, die abgesehen von dieser äusserlichen Aehnlichkeit auch in ihrem inneren Wesen manche Analogie verrathen. Ihre Geltung aber in dieser älteren Zeit ist von der späteren Ausbildung weit ver- schieden. Die Chariten sind nicht jene späteren Begleiterinnen der Aphrodite, wir finden sie auf den Händen des delischen Apollo, im Tempel der Nemeses zu Smyrna, wie im Vorhof der Athene von Erythrae; die Horen sind nicht die einfachen Göttinnen der verschiedenen Jahreszeiten: sie stehen ebenfalls im Vorhof der Athene im Tempel der Hera zu Olympia. Die Sirenen erblicken wir auf der Hand der Hera; die Moeren nur einmal mit den Horen, und die Horen mit den Musen auf dem Grabe des Hyakinthos im Tempel zu Amyklae. Die Musen des Ageladas, Kanachos und Aristokles erscheinen uns zwar selbstständig, allein wo, in welcher Verbindung sie aufgestellt waren, wissen wir nicht. In allen übrigen Fällen sind diese sämmtlichen Frauenvereine nicht um ihrer selbst willen da, sondern in engster und naher Beziehung zu andern grösseren Gottheiten und zu bestimmten Handlungen. Wir dürfen uns

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/132>, abgerufen am 22.11.2024.