"Mehr als etwan sonst geschehn, "Und nach allen Kräften üben, mit dem Sacrament versehn, "Um dadurch zum nahen Kampf, in den letzten Augen- blicken, "Muthiger sich anzuschicken. "Alle diese Vortheil' aber werden uns dadurch benommen, "Da man immer ungewiß, wenn die letzte Stunde kom- men "Und der Tod uns würgen werde. Da man seines Le- bens Schluß "Jn beständger Ungewißheit stets mit Angst erwarten muß, "Möchte man nur dieses wissen, was würd' alsbald in den Seelen, "Die sich jetzo mit Verwirrung, Zweifel, Gram und Kummer quälen, "Und vor Sorgen fast vergehn, "Nicht für eine Still entstehn!"
A. Nun du handelst recht vernünftig, daß, bis dir die Augen brechen, Du was suchest aufzutreiben, deinem Gott zu wider- sprechen. Doch, bevor ich weiter gehe: so erwäge doch vorher, Wenn es solch ein großes Glück, ein so großer Vortheil wär, Deinen Tod vorher zu wissen; Hätt'st du billig auf die Krankheit nicht so heftig schmä- len müssen: Denn dieß ist die andre Wohlthat, die man aus der Krankheit zieht, Daß sie einen Todesboten abzugeben sich bemüht,
Und
Anleitung
„Mehr als etwan ſonſt geſchehn, „Und nach allen Kraͤften uͤben, mit dem Sacrament verſehn, „Um dadurch zum nahen Kampf, in den letzten Augen- blicken, „Muthiger ſich anzuſchicken. „Alle dieſe Vortheil’ aber werden uns dadurch benommen, „Da man immer ungewiß, wenn die letzte Stunde kom- men „Und der Tod uns wuͤrgen werde. Da man ſeines Le- bens Schluß „Jn beſtaͤndger Ungewißheit ſtets mit Angſt erwarten muß, „Moͤchte man nur dieſes wiſſen, was wuͤrd’ alsbald in den Seelen, „Die ſich jetzo mit Verwirrung, Zweifel, Gram und Kummer quaͤlen, „Und vor Sorgen faſt vergehn, „Nicht fuͤr eine Still entſtehn!“
A. Nun du handelſt recht vernuͤnftig, daß, bis dir die Augen brechen, Du was ſucheſt aufzutreiben, deinem Gott zu wider- ſprechen. Doch, bevor ich weiter gehe: ſo erwaͤge doch vorher, Wenn es ſolch ein großes Gluͤck, ein ſo großer Vortheil waͤr, Deinen Tod vorher zu wiſſen; Haͤtt’ſt du billig auf die Krankheit nicht ſo heftig ſchmaͤ- len muͤſſen: Denn dieß iſt die andre Wohlthat, die man aus der Krankheit zieht, Daß ſie einen Todesboten abzugeben ſich bemuͤht,
Und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lg><l><pbfacs="#f0626"n="606"/><fwplace="top"type="header">Anleitung</fw><lb/>„Mehr als etwan ſonſt geſchehn,<lb/>„Und nach allen Kraͤften uͤben, mit dem Sacrament<lb/><hirendition="#et">verſehn,</hi></l><lb/><l>„Um dadurch zum nahen Kampf, in den letzten Augen-<lb/><hirendition="#et">blicken,</hi></l><lb/><l>„Muthiger ſich anzuſchicken.<lb/>„Alle dieſe Vortheil’ aber werden uns dadurch benommen,<lb/>„Da man immer ungewiß, wenn die letzte Stunde kom-<lb/><hirendition="#et">men</hi></l><lb/><l>„Und der Tod uns wuͤrgen werde. Da man ſeines Le-<lb/><hirendition="#et">bens Schluß</hi></l><lb/><l>„Jn beſtaͤndger Ungewißheit ſtets mit Angſt erwarten<lb/><hirendition="#et">muß,</hi></l><lb/><l>„Moͤchte man nur dieſes wiſſen, was wuͤrd’ alsbald in<lb/><hirendition="#et">den Seelen,</hi></l><lb/><l>„Die ſich jetzo mit Verwirrung, Zweifel, Gram und<lb/><hirendition="#et">Kummer quaͤlen,</hi></l><lb/><l>„Und vor Sorgen faſt vergehn,<lb/>„Nicht fuͤr eine Still entſtehn!“</l></lg><lb/><lg><l>A. Nun du handelſt recht vernuͤnftig, daß, bis<lb/><hirendition="#et">dir die Augen brechen,</hi></l><lb/><l>Du was ſucheſt aufzutreiben, deinem Gott zu wider-<lb/><hirendition="#et">ſprechen.</hi></l><lb/><l>Doch, bevor ich weiter gehe: ſo erwaͤge doch vorher,</l><lb/><l>Wenn es ſolch ein großes Gluͤck, ein ſo großer Vortheil<lb/><hirendition="#et">waͤr,</hi></l><lb/><l>Deinen Tod vorher zu wiſſen;</l><lb/><l>Haͤtt’ſt du billig auf die <hirendition="#fr">Krankheit</hi> nicht ſo heftig ſchmaͤ-<lb/><hirendition="#et">len muͤſſen:</hi></l><lb/><l>Denn dieß iſt die andre Wohlthat, die man aus der<lb/><hirendition="#et">Krankheit zieht,</hi></l><lb/><l>Daß ſie einen Todesboten abzugeben ſich bemuͤht,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Und</fw><lb/></l></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[606/0626]
Anleitung
„Mehr als etwan ſonſt geſchehn,
„Und nach allen Kraͤften uͤben, mit dem Sacrament
verſehn,
„Um dadurch zum nahen Kampf, in den letzten Augen-
blicken,
„Muthiger ſich anzuſchicken.
„Alle dieſe Vortheil’ aber werden uns dadurch benommen,
„Da man immer ungewiß, wenn die letzte Stunde kom-
men
„Und der Tod uns wuͤrgen werde. Da man ſeines Le-
bens Schluß
„Jn beſtaͤndger Ungewißheit ſtets mit Angſt erwarten
muß,
„Moͤchte man nur dieſes wiſſen, was wuͤrd’ alsbald in
den Seelen,
„Die ſich jetzo mit Verwirrung, Zweifel, Gram und
Kummer quaͤlen,
„Und vor Sorgen faſt vergehn,
„Nicht fuͤr eine Still entſtehn!“
A. Nun du handelſt recht vernuͤnftig, daß, bis
dir die Augen brechen,
Du was ſucheſt aufzutreiben, deinem Gott zu wider-
ſprechen.
Doch, bevor ich weiter gehe: ſo erwaͤge doch vorher,
Wenn es ſolch ein großes Gluͤck, ein ſo großer Vortheil
waͤr,
Deinen Tod vorher zu wiſſen;
Haͤtt’ſt du billig auf die Krankheit nicht ſo heftig ſchmaͤ-
len muͤſſen:
Denn dieß iſt die andre Wohlthat, die man aus der
Krankheit zieht,
Daß ſie einen Todesboten abzugeben ſich bemuͤht,
Und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/626>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.