Bald wird man hier, bald dort geneckt und fortgestoßen, ausgetrieben. Doch was mich am meisten wundert: da wir den mor- schen Körper lieben, Was würde dann von uns geschehn, wenn er, von Pein und Krankheit frey, Jn unverrückter Dauer stünde. Man treibet uns fast für und für Aus unsrer Wohnung mit Gewalt, dem ungeachtet hangen wir Dem, der uns von sich treibet, an. Was würden wir nicht dann erst thun, Wenn wir uns wohl in ihm befänden, auf Rosenbetten in ihm ruhn, Uns stets in ihm vergnügen könnten? wie wär uns unsre Sterblichkeit Sodann mit größrem Rechte leid! Wie würd' alsdann die Menschheit allen So widrig seyn, so sehr misfallen! Jtzt schwinden stündlich unsre Kräfte, der Leib wird welk. Doch unser Sinn, Von eitler Thorheit aufgebläht, hängt immer nach dem Körper hin, Und will das willig nicht verlassen, was ihn doch unge- fragt verläßt. Kann man was Thörichters verrichten? Besinne dich, wo noch ein Rest Von Klugheit sich bey dir befindet. Laß ohne Gram den von dir fahren, Dem du die Flucht nicht wehren k[verlorenes Material - Zeichen fehlt]st, und der nicht bleiben will, a[verlorenes Material - Zeichen fehlt]em Du einen groben Wirth ja findest, da auch die Herberg' unbequem,
Und
Anleitung
Bald wird man hier, bald dort geneckt und fortgeſtoßen, ausgetrieben. Doch was mich am meiſten wundert: da wir den mor- ſchen Koͤrper lieben, Was wuͤrde dann von uns geſchehn, wenn er, von Pein und Krankheit frey, Jn unverruͤckter Dauer ſtuͤnde. Man treibet uns faſt fuͤr und fuͤr Aus unſrer Wohnung mit Gewalt, dem ungeachtet hangen wir Dem, der uns von ſich treibet, an. Was wuͤrden wir nicht dann erſt thun, Wenn wir uns wohl in ihm befaͤnden, auf Roſenbetten in ihm ruhn, Uns ſtets in ihm vergnuͤgen koͤnnten? wie waͤr uns unſre Sterblichkeit Sodann mit groͤßrem Rechte leid! Wie wuͤrd’ alsdann die Menſchheit allen So widrig ſeyn, ſo ſehr misfallen! Jtzt ſchwinden ſtuͤndlich unſre Kraͤfte, der Leib wird welk. Doch unſer Sinn, Von eitler Thorheit aufgeblaͤht, haͤngt immer nach dem Koͤrper hin, Und will das willig nicht verlaſſen, was ihn doch unge- fragt verlaͤßt. Kann man was Thoͤrichters verrichten? Beſinne dich, wo noch ein Reſt Von Klugheit ſich bey dir befindet. Laß ohne Gram den von dir fahren, Dem du die Flucht nicht wehren k[verlorenes Material – Zeichen fehlt]ſt, und der nicht bleiben will, a[verlorenes Material – Zeichen fehlt]em Du einen groben Wirth ja findeſt, da auch die Herberg’ unbequem,
Und
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Bald wird man hier, bald dort geneckt und fortgeſtoßen,
ausgetrieben.
Doch was mich am meiſten wundert: da wir den mor-
ſchen Koͤrper lieben,
Was wuͤrde dann von uns geſchehn, wenn er, von Pein
und Krankheit frey,
Jn unverruͤckter Dauer ſtuͤnde. Man treibet uns faſt
fuͤr und fuͤr
Aus unſrer Wohnung mit Gewalt, dem ungeachtet hangen
wir
Dem, der uns von ſich treibet, an. Was wuͤrden wir
nicht dann erſt thun,
Wenn wir uns wohl in ihm befaͤnden, auf Roſenbetten
in ihm ruhn,
Uns ſtets in ihm vergnuͤgen koͤnnten? wie waͤr uns unſre
Sterblichkeit
Sodann mit groͤßrem Rechte leid!
Wie wuͤrd’ alsdann die Menſchheit allen
So widrig ſeyn, ſo ſehr misfallen!
Jtzt ſchwinden ſtuͤndlich unſre Kraͤfte, der Leib wird welk.
Doch unſer Sinn,
Von eitler Thorheit aufgeblaͤht, haͤngt immer nach dem
Koͤrper hin,
Und will das willig nicht verlaſſen, was ihn doch unge-
fragt verlaͤßt.
Kann man was Thoͤrichters verrichten? Beſinne dich, wo
noch ein Reſt
Von Klugheit ſich bey dir befindet. Laß ohne Gram den
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bleiben will, a_ em
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/620>, abgerufen am 22.11.2024.
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