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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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des Kallon mit denen des Gitiades in Verbindung brachte; und
ebenso entstände neue Verwirrung in der zweiten Stelle: der
Gegensatz zwischen den älteren und den neueren Dreifüssen, der
selbst in der durchaus veränderten Construction von Aristan-
dros an deutlich hervortritt, verlöre seine Bestimmtheit, in-
dem ohne irgend eine Motivirung ein neues Mittelglied einge-
schoben würde. Es bleibt demnach nur ein Ausweg, der aller-
dings kühn und gewagt erscheinen mag, aber sich doch durch
mancherlei Umstände rechtfertigen lässt. Pausanias spricht
bei der Beschreibung von Amyklae, also im Angesicht der
Werke selbst, nur allgemein vom messenischen Kriege. Erst
später bei der Geschichte des ersten derselben fällt es ihm
ein, gerade mit diesem die Dreifüsse in Verbindung zu setzen.
Die Namen der Künstler scheinen damals seinem Gedächtnisse
bereits entschwunden gewesen zu sein. Dagegen mochte er
die Erinnerung an den Fall Ithomes als entscheidend für den
Ausgang des Krieges bewahrt haben. Allein an Ithomes Fall
knüpft sich nicht weniger das Ende des dritten, als des ersten
messenischen Krieges. Wir wagen daher die Vermuthung aus-
zusprechen, dass dadurch Pausanias zu dem Irrthume veran-
lasst ward, auf den ersten zu beziehen, was dem dritten an-
gehört. Nicht viel geringer ist das Versehen, welches ihm
zur Last fällt, indem er die Messenier nicht erst Ol. 71, son-
dern sogleich nach Beendigung des zweiten Krieges Ol. 29
nach Messene in Sicilien übersiedeln lässt1). Gerade in Be-
treff der Künstlergeschichte haben wir aber schon häufig be-
merken müssen, dass sein Urtheil über die Zeit alles dessen,
was die Kunst vor Phidias angeht, durchaus schwankend ist
und sich durchgängig vielmehr nach äusseren Thatsachen, als
nach einer durchgebildeten Ansicht über den Entwickelungs-
gang der Kunst bestimmt. Hatte er aber, wie wir vermuthen,
beim Niederschreiben der zweiten Stelle die Namen der
Künstler bereits vergessen, so ist noch dazu in diesem Falle
sein Irrthum von den übrigen Nachrichten über dieselben ganz
unabhängig.

Sonach nehmen wir an, dass Kallon nach dem Falle Itho-
mes Ol. 81, 2 wenn auch in hohem Alter, noch thätig war
und etwa Ol. 70 sich in der Schule des Tektaeos und Ange-

1) Paus. IV, 23, 2--3.

des Kallon mit denen des Gitiades in Verbindung brachte; und
ebenso entstände neue Verwirrung in der zweiten Stelle: der
Gegensatz zwischen den älteren und den neueren Dreifüssen, der
selbst in der durchaus veränderten Construction von Ἀρίσταν-
δρος an deutlich hervortritt, verlöre seine Bestimmtheit, in-
dem ohne irgend eine Motivirung ein neues Mittelglied einge-
schoben würde. Es bleibt demnach nur ein Ausweg, der aller-
dings kühn und gewagt erscheinen mag, aber sich doch durch
mancherlei Umstände rechtfertigen lässt. Pausanias spricht
bei der Beschreibung von Amyklae, also im Angesicht der
Werke selbst, nur allgemein vom messenischen Kriege. Erst
später bei der Geschichte des ersten derselben fällt es ihm
ein, gerade mit diesem die Dreifüsse in Verbindung zu setzen.
Die Namen der Künstler scheinen damals seinem Gedächtnisse
bereits entschwunden gewesen zu sein. Dagegen mochte er
die Erinnerung an den Fall Ithomes als entscheidend für den
Ausgang des Krieges bewahrt haben. Allein an Ithomes Fall
knüpft sich nicht weniger das Ende des dritten, als des ersten
messenischen Krieges. Wir wagen daher die Vermuthung aus-
zusprechen, dass dadurch Pausanias zu dem Irrthume veran-
lasst ward, auf den ersten zu beziehen, was dem dritten an-
gehört. Nicht viel geringer ist das Versehen, welches ihm
zur Last fällt, indem er die Messenier nicht erst Ol. 71, son-
dern sogleich nach Beendigung des zweiten Krieges Ol. 29
nach Messene in Sicilien übersiedeln lässt1). Gerade in Be-
treff der Künstlergeschichte haben wir aber schon häufig be-
merken müssen, dass sein Urtheil über die Zeit alles dessen,
was die Kunst vor Phidias angeht, durchaus schwankend ist
und sich durchgängig vielmehr nach äusseren Thatsachen, als
nach einer durchgebildeten Ansicht über den Entwickelungs-
gang der Kunst bestimmt. Hatte er aber, wie wir vermuthen,
beim Niederschreiben der zweiten Stelle die Namen der
Künstler bereits vergessen, so ist noch dazu in diesem Falle
sein Irrthum von den übrigen Nachrichten über dieselben ganz
unabhängig.

Sonach nehmen wir an, dass Kallon nach dem Falle Itho-
mes Ol. 81, 2 wenn auch in hohem Alter, noch thätig war
und etwa Ol. 70 sich in der Schule des Tektaeos und Ange-

1) Paus. IV, 23, 2—3.
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[87/0100] des Kallon mit denen des Gitiades in Verbindung brachte; und ebenso entstände neue Verwirrung in der zweiten Stelle: der Gegensatz zwischen den älteren und den neueren Dreifüssen, der selbst in der durchaus veränderten Construction von Ἀρίσταν- δρος an deutlich hervortritt, verlöre seine Bestimmtheit, in- dem ohne irgend eine Motivirung ein neues Mittelglied einge- schoben würde. Es bleibt demnach nur ein Ausweg, der aller- dings kühn und gewagt erscheinen mag, aber sich doch durch mancherlei Umstände rechtfertigen lässt. Pausanias spricht bei der Beschreibung von Amyklae, also im Angesicht der Werke selbst, nur allgemein vom messenischen Kriege. Erst später bei der Geschichte des ersten derselben fällt es ihm ein, gerade mit diesem die Dreifüsse in Verbindung zu setzen. Die Namen der Künstler scheinen damals seinem Gedächtnisse bereits entschwunden gewesen zu sein. Dagegen mochte er die Erinnerung an den Fall Ithomes als entscheidend für den Ausgang des Krieges bewahrt haben. Allein an Ithomes Fall knüpft sich nicht weniger das Ende des dritten, als des ersten messenischen Krieges. Wir wagen daher die Vermuthung aus- zusprechen, dass dadurch Pausanias zu dem Irrthume veran- lasst ward, auf den ersten zu beziehen, was dem dritten an- gehört. Nicht viel geringer ist das Versehen, welches ihm zur Last fällt, indem er die Messenier nicht erst Ol. 71, son- dern sogleich nach Beendigung des zweiten Krieges Ol. 29 nach Messene in Sicilien übersiedeln lässt 1). Gerade in Be- treff der Künstlergeschichte haben wir aber schon häufig be- merken müssen, dass sein Urtheil über die Zeit alles dessen, was die Kunst vor Phidias angeht, durchaus schwankend ist und sich durchgängig vielmehr nach äusseren Thatsachen, als nach einer durchgebildeten Ansicht über den Entwickelungs- gang der Kunst bestimmt. Hatte er aber, wie wir vermuthen, beim Niederschreiben der zweiten Stelle die Namen der Künstler bereits vergessen, so ist noch dazu in diesem Falle sein Irrthum von den übrigen Nachrichten über dieselben ganz unabhängig. Sonach nehmen wir an, dass Kallon nach dem Falle Itho- mes Ol. 81, 2 wenn auch in hohem Alter, noch thätig war und etwa Ol. 70 sich in der Schule des Tektaeos und Ange- 1) Paus. IV, 23, 2—3.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/100>, abgerufen am 24.11.2024.