ringste davon wußte, indem er seine gefährliche Unter- nehmung eben antreten wollte, welche aber nunmehr von der Czarinn gehindert ward, indem sie ihm melde- te, daß der Groß-Vezier geneigt sey, auf billige Be- dingungen Frieden zu schließen. Dieses Beyspiel weiblicher Klugheit ward von der pünktlichsten Erfül- lung ihres Versprechens begleitet, indem sie nach ih- rer Rückkunft das entlehnte Geld, Geschmeide u. s. f. richtig wieder bezahlte. Die vornehmsten Bedingun- gen des Friedens von unserer Seite waren, daß wir den Türken Azoph, Taganrock und Caminieck abtreten, und unsere Truppen aus Pohlen ziehen sollten, zu des- sen Sicherheit der Vice-Kanzler Schaffirow und der General-Major Tscheremetof als Geißel ausgehändi- get wurden. Sie bestanden auch darauf, daß der Fürst Cantemir von der Moldau ihnen ausgeliefert werden sollte; allein man gab vor, daß er bereits das Lager verlassen habe, welches denn auch die meisten bey unserer Armee glaubten, denn so bald man den Vergleich auf die Bahn brachte, verbarg die Cza- rinn ihn in ihrer eigenen Kutsche, wovon niemand et- was wußte, als der Bediente, der ihm zu essen brach- te. Der Czar schätzte nachmals den Fürsten Cante- mir jederzeit sehr hoch, und gab ihm verschiedene Län- dereyen, sowohl in Rußland als der Ukräne, nebst ei- nem Jahrgelde von 20000 Rubeln.
Sobald der König von Schweden von dem Frie-Der König von Schwe- den über- wirft sich mit dem Groß- Vezier. densschlusse Nachricht bekam, kam er mit dem Tar- tar-Chan, mit welchem er damals auf das genaueste verbunden war, zu dem Groß-Vezier, und fragte denselben, was ihn bewogen habe, einen so übereilten Frieden zu schließen, da er doch den Czar und seine
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ringſte davon wußte, indem er ſeine gefaͤhrliche Unter- nehmung eben antreten wollte, welche aber nunmehr von der Czarinn gehindert ward, indem ſie ihm melde- te, daß der Groß-Vezier geneigt ſey, auf billige Be- dingungen Frieden zu ſchließen. Dieſes Beyſpiel weiblicher Klugheit ward von der puͤnktlichſten Erfuͤl- lung ihres Verſprechens begleitet, indem ſie nach ih- rer Ruͤckkunft das entlehnte Geld, Geſchmeide u. ſ. f. richtig wieder bezahlte. Die vornehmſten Bedingun- gen des Friedens von unſerer Seite waren, daß wir den Tuͤrken Azoph, Taganrock und Caminieck abtreten, und unſere Truppen aus Pohlen ziehen ſollten, zu deſ- ſen Sicherheit der Vice-Kanzler Schaffirow und der General-Major Tſcheremetof als Geißel ausgehaͤndi- get wurden. Sie beſtanden auch darauf, daß der Fuͤrſt Cantemir von der Moldau ihnen ausgeliefert werden ſollte; allein man gab vor, daß er bereits das Lager verlaſſen habe, welches denn auch die meiſten bey unſerer Armee glaubten, denn ſo bald man den Vergleich auf die Bahn brachte, verbarg die Cza- rinn ihn in ihrer eigenen Kutſche, wovon niemand et- was wußte, als der Bediente, der ihm zu eſſen brach- te. Der Czar ſchaͤtzte nachmals den Fuͤrſten Cante- mir jederzeit ſehr hoch, und gab ihm verſchiedene Laͤn- dereyen, ſowohl in Rußland als der Ukraͤne, nebſt ei- nem Jahrgelde von 20000 Rubeln.
Sobald der Koͤnig von Schweden von dem Frie-Der Koͤnig von Schwe- den uͤber- wirft ſich mit dem Groß- Vezier. densſchluſſe Nachricht bekam, kam er mit dem Tar- tar-Chan, mit welchem er damals auf das genaueſte verbunden war, zu dem Groß-Vezier, und fragte denſelben, was ihn bewogen habe, einen ſo uͤbereilten Frieden zu ſchließen, da er doch den Czar und ſeine
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ringſte davon wußte, indem er ſeine gefaͤhrliche Unter-
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von der Czarinn gehindert ward, indem ſie ihm melde-
te, daß der Groß-Vezier geneigt ſey, auf billige Be-
dingungen Frieden zu ſchließen. Dieſes Beyſpiel
weiblicher Klugheit ward von der puͤnktlichſten Erfuͤl-
lung ihres Verſprechens begleitet, indem ſie nach ih-
rer Ruͤckkunft das entlehnte Geld, Geſchmeide u. ſ. f.
richtig wieder bezahlte. Die vornehmſten Bedingun-
gen des Friedens von unſerer Seite waren, daß wir
den Tuͤrken Azoph, Taganrock und Caminieck abtreten,
und unſere Truppen aus Pohlen ziehen ſollten, zu deſ-
ſen Sicherheit der Vice-Kanzler Schaffirow und der
General-Major Tſcheremetof als Geißel ausgehaͤndi-
get wurden. Sie beſtanden auch darauf, daß der
Fuͤrſt Cantemir von der Moldau ihnen ausgeliefert
werden ſollte; allein man gab vor, daß er bereits das
Lager verlaſſen habe, welches denn auch die meiſten
bey unſerer Armee glaubten, denn ſo bald man den
Vergleich auf die Bahn brachte, verbarg die Cza-
rinn ihn in ihrer eigenen Kutſche, wovon niemand et-
was wußte, als der Bediente, der ihm zu eſſen brach-
te. Der Czar ſchaͤtzte nachmals den Fuͤrſten Cante-
mir jederzeit ſehr hoch, und gab ihm verſchiedene Laͤn-
dereyen, ſowohl in Rußland als der Ukraͤne, nebſt ei-
nem Jahrgelde von 20000 Rubeln.
Sobald der Koͤnig von Schweden von dem Frie-
densſchluſſe Nachricht bekam, kam er mit dem Tar-
tar-Chan, mit welchem er damals auf das genaueſte
verbunden war, zu dem Groß-Vezier, und fragte
denſelben, was ihn bewogen habe, einen ſo uͤbereilten
Frieden zu ſchließen, da er doch den Czar und ſeine
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wirft ſich mit
dem Groß-
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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/61>, abgerufen am 24.11.2024.
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