gab. Der Hochzeittag wurde bestimmt, und kam auch wirklich, als der Sergeant an eben demselben Morgen plötzlich Befehl erhielt, mit seinem Detasche- ment nach Riga zu marschiren, wodurch er denn ver- hindert wurde, seine geliebte Braut zu erhalten. Kurz darauf kam der General Bauer mit einer Ar- mee vor dieser Stadt, und nahm sie 1702 ein, da denn alle Einwohner, und unter andern auch diese lie- benswürdige Braut zu Gefangenen gemacht wurden. Als der General sie unter dem Volke, das sich über sein unglückliches Schicksal in Thränen badete, ge- wahr wurde, so sahe er, ich weiß nicht was, in ihrer ganzen Gestalt, das ihn bewegte, verschiedene Fragen wegen ihres Zustandes an sie zu thun, die sie mit mehr Verstande, als bey Personen von ihrem Stande gewöhnlich war, beantwortete. Er bat sie daher, sich nicht zu fürchten, denn er wolle selbst für sie sor- gen, und gab so gleich Befehl, sie in sein Haus zu nehmen, worüber er ihr die ganze Aufsicht übergab, und sie über seine ganze Bedienung setzte, von welcher sie auch, weil sie freundlich mit denselben umgieng, sehr geliebt wurde. Der General hat hernach öfters gesagt, daß sein Haus niemals so gut bestellt gewesen, als da er sie bey sich gehabt habe.
Da der Fürst Menzikof, der des Generals Gönner war, sie einmal in dessen Hause sahe, und etwas sehr außerordentliches in ihrer Miene und Ver- halten wahrnahm, so fragte er, wer sie sey, und auf was für einem Fuße sie sich bey ihm befinde. Der General sagte ihm das, was bereits erzählet worden, und zwar mit vielen Lobeserhebungen über ihre Ver- dienste und Verhalten in seinem Hause. Der Fürst
sagte,
gab. Der Hochzeittag wurde beſtimmt, und kam auch wirklich, als der Sergeant an eben demſelben Morgen ploͤtzlich Befehl erhielt, mit ſeinem Detaſche- ment nach Riga zu marſchiren, wodurch er denn ver- hindert wurde, ſeine geliebte Braut zu erhalten. Kurz darauf kam der General Bauer mit einer Ar- mee vor dieſer Stadt, und nahm ſie 1702 ein, da denn alle Einwohner, und unter andern auch dieſe lie- benswuͤrdige Braut zu Gefangenen gemacht wurden. Als der General ſie unter dem Volke, das ſich uͤber ſein ungluͤckliches Schickſal in Thraͤnen badete, ge- wahr wurde, ſo ſahe er, ich weiß nicht was, in ihrer ganzen Geſtalt, das ihn bewegte, verſchiedene Fragen wegen ihres Zuſtandes an ſie zu thun, die ſie mit mehr Verſtande, als bey Perſonen von ihrem Stande gewoͤhnlich war, beantwortete. Er bat ſie daher, ſich nicht zu fuͤrchten, denn er wolle ſelbſt fuͤr ſie ſor- gen, und gab ſo gleich Befehl, ſie in ſein Haus zu nehmen, woruͤber er ihr die ganze Aufſicht uͤbergab, und ſie uͤber ſeine ganze Bedienung ſetzte, von welcher ſie auch, weil ſie freundlich mit denſelben umgieng, ſehr geliebt wurde. Der General hat hernach oͤfters geſagt, daß ſein Haus niemals ſo gut beſtellt geweſen, als da er ſie bey ſich gehabt habe.
Da der Fuͤrſt Menzikof, der des Generals Goͤnner war, ſie einmal in deſſen Hauſe ſahe, und etwas ſehr außerordentliches in ihrer Miene und Ver- halten wahrnahm, ſo fragte er, wer ſie ſey, und auf was fuͤr einem Fuße ſie ſich bey ihm befinde. Der General ſagte ihm das, was bereits erzaͤhlet worden, und zwar mit vielen Lobeserhebungen uͤber ihre Ver- dienſte und Verhalten in ſeinem Hauſe. Der Fuͤrſt
ſagte,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0096"n="86"/>
gab. Der Hochzeittag wurde beſtimmt, und kam<lb/>
auch wirklich, als der Sergeant an eben demſelben<lb/>
Morgen ploͤtzlich Befehl erhielt, mit ſeinem Detaſche-<lb/>
ment nach Riga zu marſchiren, wodurch er denn ver-<lb/>
hindert wurde, ſeine geliebte Braut zu erhalten.<lb/>
Kurz darauf kam der General Bauer mit einer Ar-<lb/>
mee vor dieſer Stadt, und nahm ſie 1702 ein, da<lb/>
denn alle Einwohner, und unter andern auch dieſe lie-<lb/>
benswuͤrdige Braut zu Gefangenen gemacht wurden.<lb/>
Als der General ſie unter dem Volke, das ſich uͤber<lb/>ſein ungluͤckliches Schickſal in Thraͤnen badete, ge-<lb/>
wahr wurde, ſo ſahe er, ich weiß nicht was, in ihrer<lb/>
ganzen Geſtalt, das ihn bewegte, verſchiedene Fragen<lb/>
wegen ihres Zuſtandes an ſie zu thun, die ſie mit<lb/>
mehr Verſtande, als bey Perſonen von ihrem Stande<lb/>
gewoͤhnlich war, beantwortete. Er bat ſie daher,<lb/>ſich nicht zu fuͤrchten, denn er wolle ſelbſt fuͤr ſie ſor-<lb/>
gen, und gab ſo gleich Befehl, ſie in ſein Haus zu<lb/>
nehmen, woruͤber er ihr die ganze Aufſicht uͤbergab,<lb/>
und ſie uͤber ſeine ganze Bedienung ſetzte, von welcher<lb/>ſie auch, weil ſie freundlich mit denſelben umgieng,<lb/>ſehr geliebt wurde. Der General hat hernach oͤfters<lb/>
geſagt, daß ſein Haus niemals ſo gut beſtellt geweſen,<lb/>
als da er ſie bey ſich gehabt habe.</p><lb/><p>Da der Fuͤrſt Menzikof, der des Generals<lb/>
Goͤnner war, ſie einmal in deſſen Hauſe ſahe, und<lb/>
etwas ſehr außerordentliches in ihrer Miene und Ver-<lb/>
halten wahrnahm, ſo fragte er, wer ſie ſey, und auf<lb/>
was fuͤr einem Fuße ſie ſich bey ihm befinde. Der<lb/>
General ſagte ihm das, was bereits erzaͤhlet worden,<lb/>
und zwar mit vielen Lobeserhebungen uͤber ihre Ver-<lb/>
dienſte und Verhalten in ſeinem Hauſe. Der Fuͤrſt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſagte,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[86/0096]
gab. Der Hochzeittag wurde beſtimmt, und kam
auch wirklich, als der Sergeant an eben demſelben
Morgen ploͤtzlich Befehl erhielt, mit ſeinem Detaſche-
ment nach Riga zu marſchiren, wodurch er denn ver-
hindert wurde, ſeine geliebte Braut zu erhalten.
Kurz darauf kam der General Bauer mit einer Ar-
mee vor dieſer Stadt, und nahm ſie 1702 ein, da
denn alle Einwohner, und unter andern auch dieſe lie-
benswuͤrdige Braut zu Gefangenen gemacht wurden.
Als der General ſie unter dem Volke, das ſich uͤber
ſein ungluͤckliches Schickſal in Thraͤnen badete, ge-
wahr wurde, ſo ſahe er, ich weiß nicht was, in ihrer
ganzen Geſtalt, das ihn bewegte, verſchiedene Fragen
wegen ihres Zuſtandes an ſie zu thun, die ſie mit
mehr Verſtande, als bey Perſonen von ihrem Stande
gewoͤhnlich war, beantwortete. Er bat ſie daher,
ſich nicht zu fuͤrchten, denn er wolle ſelbſt fuͤr ſie ſor-
gen, und gab ſo gleich Befehl, ſie in ſein Haus zu
nehmen, woruͤber er ihr die ganze Aufſicht uͤbergab,
und ſie uͤber ſeine ganze Bedienung ſetzte, von welcher
ſie auch, weil ſie freundlich mit denſelben umgieng,
ſehr geliebt wurde. Der General hat hernach oͤfters
geſagt, daß ſein Haus niemals ſo gut beſtellt geweſen,
als da er ſie bey ſich gehabt habe.
Da der Fuͤrſt Menzikof, der des Generals
Goͤnner war, ſie einmal in deſſen Hauſe ſahe, und
etwas ſehr außerordentliches in ihrer Miene und Ver-
halten wahrnahm, ſo fragte er, wer ſie ſey, und auf
was fuͤr einem Fuße ſie ſich bey ihm befinde. Der
General ſagte ihm das, was bereits erzaͤhlet worden,
und zwar mit vielen Lobeserhebungen uͤber ihre Ver-
dienſte und Verhalten in ſeinem Hauſe. Der Fuͤrſt
ſagte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/96>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.