giengen bis an den Fuß des Altars, und von da in ihre gewöhnlichen Stühle. Während des Gottes- dienstes nahm die Kaiserinn die Krone ab und über- gab sie dem Cabinetssecretair; und nachdem die Ge- bete und Gesänge geendiget waren, führte der Kaiser die Kaiserinn, die ihre Krone auf dem Haupte und den Kaiserlichen Mantel umhatte, auf einem mit ro- them Sammet und mit goldgestickten Teppichen be- deckten Gange zum Allerheiligsten, wo sie auf ein mit Gold gesticktes Küssen niederkniete, und der Erzbi- schof, neben welchem zwey Bischöfe mit dem heiligen Oel standen, ihr die Stirn, Brust und Hände im Nahmen des Vaters, des Sohnes und des heil. Gei- stes salbte. Die andern Erzbischöfe wischten das Oel mit Baumwolle ab, und der Archidiaconus, der sie mit dem heil. Sacramente erwartete, sagte laut: "Nähere dich mit Andacht und Glauben." Hier- auf empfieng sie das gesegnete Brot von dem Erzbi- schofe und ein wenig warmen Wein. Die zwey Oberpriester an dieser Kirche trugen ein goldenes Be- cken, ein Abt hielt eine goldene Kanne ins Wasser zum Waschen, und zwey andere Aebte hielten das Handtuch, woran sich die Kaiserinn die Hände trock- nete. Nachdem dieses geschehen war, begaben sich beyde Majestäten wiederum in ihre Stühle, und die Kanonen wurden zum zweyten Mahle gelöset und die Glocken geläutet. Bey dem Schlusse des Gottes- dienstes hielt der Erzbischof von Pleskow eine Rede, worinn er die seltenen Tugenden der Kaiserinn er- wähnte, und zeigte, wie sehr sie die Krone verdiente, die sie jetzt von Gott und ihrem Gemahl erhalten hätte;
und
giengen bis an den Fuß des Altars, und von da in ihre gewoͤhnlichen Stuͤhle. Waͤhrend des Gottes- dienſtes nahm die Kaiſerinn die Krone ab und uͤber- gab ſie dem Cabinetsſecretair; und nachdem die Ge- bete und Geſaͤnge geendiget waren, fuͤhrte der Kaiſer die Kaiſerinn, die ihre Krone auf dem Haupte und den Kaiſerlichen Mantel umhatte, auf einem mit ro- them Sammet und mit goldgeſtickten Teppichen be- deckten Gange zum Allerheiligſten, wo ſie auf ein mit Gold geſticktes Kuͤſſen niederkniete, und der Erzbi- ſchof, neben welchem zwey Biſchoͤfe mit dem heiligen Oel ſtanden, ihr die Stirn, Bruſt und Haͤnde im Nahmen des Vaters, des Sohnes und des heil. Gei- ſtes ſalbte. Die andern Erzbiſchoͤfe wiſchten das Oel mit Baumwolle ab, und der Archidiaconus, der ſie mit dem heil. Sacramente erwartete, ſagte laut: „Naͤhere dich mit Andacht und Glauben.“ Hier- auf empfieng ſie das geſegnete Brot von dem Erzbi- ſchofe und ein wenig warmen Wein. Die zwey Oberprieſter an dieſer Kirche trugen ein goldenes Be- cken, ein Abt hielt eine goldene Kanne ins Waſſer zum Waſchen, und zwey andere Aebte hielten das Handtuch, woran ſich die Kaiſerinn die Haͤnde trock- nete. Nachdem dieſes geſchehen war, begaben ſich beyde Majeſtaͤten wiederum in ihre Stuͤhle, und die Kanonen wurden zum zweyten Mahle geloͤſet und die Glocken gelaͤutet. Bey dem Schluſſe des Gottes- dienſtes hielt der Erzbiſchof von Pleskow eine Rede, worinn er die ſeltenen Tugenden der Kaiſerinn er- waͤhnte, und zeigte, wie ſehr ſie die Krone verdiente, die ſie jetzt von Gott und ihrem Gemahl erhalten haͤtte;
und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0430"n="420"/>
giengen bis an den Fuß des Altars, und von da in<lb/>
ihre gewoͤhnlichen Stuͤhle. Waͤhrend des Gottes-<lb/>
dienſtes nahm die Kaiſerinn die Krone ab und uͤber-<lb/>
gab ſie dem Cabinetsſecretair; und nachdem die Ge-<lb/>
bete und Geſaͤnge geendiget waren, fuͤhrte der Kaiſer<lb/>
die Kaiſerinn, die ihre Krone auf dem Haupte und<lb/>
den Kaiſerlichen Mantel umhatte, auf einem mit ro-<lb/>
them Sammet und mit goldgeſtickten Teppichen be-<lb/>
deckten Gange zum Allerheiligſten, wo ſie auf ein mit<lb/>
Gold geſticktes Kuͤſſen niederkniete, und der Erzbi-<lb/>ſchof, neben welchem zwey Biſchoͤfe mit dem heiligen<lb/>
Oel ſtanden, ihr die Stirn, Bruſt und Haͤnde im<lb/>
Nahmen des Vaters, des Sohnes und des heil. Gei-<lb/>ſtes ſalbte. Die andern Erzbiſchoͤfe wiſchten das<lb/>
Oel mit Baumwolle ab, und der Archidiaconus, der<lb/>ſie mit dem heil. Sacramente erwartete, ſagte laut:<lb/>„Naͤhere dich mit Andacht und Glauben.“ Hier-<lb/>
auf empfieng ſie das geſegnete Brot von dem Erzbi-<lb/>ſchofe und ein wenig warmen Wein. Die zwey<lb/>
Oberprieſter an dieſer Kirche trugen ein goldenes Be-<lb/>
cken, ein Abt hielt eine goldene Kanne ins Waſſer<lb/>
zum Waſchen, und zwey andere Aebte hielten das<lb/>
Handtuch, woran ſich die Kaiſerinn die Haͤnde trock-<lb/>
nete. Nachdem dieſes geſchehen war, begaben ſich<lb/>
beyde Majeſtaͤten wiederum in ihre Stuͤhle, und die<lb/>
Kanonen wurden zum zweyten Mahle geloͤſet und die<lb/>
Glocken gelaͤutet. Bey dem Schluſſe des Gottes-<lb/>
dienſtes hielt der Erzbiſchof von Pleskow eine Rede,<lb/>
worinn er die ſeltenen Tugenden der Kaiſerinn er-<lb/>
waͤhnte, und zeigte, wie ſehr ſie die Krone verdiente,<lb/>
die ſie jetzt von Gott und ihrem Gemahl erhalten haͤtte;<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[420/0430]
giengen bis an den Fuß des Altars, und von da in
ihre gewoͤhnlichen Stuͤhle. Waͤhrend des Gottes-
dienſtes nahm die Kaiſerinn die Krone ab und uͤber-
gab ſie dem Cabinetsſecretair; und nachdem die Ge-
bete und Geſaͤnge geendiget waren, fuͤhrte der Kaiſer
die Kaiſerinn, die ihre Krone auf dem Haupte und
den Kaiſerlichen Mantel umhatte, auf einem mit ro-
them Sammet und mit goldgeſtickten Teppichen be-
deckten Gange zum Allerheiligſten, wo ſie auf ein mit
Gold geſticktes Kuͤſſen niederkniete, und der Erzbi-
ſchof, neben welchem zwey Biſchoͤfe mit dem heiligen
Oel ſtanden, ihr die Stirn, Bruſt und Haͤnde im
Nahmen des Vaters, des Sohnes und des heil. Gei-
ſtes ſalbte. Die andern Erzbiſchoͤfe wiſchten das
Oel mit Baumwolle ab, und der Archidiaconus, der
ſie mit dem heil. Sacramente erwartete, ſagte laut:
„Naͤhere dich mit Andacht und Glauben.“ Hier-
auf empfieng ſie das geſegnete Brot von dem Erzbi-
ſchofe und ein wenig warmen Wein. Die zwey
Oberprieſter an dieſer Kirche trugen ein goldenes Be-
cken, ein Abt hielt eine goldene Kanne ins Waſſer
zum Waſchen, und zwey andere Aebte hielten das
Handtuch, woran ſich die Kaiſerinn die Haͤnde trock-
nete. Nachdem dieſes geſchehen war, begaben ſich
beyde Majeſtaͤten wiederum in ihre Stuͤhle, und die
Kanonen wurden zum zweyten Mahle geloͤſet und die
Glocken gelaͤutet. Bey dem Schluſſe des Gottes-
dienſtes hielt der Erzbiſchof von Pleskow eine Rede,
worinn er die ſeltenen Tugenden der Kaiſerinn er-
waͤhnte, und zeigte, wie ſehr ſie die Krone verdiente,
die ſie jetzt von Gott und ihrem Gemahl erhalten haͤtte;
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/430>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.