sind ein barbarisches betrügerisches und grausames Volk, das bloß vom Raube lebt. Jhre Nahrung sind wilde Vögel, Fische und Honig, nebst einem Ue- berflusse an Milch, die ihnen ihre Weiden verschaffen, wie sie denn auch das Fleisch von ihren Pferden und Kühen essen, wenn sie sterben; denn sie tödten niemals einige davon. Sie haben keine Häuser, sondern elen- de Hütten. Die auf der rechten Seite des Flusses wer- den Nagarin oder Bergbewohner genannt, und die zur Linken, heißen Lugoivi, von ihren Wiesen, auf welchen sie auf beyden Seiten des Flusses Heu ma- chen. Sie sind alle Heiden, und bedienen sich we- der der Beschneidung noch der Taufe; ihren Kindern geben sie die Namen der ersten Personen, denen sie innerhalb sechs Monaten von dem Tage der Geburt an gerechnet, begegnen. Sie bekennen einen un- sterblichen Gott, den Urheber alles Guten, den man anbeten müsse, lachen aber über die Unsterblichkeit der Seele. Ob sie gleich keine Hölle glauben, so fürchten sie sich doch vor dem Teufel als dem Urheber alles Unglücks, und wollen ihn also durch Opfer ver- söhnen. Wenn sie Gott ein Opfer bringen, so töd- ten sie ein Pferd, eine Kuh oder ein Schaf, span- nen dessen Fell an einer hohen Stange aus, und rufen es an, damit es bey Gott für sie bitten möge, daß er die Anzahl ihres Viehes vermehre. Sie bezeigen der Sonne und dem Monde, als den Urhebern aller Früchte der Erden, große Hochachtung. Sie bedie- nen sich keiner Kirchen, Geistlichen oder Bücher. Die Vielweiberey ist bey ihnen gewöhnlich, so daß sie zwey oder drey Schwestern zugleich heirathen. Jhre Weiber und Töchter sind insgesammt in ein Stück
grobes
S
ſind ein barbariſches betruͤgeriſches und grauſames Volk, das bloß vom Raube lebt. Jhre Nahrung ſind wilde Voͤgel, Fiſche und Honig, nebſt einem Ue- berfluſſe an Milch, die ihnen ihre Weiden verſchaffen, wie ſie denn auch das Fleiſch von ihren Pferden und Kuͤhen eſſen, wenn ſie ſterben; denn ſie toͤdten niemals einige davon. Sie haben keine Haͤuſer, ſondern elen- de Huͤtten. Die auf der rechten Seite des Fluſſes wer- den Nagarin oder Bergbewohner genannt, und die zur Linken, heißen Lugoivi, von ihren Wieſen, auf welchen ſie auf beyden Seiten des Fluſſes Heu ma- chen. Sie ſind alle Heiden, und bedienen ſich we- der der Beſchneidung noch der Taufe; ihren Kindern geben ſie die Namen der erſten Perſonen, denen ſie innerhalb ſechs Monaten von dem Tage der Geburt an gerechnet, begegnen. Sie bekennen einen un- ſterblichen Gott, den Urheber alles Guten, den man anbeten muͤſſe, lachen aber uͤber die Unſterblichkeit der Seele. Ob ſie gleich keine Hoͤlle glauben, ſo fuͤrchten ſie ſich doch vor dem Teufel als dem Urheber alles Ungluͤcks, und wollen ihn alſo durch Opfer ver- ſoͤhnen. Wenn ſie Gott ein Opfer bringen, ſo toͤd- ten ſie ein Pferd, eine Kuh oder ein Schaf, ſpan- nen deſſen Fell an einer hohen Stange aus, und rufen es an, damit es bey Gott fuͤr ſie bitten moͤge, daß er die Anzahl ihres Viehes vermehre. Sie bezeigen der Sonne und dem Monde, als den Urhebern aller Fruͤchte der Erden, große Hochachtung. Sie bedie- nen ſich keiner Kirchen, Geiſtlichen oder Buͤcher. Die Vielweiberey iſt bey ihnen gewoͤhnlich, ſo daß ſie zwey oder drey Schweſtern zugleich heirathen. Jhre Weiber und Toͤchter ſind insgeſammt in ein Stuͤck
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ſind ein barbariſches betruͤgeriſches und grauſames
Volk, das bloß vom Raube lebt. Jhre Nahrung
ſind wilde Voͤgel, Fiſche und Honig, nebſt einem Ue-
berfluſſe an Milch, die ihnen ihre Weiden verſchaffen,
wie ſie denn auch das Fleiſch von ihren Pferden und
Kuͤhen eſſen, wenn ſie ſterben; denn ſie toͤdten niemals
einige davon. Sie haben keine Haͤuſer, ſondern elen-
de Huͤtten. Die auf der rechten Seite des Fluſſes wer-
den Nagarin oder Bergbewohner genannt, und die
zur Linken, heißen Lugoivi, von ihren Wieſen, auf
welchen ſie auf beyden Seiten des Fluſſes Heu ma-
chen. Sie ſind alle Heiden, und bedienen ſich we-
der der Beſchneidung noch der Taufe; ihren Kindern
geben ſie die Namen der erſten Perſonen, denen ſie
innerhalb ſechs Monaten von dem Tage der Geburt
an gerechnet, begegnen. Sie bekennen einen un-
ſterblichen Gott, den Urheber alles Guten, den man
anbeten muͤſſe, lachen aber uͤber die Unſterblichkeit
der Seele. Ob ſie gleich keine Hoͤlle glauben, ſo
fuͤrchten ſie ſich doch vor dem Teufel als dem Urheber
alles Ungluͤcks, und wollen ihn alſo durch Opfer ver-
ſoͤhnen. Wenn ſie Gott ein Opfer bringen, ſo toͤd-
ten ſie ein Pferd, eine Kuh oder ein Schaf, ſpan-
nen deſſen Fell an einer hohen Stange aus, und rufen
es an, damit es bey Gott fuͤr ſie bitten moͤge, daß er
die Anzahl ihres Viehes vermehre. Sie bezeigen
der Sonne und dem Monde, als den Urhebern aller
Fruͤchte der Erden, große Hochachtung. Sie bedie-
nen ſich keiner Kirchen, Geiſtlichen oder Buͤcher.
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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/283>, abgerufen am 25.11.2024.
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