Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

sind ein barbarisches betrügerisches und grausames
Volk, das bloß vom Raube lebt. Jhre Nahrung
sind wilde Vögel, Fische und Honig, nebst einem Ue-
berflusse an Milch, die ihnen ihre Weiden verschaffen,
wie sie denn auch das Fleisch von ihren Pferden und
Kühen essen, wenn sie sterben; denn sie tödten niemals
einige davon. Sie haben keine Häuser, sondern elen-
de Hütten. Die auf der rechten Seite des Flusses wer-
den Nagarin oder Bergbewohner genannt, und die
zur Linken, heißen Lugoivi, von ihren Wiesen, auf
welchen sie auf beyden Seiten des Flusses Heu ma-
chen. Sie sind alle Heiden, und bedienen sich we-
der der Beschneidung noch der Taufe; ihren Kindern
geben sie die Namen der ersten Personen, denen sie
innerhalb sechs Monaten von dem Tage der Geburt
an gerechnet, begegnen. Sie bekennen einen un-
sterblichen Gott, den Urheber alles Guten, den man
anbeten müsse, lachen aber über die Unsterblichkeit
der Seele. Ob sie gleich keine Hölle glauben, so
fürchten sie sich doch vor dem Teufel als dem Urheber
alles Unglücks, und wollen ihn also durch Opfer ver-
söhnen. Wenn sie Gott ein Opfer bringen, so töd-
ten sie ein Pferd, eine Kuh oder ein Schaf, span-
nen dessen Fell an einer hohen Stange aus, und rufen
es an, damit es bey Gott für sie bitten möge, daß er
die Anzahl ihres Viehes vermehre. Sie bezeigen
der Sonne und dem Monde, als den Urhebern aller
Früchte der Erden, große Hochachtung. Sie bedie-
nen sich keiner Kirchen, Geistlichen oder Bücher.
Die Vielweiberey ist bey ihnen gewöhnlich, so daß sie
zwey oder drey Schwestern zugleich heirathen. Jhre
Weiber und Töchter sind insgesammt in ein Stück

grobes
S

ſind ein barbariſches betruͤgeriſches und grauſames
Volk, das bloß vom Raube lebt. Jhre Nahrung
ſind wilde Voͤgel, Fiſche und Honig, nebſt einem Ue-
berfluſſe an Milch, die ihnen ihre Weiden verſchaffen,
wie ſie denn auch das Fleiſch von ihren Pferden und
Kuͤhen eſſen, wenn ſie ſterben; denn ſie toͤdten niemals
einige davon. Sie haben keine Haͤuſer, ſondern elen-
de Huͤtten. Die auf der rechten Seite des Fluſſes wer-
den Nagarin oder Bergbewohner genannt, und die
zur Linken, heißen Lugoivi, von ihren Wieſen, auf
welchen ſie auf beyden Seiten des Fluſſes Heu ma-
chen. Sie ſind alle Heiden, und bedienen ſich we-
der der Beſchneidung noch der Taufe; ihren Kindern
geben ſie die Namen der erſten Perſonen, denen ſie
innerhalb ſechs Monaten von dem Tage der Geburt
an gerechnet, begegnen. Sie bekennen einen un-
ſterblichen Gott, den Urheber alles Guten, den man
anbeten muͤſſe, lachen aber uͤber die Unſterblichkeit
der Seele. Ob ſie gleich keine Hoͤlle glauben, ſo
fuͤrchten ſie ſich doch vor dem Teufel als dem Urheber
alles Ungluͤcks, und wollen ihn alſo durch Opfer ver-
ſoͤhnen. Wenn ſie Gott ein Opfer bringen, ſo toͤd-
ten ſie ein Pferd, eine Kuh oder ein Schaf, ſpan-
nen deſſen Fell an einer hohen Stange aus, und rufen
es an, damit es bey Gott fuͤr ſie bitten moͤge, daß er
die Anzahl ihres Viehes vermehre. Sie bezeigen
der Sonne und dem Monde, als den Urhebern aller
Fruͤchte der Erden, große Hochachtung. Sie bedie-
nen ſich keiner Kirchen, Geiſtlichen oder Buͤcher.
Die Vielweiberey iſt bey ihnen gewoͤhnlich, ſo daß ſie
zwey oder drey Schweſtern zugleich heirathen. Jhre
Weiber und Toͤchter ſind insgeſammt in ein Stuͤck

grobes
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0283" n="273"/>
&#x017F;ind ein barbari&#x017F;ches betru&#x0364;geri&#x017F;ches und grau&#x017F;ames<lb/>
Volk, das bloß vom Raube lebt. Jhre Nahrung<lb/>
&#x017F;ind wilde Vo&#x0364;gel, Fi&#x017F;che und Honig, neb&#x017F;t einem Ue-<lb/>
berflu&#x017F;&#x017F;e an Milch, die ihnen ihre Weiden ver&#x017F;chaffen,<lb/>
wie &#x017F;ie denn auch das Flei&#x017F;ch von ihren Pferden und<lb/>
Ku&#x0364;hen e&#x017F;&#x017F;en, wenn &#x017F;ie &#x017F;terben; denn &#x017F;ie to&#x0364;dten niemals<lb/>
einige davon. Sie haben keine Ha&#x0364;u&#x017F;er, &#x017F;ondern elen-<lb/>
de Hu&#x0364;tten. Die auf der rechten Seite des Flu&#x017F;&#x017F;es wer-<lb/>
den <hi rendition="#fr">Nagarin</hi> oder Bergbewohner genannt, und die<lb/>
zur Linken, heißen <hi rendition="#fr">Lugoivi,</hi> von ihren Wie&#x017F;en, auf<lb/>
welchen &#x017F;ie auf beyden Seiten des Flu&#x017F;&#x017F;es Heu ma-<lb/>
chen. Sie &#x017F;ind alle Heiden, und bedienen &#x017F;ich we-<lb/>
der der Be&#x017F;chneidung noch der Taufe; ihren Kindern<lb/>
geben &#x017F;ie die Namen der er&#x017F;ten Per&#x017F;onen, denen &#x017F;ie<lb/>
innerhalb &#x017F;echs Monaten von dem Tage der Geburt<lb/>
an gerechnet, begegnen. Sie bekennen einen un-<lb/>
&#x017F;terblichen Gott, den Urheber alles Guten, den man<lb/>
anbeten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, lachen aber u&#x0364;ber die Un&#x017F;terblichkeit<lb/>
der Seele. Ob &#x017F;ie gleich keine Ho&#x0364;lle glauben, &#x017F;o<lb/>
fu&#x0364;rchten &#x017F;ie &#x017F;ich doch vor dem Teufel als dem Urheber<lb/>
alles Unglu&#x0364;cks, und wollen ihn al&#x017F;o durch Opfer ver-<lb/>
&#x017F;o&#x0364;hnen. Wenn &#x017F;ie Gott ein Opfer bringen, &#x017F;o to&#x0364;d-<lb/>
ten &#x017F;ie ein Pferd, eine Kuh oder ein Schaf, &#x017F;pan-<lb/>
nen de&#x017F;&#x017F;en Fell an einer hohen Stange aus, und rufen<lb/>
es an, damit es bey Gott fu&#x0364;r &#x017F;ie bitten mo&#x0364;ge, daß er<lb/>
die Anzahl ihres Viehes vermehre. Sie bezeigen<lb/>
der Sonne und dem Monde, als den Urhebern aller<lb/>
Fru&#x0364;chte der Erden, große Hochachtung. Sie bedie-<lb/>
nen &#x017F;ich keiner Kirchen, Gei&#x017F;tlichen oder Bu&#x0364;cher.<lb/>
Die Vielweiberey i&#x017F;t bey ihnen gewo&#x0364;hnlich, &#x017F;o daß &#x017F;ie<lb/>
zwey oder drey Schwe&#x017F;tern zugleich heirathen. Jhre<lb/>
Weiber und To&#x0364;chter &#x017F;ind insge&#x017F;ammt in ein Stu&#x0364;ck<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S</fw><fw place="bottom" type="catch">grobes</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0283] ſind ein barbariſches betruͤgeriſches und grauſames Volk, das bloß vom Raube lebt. Jhre Nahrung ſind wilde Voͤgel, Fiſche und Honig, nebſt einem Ue- berfluſſe an Milch, die ihnen ihre Weiden verſchaffen, wie ſie denn auch das Fleiſch von ihren Pferden und Kuͤhen eſſen, wenn ſie ſterben; denn ſie toͤdten niemals einige davon. Sie haben keine Haͤuſer, ſondern elen- de Huͤtten. Die auf der rechten Seite des Fluſſes wer- den Nagarin oder Bergbewohner genannt, und die zur Linken, heißen Lugoivi, von ihren Wieſen, auf welchen ſie auf beyden Seiten des Fluſſes Heu ma- chen. Sie ſind alle Heiden, und bedienen ſich we- der der Beſchneidung noch der Taufe; ihren Kindern geben ſie die Namen der erſten Perſonen, denen ſie innerhalb ſechs Monaten von dem Tage der Geburt an gerechnet, begegnen. Sie bekennen einen un- ſterblichen Gott, den Urheber alles Guten, den man anbeten muͤſſe, lachen aber uͤber die Unſterblichkeit der Seele. Ob ſie gleich keine Hoͤlle glauben, ſo fuͤrchten ſie ſich doch vor dem Teufel als dem Urheber alles Ungluͤcks, und wollen ihn alſo durch Opfer ver- ſoͤhnen. Wenn ſie Gott ein Opfer bringen, ſo toͤd- ten ſie ein Pferd, eine Kuh oder ein Schaf, ſpan- nen deſſen Fell an einer hohen Stange aus, und rufen es an, damit es bey Gott fuͤr ſie bitten moͤge, daß er die Anzahl ihres Viehes vermehre. Sie bezeigen der Sonne und dem Monde, als den Urhebern aller Fruͤchte der Erden, große Hochachtung. Sie bedie- nen ſich keiner Kirchen, Geiſtlichen oder Buͤcher. Die Vielweiberey iſt bey ihnen gewoͤhnlich, ſo daß ſie zwey oder drey Schweſtern zugleich heirathen. Jhre Weiber und Toͤchter ſind insgeſammt in ein Stuͤck grobes S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/283
Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/283>, abgerufen am 25.11.2024.