Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

durfte in dem Collegio auch keine weitere Untersu-
chung angestellt werden, und das Schicksal der Frau
blieb unbekannt. Einige Tage darauf schlich sich
ein Knabe in der Nacht in einen Garten nahe an
dem Garten der Jesuiten, Aepfel zu stehlen und sahe
bey dem Mondscheine von dem Gipfel des Baumes,
daß die heiligen Väter beschäftiget waren, einen tod-
ten Körper in ihrem Garten zu begraben. Der
Knabe, welcher wußte, daß man die Schusterfrau
vermißte, erzählte seinem Vater, was er gesehen hat-
te. Der Vater, welcher nicht weit von dem Schu-
ster wohnte, gab ihm sogleich davon Nachricht, und
beyde giengen mit dem Knaben zu dem Gouverneur,
welcher zu der Obrigkeit schickte, die sich auch in das
Collegium verfügte. Als man in den Garten kam,
zeigte der Knabe die Stelle, wo man den Körper
begraben hatte, und als man nachgrub, so fand
man wirklich die Schusterfrau mit abgeschnittener
Gurgel und ganz zerrissenen Kleidern. Die Vä-
ter stellten sich als wenn sie von der ganzen Sache
nicht das mindeste wüßten, und schoben die ganze
schändliche That auf zwey ihrer Collegen, welche
unsichtbar geworden waren. Dieß war aller Ersatz,
welchen der arme Mann für den Verlust seines Wei-
bes erhalten konnte, obgleich der Knabe betheuerte,
daß er acht Personen mit Begrabung des Körpers be-
schäftigt gesehen habe. Der Schuster, dessen Nach-
bar und sein Sohn hielten es für das Klügste, sich nach
Holland zu begeben, wo sie Protestanten wurden, um
der unbarmherzigen Rache dieser heiligen Väter zu ent-
gehen. Diese Geschichte ward mir von verschiedenen Of-
ficiers erzählt, welche damals hier in Garnison lagen.

Zweytes

durfte in dem Collegio auch keine weitere Unterſu-
chung angeſtellt werden, und das Schickſal der Frau
blieb unbekannt. Einige Tage darauf ſchlich ſich
ein Knabe in der Nacht in einen Garten nahe an
dem Garten der Jeſuiten, Aepfel zu ſtehlen und ſahe
bey dem Mondſcheine von dem Gipfel des Baumes,
daß die heiligen Vaͤter beſchaͤftiget waren, einen tod-
ten Koͤrper in ihrem Garten zu begraben. Der
Knabe, welcher wußte, daß man die Schuſterfrau
vermißte, erzaͤhlte ſeinem Vater, was er geſehen hat-
te. Der Vater, welcher nicht weit von dem Schu-
ſter wohnte, gab ihm ſogleich davon Nachricht, und
beyde giengen mit dem Knaben zu dem Gouverneur,
welcher zu der Obrigkeit ſchickte, die ſich auch in das
Collegium verfuͤgte. Als man in den Garten kam,
zeigte der Knabe die Stelle, wo man den Koͤrper
begraben hatte, und als man nachgrub, ſo fand
man wirklich die Schuſterfrau mit abgeſchnittener
Gurgel und ganz zerriſſenen Kleidern. Die Vaͤ-
ter ſtellten ſich als wenn ſie von der ganzen Sache
nicht das mindeſte wuͤßten, und ſchoben die ganze
ſchaͤndliche That auf zwey ihrer Collegen, welche
unſichtbar geworden waren. Dieß war aller Erſatz,
welchen der arme Mann fuͤr den Verluſt ſeines Wei-
bes erhalten konnte, obgleich der Knabe betheuerte,
daß er acht Perſonen mit Begrabung des Koͤrpers be-
ſchaͤftigt geſehen habe. Der Schuſter, deſſen Nach-
bar und ſein Sohn hielten es fuͤr das Kluͤgſte, ſich nach
Holland zu begeben, wo ſie Proteſtanten wurden, um
der unbarmherzigen Rache dieſer heiligen Vaͤter zu ent-
gehen. Dieſe Geſchichte ward mir von verſchiedenen Of-
ficiers erzaͤhlt, welche damals hier in Garniſon lagen.

Zweytes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0046" n="36"/>
durfte in dem Collegio auch keine weitere Unter&#x017F;u-<lb/>
chung ange&#x017F;tellt werden, und das Schick&#x017F;al der Frau<lb/>
blieb unbekannt. Einige Tage darauf &#x017F;chlich &#x017F;ich<lb/>
ein Knabe in der Nacht in einen Garten nahe an<lb/>
dem Garten der Je&#x017F;uiten, Aepfel zu &#x017F;tehlen und &#x017F;ahe<lb/>
bey dem Mond&#x017F;cheine von dem Gipfel des Baumes,<lb/>
daß die heiligen Va&#x0364;ter be&#x017F;cha&#x0364;ftiget waren, einen tod-<lb/>
ten Ko&#x0364;rper in ihrem Garten zu begraben. Der<lb/>
Knabe, welcher wußte, daß man die Schu&#x017F;terfrau<lb/>
vermißte, erza&#x0364;hlte &#x017F;einem Vater, was er ge&#x017F;ehen hat-<lb/>
te. Der Vater, welcher nicht weit von dem Schu-<lb/>
&#x017F;ter wohnte, gab ihm &#x017F;ogleich davon Nachricht, und<lb/>
beyde giengen mit dem Knaben zu dem Gouverneur,<lb/>
welcher zu der Obrigkeit &#x017F;chickte, die &#x017F;ich auch in das<lb/>
Collegium verfu&#x0364;gte. Als man in den Garten kam,<lb/>
zeigte der Knabe die Stelle, wo man den Ko&#x0364;rper<lb/>
begraben hatte, und als man nachgrub, &#x017F;o fand<lb/>
man wirklich die Schu&#x017F;terfrau mit abge&#x017F;chnittener<lb/>
Gurgel und ganz zerri&#x017F;&#x017F;enen Kleidern. Die Va&#x0364;-<lb/>
ter &#x017F;tellten &#x017F;ich als wenn &#x017F;ie von der ganzen Sache<lb/>
nicht das minde&#x017F;te wu&#x0364;ßten, und &#x017F;choben die ganze<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ndliche That auf zwey ihrer Collegen, welche<lb/>
un&#x017F;ichtbar geworden waren. Dieß war aller Er&#x017F;atz,<lb/>
welchen der arme Mann fu&#x0364;r den Verlu&#x017F;t &#x017F;eines Wei-<lb/>
bes erhalten konnte, obgleich der Knabe betheuerte,<lb/>
daß er acht Per&#x017F;onen mit Begrabung des Ko&#x0364;rpers be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ftigt ge&#x017F;ehen habe. Der Schu&#x017F;ter, de&#x017F;&#x017F;en Nach-<lb/>
bar und &#x017F;ein Sohn hielten es fu&#x0364;r das Klu&#x0364;g&#x017F;te, &#x017F;ich nach<lb/>
Holland zu begeben, wo &#x017F;ie Prote&#x017F;tanten wurden, um<lb/>
der unbarmherzigen Rache die&#x017F;er heiligen Va&#x0364;ter zu ent-<lb/>
gehen. Die&#x017F;e Ge&#x017F;chichte ward mir von ver&#x017F;chiedenen Of-<lb/>
ficiers erza&#x0364;hlt, welche damals hier in Garni&#x017F;on lagen.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Zweytes</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0046] durfte in dem Collegio auch keine weitere Unterſu- chung angeſtellt werden, und das Schickſal der Frau blieb unbekannt. Einige Tage darauf ſchlich ſich ein Knabe in der Nacht in einen Garten nahe an dem Garten der Jeſuiten, Aepfel zu ſtehlen und ſahe bey dem Mondſcheine von dem Gipfel des Baumes, daß die heiligen Vaͤter beſchaͤftiget waren, einen tod- ten Koͤrper in ihrem Garten zu begraben. Der Knabe, welcher wußte, daß man die Schuſterfrau vermißte, erzaͤhlte ſeinem Vater, was er geſehen hat- te. Der Vater, welcher nicht weit von dem Schu- ſter wohnte, gab ihm ſogleich davon Nachricht, und beyde giengen mit dem Knaben zu dem Gouverneur, welcher zu der Obrigkeit ſchickte, die ſich auch in das Collegium verfuͤgte. Als man in den Garten kam, zeigte der Knabe die Stelle, wo man den Koͤrper begraben hatte, und als man nachgrub, ſo fand man wirklich die Schuſterfrau mit abgeſchnittener Gurgel und ganz zerriſſenen Kleidern. Die Vaͤ- ter ſtellten ſich als wenn ſie von der ganzen Sache nicht das mindeſte wuͤßten, und ſchoben die ganze ſchaͤndliche That auf zwey ihrer Collegen, welche unſichtbar geworden waren. Dieß war aller Erſatz, welchen der arme Mann fuͤr den Verluſt ſeines Wei- bes erhalten konnte, obgleich der Knabe betheuerte, daß er acht Perſonen mit Begrabung des Koͤrpers be- ſchaͤftigt geſehen habe. Der Schuſter, deſſen Nach- bar und ſein Sohn hielten es fuͤr das Kluͤgſte, ſich nach Holland zu begeben, wo ſie Proteſtanten wurden, um der unbarmherzigen Rache dieſer heiligen Vaͤter zu ent- gehen. Dieſe Geſchichte ward mir von verſchiedenen Of- ficiers erzaͤhlt, welche damals hier in Garniſon lagen. Zweytes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/46
Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/46>, abgerufen am 21.11.2024.