Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

neurs in diesen Gegenden seufzeten, eine Neigung,
das Russische Joch abzuschütteln, und brachte also ein
beträchtliches Corps zusammen, und marschirte, da
ihm viele von den Donischen Kosaken beystunden, an
ihrer Spitze wider die Stadt Astrakan, die er bela-
gerte und nach einem kleinen Widerstande einnahm.
Von da gieng er auf Casan zu, und drohete nicht al-
lein dieser Stadt, sondern auch dem südlichen Ruß-
lande mit einem fürchterlichen Einfalle, weil sich seine
Armee durch die vielen Tartarn, die sich zu ihm bega-
ben, sehr vermehrte. Aber anstatt sich dieser Gele-
genheit zu seinem Vortheil zu bedienen, überließ er
sich allen Arten von Ausschweifungen und Schwelge-
rey, wodurch die Russen Zeit bekamen, ihre Armee
zusammen zu ziehen und ihn in seinem Fortgange auf-
zuhalten. Sie eilten hierinn so sehr, daß sie eher in
Casan ankamen, als er diesen Ort belagern konnte,
und nachdem sie also alle Gemeinschaft zwischen den
herumliegenden Gegenden abgeschnitten hatten, aus
denen Astrakan und die dabeyliegenden Gegenden mit
Korn versehen werden, so gerieth diese rebellische Ar-
mee aus Mangel des Unterhalts in solsche Noth, daß
die Tartarn, die sich vor der ihnen nähernden Gefahr
fürchteten, meistentheils ihren Anführer verließen. Des-
sen ungeachtet hielten die Kosaken tapfer aus, beschlos-
sen, das Feld wider die Russen zu behaupten, und
verschanzten sich daher an den Mauern bey Astrakan.
Als die Russen den festen Entschluß der Kosaken sa-
hen, so hielten sie es für besser, sie, wo möglich, durch
gelinde Mittel und durch ein Versprechen, ihnen alles
vergangene zu vergeben, als durch Gewalt der Waf-
fen, zum Gehorsam zu bringen, welches auch den ge-

wünschten

neurs in dieſen Gegenden ſeufzeten, eine Neigung,
das Ruſſiſche Joch abzuſchuͤtteln, und brachte alſo ein
betraͤchtliches Corps zuſammen, und marſchirte, da
ihm viele von den Doniſchen Koſaken beyſtunden, an
ihrer Spitze wider die Stadt Aſtrakan, die er bela-
gerte und nach einem kleinen Widerſtande einnahm.
Von da gieng er auf Caſan zu, und drohete nicht al-
lein dieſer Stadt, ſondern auch dem ſuͤdlichen Ruß-
lande mit einem fuͤrchterlichen Einfalle, weil ſich ſeine
Armee durch die vielen Tartarn, die ſich zu ihm bega-
ben, ſehr vermehrte. Aber anſtatt ſich dieſer Gele-
genheit zu ſeinem Vortheil zu bedienen, uͤberließ er
ſich allen Arten von Ausſchweifungen und Schwelge-
rey, wodurch die Ruſſen Zeit bekamen, ihre Armee
zuſammen zu ziehen und ihn in ſeinem Fortgange auf-
zuhalten. Sie eilten hierinn ſo ſehr, daß ſie eher in
Caſan ankamen, als er dieſen Ort belagern konnte,
und nachdem ſie alſo alle Gemeinſchaft zwiſchen den
herumliegenden Gegenden abgeſchnitten hatten, aus
denen Aſtrakan und die dabeyliegenden Gegenden mit
Korn verſehen werden, ſo gerieth dieſe rebelliſche Ar-
mee aus Mangel des Unterhalts in ſolſche Noth, daß
die Tartarn, die ſich vor der ihnen naͤhernden Gefahr
fuͤrchteten, meiſtentheils ihren Anfuͤhrer verließen. Deſ-
ſen ungeachtet hielten die Koſaken tapfer aus, beſchloſ-
ſen, das Feld wider die Ruſſen zu behaupten, und
verſchanzten ſich daher an den Mauern bey Aſtrakan.
Als die Ruſſen den feſten Entſchluß der Koſaken ſa-
hen, ſo hielten ſie es fuͤr beſſer, ſie, wo moͤglich, durch
gelinde Mittel und durch ein Verſprechen, ihnen alles
vergangene zu vergeben, als durch Gewalt der Waf-
fen, zum Gehorſam zu bringen, welches auch den ge-

wuͤnſchten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0374" n="364"/>
neurs in die&#x017F;en Gegenden &#x017F;eufzeten, eine Neigung,<lb/>
das Ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Joch abzu&#x017F;chu&#x0364;tteln, und brachte al&#x017F;o ein<lb/>
betra&#x0364;chtliches Corps zu&#x017F;ammen, und mar&#x017F;chirte, da<lb/>
ihm viele von den Doni&#x017F;chen Ko&#x017F;aken bey&#x017F;tunden, an<lb/>
ihrer Spitze wider die Stadt A&#x017F;trakan, die er bela-<lb/>
gerte und nach einem kleinen Wider&#x017F;tande einnahm.<lb/>
Von da gieng er auf Ca&#x017F;an zu, und drohete nicht al-<lb/>
lein die&#x017F;er Stadt, &#x017F;ondern auch dem &#x017F;u&#x0364;dlichen Ruß-<lb/>
lande mit einem fu&#x0364;rchterlichen Einfalle, weil &#x017F;ich &#x017F;eine<lb/>
Armee durch die vielen Tartarn, die &#x017F;ich zu ihm bega-<lb/>
ben, &#x017F;ehr vermehrte. Aber an&#x017F;tatt &#x017F;ich die&#x017F;er Gele-<lb/>
genheit zu &#x017F;einem Vortheil zu bedienen, u&#x0364;berließ er<lb/>
&#x017F;ich allen Arten von Aus&#x017F;chweifungen und Schwelge-<lb/>
rey, wodurch die Ru&#x017F;&#x017F;en Zeit bekamen, ihre Armee<lb/>
zu&#x017F;ammen zu ziehen und ihn in &#x017F;einem Fortgange auf-<lb/>
zuhalten. Sie eilten hierinn &#x017F;o &#x017F;ehr, daß &#x017F;ie eher in<lb/>
Ca&#x017F;an ankamen, als er die&#x017F;en Ort belagern konnte,<lb/>
und nachdem &#x017F;ie al&#x017F;o alle Gemein&#x017F;chaft zwi&#x017F;chen den<lb/>
herumliegenden Gegenden abge&#x017F;chnitten hatten, aus<lb/>
denen A&#x017F;trakan und die dabeyliegenden Gegenden mit<lb/>
Korn ver&#x017F;ehen werden, &#x017F;o gerieth die&#x017F;e rebelli&#x017F;che Ar-<lb/>
mee aus Mangel des Unterhalts in &#x017F;ol&#x017F;che Noth, daß<lb/>
die Tartarn, die &#x017F;ich vor der ihnen na&#x0364;hernden Gefahr<lb/>
fu&#x0364;rchteten, mei&#x017F;tentheils ihren Anfu&#x0364;hrer verließen. De&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ungeachtet hielten die Ko&#x017F;aken tapfer aus, be&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, das Feld wider die Ru&#x017F;&#x017F;en zu behaupten, und<lb/>
ver&#x017F;chanzten &#x017F;ich daher an den Mauern bey A&#x017F;trakan.<lb/>
Als die Ru&#x017F;&#x017F;en den fe&#x017F;ten Ent&#x017F;chluß der Ko&#x017F;aken &#x017F;a-<lb/>
hen, &#x017F;o hielten &#x017F;ie es fu&#x0364;r be&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;ie, wo mo&#x0364;glich, durch<lb/>
gelinde Mittel und durch ein Ver&#x017F;prechen, ihnen alles<lb/>
vergangene zu vergeben, als durch Gewalt der Waf-<lb/>
fen, zum Gehor&#x017F;am zu bringen, welches auch den ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wu&#x0364;n&#x017F;chten</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[364/0374] neurs in dieſen Gegenden ſeufzeten, eine Neigung, das Ruſſiſche Joch abzuſchuͤtteln, und brachte alſo ein betraͤchtliches Corps zuſammen, und marſchirte, da ihm viele von den Doniſchen Koſaken beyſtunden, an ihrer Spitze wider die Stadt Aſtrakan, die er bela- gerte und nach einem kleinen Widerſtande einnahm. Von da gieng er auf Caſan zu, und drohete nicht al- lein dieſer Stadt, ſondern auch dem ſuͤdlichen Ruß- lande mit einem fuͤrchterlichen Einfalle, weil ſich ſeine Armee durch die vielen Tartarn, die ſich zu ihm bega- ben, ſehr vermehrte. Aber anſtatt ſich dieſer Gele- genheit zu ſeinem Vortheil zu bedienen, uͤberließ er ſich allen Arten von Ausſchweifungen und Schwelge- rey, wodurch die Ruſſen Zeit bekamen, ihre Armee zuſammen zu ziehen und ihn in ſeinem Fortgange auf- zuhalten. Sie eilten hierinn ſo ſehr, daß ſie eher in Caſan ankamen, als er dieſen Ort belagern konnte, und nachdem ſie alſo alle Gemeinſchaft zwiſchen den herumliegenden Gegenden abgeſchnitten hatten, aus denen Aſtrakan und die dabeyliegenden Gegenden mit Korn verſehen werden, ſo gerieth dieſe rebelliſche Ar- mee aus Mangel des Unterhalts in ſolſche Noth, daß die Tartarn, die ſich vor der ihnen naͤhernden Gefahr fuͤrchteten, meiſtentheils ihren Anfuͤhrer verließen. Deſ- ſen ungeachtet hielten die Koſaken tapfer aus, beſchloſ- ſen, das Feld wider die Ruſſen zu behaupten, und verſchanzten ſich daher an den Mauern bey Aſtrakan. Als die Ruſſen den feſten Entſchluß der Koſaken ſa- hen, ſo hielten ſie es fuͤr beſſer, ſie, wo moͤglich, durch gelinde Mittel und durch ein Verſprechen, ihnen alles vergangene zu vergeben, als durch Gewalt der Waf- fen, zum Gehorſam zu bringen, welches auch den ge- wuͤnſchten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/374
Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/374>, abgerufen am 25.11.2024.