Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 1. 6. Aufl. Leipzig, 1913.
Ber Wiener Bankhauses verlor der Vatersein großes Vermögen u. rettete nur soviel, um sich in Kroatien als Zivil- ingenieur etablieren zu können. Jn diesem romantischen Lande verlebte Marie ihre Kindheit, u. hier empfing sie die ersten, tiefpoetischen Naturein- drücke, die sich später in ihren Werken widerspiegeln. Sie verheiratete sich in erster Ehe mit dem französischen Rechtsanwalt Charles Lenger Mar- let, an dessen Seite sie große Welt- reisen unternahm, die sie nach allen Jnseln des Mittelmeers u. nach Nord- afrika führten, und die ihr Talent für ethnographische Schilderungen zur Entfaltung brachten. Sie wurde nun eine gesuchte Mitarbeiterin her- vorragender in- und ausländischer Tagesblätter. Mit besonderer Vor- liebe studierte sie das Wesen der Zigeuner, wozu sie während ihres Aufenthaltes in Ungarn hinreichend Gelegenheit hatte, und lieferte in den Blättern wertvolle Beiträge zur Kenntnis dieses Wandervolkes. Da- für ernannten sie die engl. Gesellschaft Gypsy Lore Society, die Academie des Palmiers in Paris zu Mitgliedern u. die ungarische ethnographische Ge- sellschaft zu ihrer Referentin. Nach dem Tode ihres Gatten lebte die Schriftstellerin in Graz u. ging 1894 eine zweite Ehe ein, mit dem österr. Reichstagsabgeordn. Hugo Reichs- ritter von Berks; seitdem hat sie ihren Wohnsitz auf Schloß Reifenstein bei St. Georgen in Steiermark, wo ihr am 6. April 1906 der Tod den Gatten von der Seite riß. S: Aus Ber Berla, Alois, hieß mit seinem S: Gervinus der Narr vom Unters- *
Ber Wiener Bankhauſes verlor der Vaterſein großes Vermögen u. rettete nur ſoviel, um ſich in Kroatien als Zivil- ingenieur etablieren zu können. Jn dieſem romantiſchen Lande verlebte Marie ihre Kindheit, u. hier empfing ſie die erſten, tiefpoetiſchen Naturein- drücke, die ſich ſpäter in ihren Werken widerſpiegeln. Sie verheiratete ſich in erſter Ehe mit dem franzöſiſchen Rechtsanwalt Charles Lenger Mar- let, an deſſen Seite ſie große Welt- reiſen unternahm, die ſie nach allen Jnſeln des Mittelmeers u. nach Nord- afrika führten, und die ihr Talent für ethnographiſche Schilderungen zur Entfaltung brachten. Sie wurde nun eine geſuchte Mitarbeiterin her- vorragender in- und ausländiſcher Tagesblätter. Mit beſonderer Vor- liebe ſtudierte ſie das Weſen der Zigeuner, wozu ſie während ihres Aufenthaltes in Ungarn hinreichend Gelegenheit hatte, und lieferte in den Blättern wertvolle Beiträge zur Kenntnis dieſes Wandervolkes. Da- für ernannten ſie die engl. Geſellſchaft Gypsy Lore Society, die Académie des Palmiers in Paris zu Mitgliedern u. die ungariſche ethnographiſche Ge- ſellſchaft zu ihrer Referentin. Nach dem Tode ihres Gatten lebte die Schriftſtellerin in Graz u. ging 1894 eine zweite Ehe ein, mit dem öſterr. Reichstagsabgeordn. Hugo Reichs- ritter von Berks; ſeitdem hat ſie ihren Wohnſitz auf Schloß Reifenſtein bei St. Georgen in Steiermark, wo ihr am 6. April 1906 der Tod den Gatten von der Seite riß. S: Aus Ber Berla, Alois, hieß mit ſeinem S: Gervinus der Narr vom Unters- *
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Ber
Ber
Wiener Bankhauſes verlor der Vater
ſein großes Vermögen u. rettete nur
ſoviel, um ſich in Kroatien als Zivil-
ingenieur etablieren zu können. Jn
dieſem romantiſchen Lande verlebte
Marie ihre Kindheit, u. hier empfing
ſie die erſten, tiefpoetiſchen Naturein-
drücke, die ſich ſpäter in ihren Werken
widerſpiegeln. Sie verheiratete ſich
in erſter Ehe mit dem franzöſiſchen
Rechtsanwalt Charles Lenger Mar-
let, an deſſen Seite ſie große Welt-
reiſen unternahm, die ſie nach allen
Jnſeln des Mittelmeers u. nach Nord-
afrika führten, und die ihr Talent
für ethnographiſche Schilderungen
zur Entfaltung brachten. Sie wurde
nun eine geſuchte Mitarbeiterin her-
vorragender in- und ausländiſcher
Tagesblätter. Mit beſonderer Vor-
liebe ſtudierte ſie das Weſen der
Zigeuner, wozu ſie während ihres
Aufenthaltes in Ungarn hinreichend
Gelegenheit hatte, und lieferte in
den Blättern wertvolle Beiträge zur
Kenntnis dieſes Wandervolkes. Da-
für ernannten ſie die engl. Geſellſchaft
Gypsy Lore Society, die Académie
des Palmiers in Paris zu Mitgliedern
u. die ungariſche ethnographiſche Ge-
ſellſchaft zu ihrer Referentin. Nach
dem Tode ihres Gatten lebte die
Schriftſtellerin in Graz u. ging 1894
eine zweite Ehe ein, mit dem öſterr.
Reichstagsabgeordn. Hugo Reichs-
ritter von Berks; ſeitdem hat ſie
ihren Wohnſitz auf Schloß Reifenſtein
bei St. Georgen in Steiermark, wo
ihr am 6. April 1906 der Tod den
Gatten von der Seite riß.
S: Aus
den Edelhöfen des Balkan (Nn.), 1887.
– Südſlawiſche Frauen. Auf Höhen
und Tiefen der Balkanländer, 1888. –
Pſyche (Lſp.), 1890. – Das Hochzeitslied
(Lſp.), 1890. – Ein Goldſtück (Schſp.),
1890. – Vom Pariſer Macadam (Nn.
u. Sk.), 1897. – Die Sünderin (R. a.
d. öſterreichiſchen Geſellſchaft), 1907. –
Geſtrandet (R. a. d. Geſellſchaft), 1908.
– Jns Bad (Milit.-humor. R.), 1909.
Berla, Alois, hieß mit ſeinem
bürgerlichen Namen Scheichel und
wurde am 7. März 1826 zu Wien ge-
boren. Er widmete ſich zuerſt muſika-
liſchen Studien, wurde Schauſpieler
u. Sänger und ging bald zur drama-
tiſchen Schriftſtellerei über. Jm Jahre
1847 ſchrieb er ſein erſtes Stück „Der
letzte Zopf“, deſſen erfolgreiche Dar-
ſtellung im Deutſchen Theater zu Peſt
ihm im Herbſte d. J. ein Engagement
als Dramaturg am Theater an der
Wien brachte. Seit dieſer Zeit hat er
über 80 den Abend füllende u. mehr
als 50 einaktige Theaterſtücke ver-
ſchiedenſten Genres verfaßt, auch eine
große Anzahl fremdländiſcher u. nord-
deutſcher Bühnenwerke bearbeitet. Bis
in ſein Alter hinein rüſtig u. geſund,
ſtarb er nach kurzem Leiden an der
Geſichtsroſe am 16. (n. a. 17.) Febr.
1896. Erſchienen ſind im Buchhandel
S: Gervinus der Narr vom Unters-
berg (P.), 1854. – Eine Ausnahme von
der Regel (Lſp.), 1862. – Der Zigeuner
(Genrebild), 1862. – Das tägliche
Brot (Charakterbild), 1863. – Der
Strohwitwer (P.), 1863. – Die Jung-
fer Tant’ (Volksſt.), 1865. – Ein
Faſchingsſouper (P.), 1867. – Unſere
Lehrbuben (P.), 1867. – Die von der
Nadel (Volksſt.), 1867. – Verdächtig!
oder: Der Herr Vetter (P.), 1867. –
Die neue Wirtſchafterin (P.), 1867. –
Enge Sperre, oder: Die Hungerkur
(Schw.), 1868. – Die Kindsmadeln
(P.), 1868. – Das Herzbünkerl (Cha-
rakterbild), 1868. – Das Gänſemäd-
chen auf der Brandſtatt (P.), 1868. –
Choriſt u. Ballettmädel (P.), 1868. –
Aufgeſeſſen (Scherz m. Geſ.), 1869. –
Die Einſchleicher (Schw.), 1869. –
Freigeſprochen (Genrebild), 1869. –
Gasflamme u. Schuſterkerze (Volks-
bild), 1869. – Die Gewerbsfreiheit
(P.), 1869. – Ein kleines Mißverſtänd-
nis (P.), 1870. – Die Kinder von
Ungefähr (Lebensbild), 1871. – Drei
Paar Schuhe (Lebensbild, bearb.),
1872.
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