"Dieß wär entsetzlich." A. Nun wohlan, Was fängt man mit so fremdem Geist, als wie der dei- nige, doch an? Du willt zwar sterben, aber doch nicht schnell und auch gewaltsam nicht, Auch langsam nicht, nicht allgemach. So gieb mir selbst den Unterricht. Gesund verabscheu'st du den Tod, durch Krankheit soll er auch nicht kommen, Auf welche Weise willt du denn, daß dir das Leben sey genommen?
So laß denn sehn, du, der du Pein im Tod' und alle Krankheit hassest, Als seine Boten und Begleiter, ob du hierinn dich wohl befassest? Du hältst es billig, daß wir sterben. Jst dieß sonst was, als aufzuhören? Des ganzen Körpers festen Bau auf einmal plötzlich zu zerstören, Sey hart, gewaltsam, sagest du. Was für ein' herr- liche Erfindung Jst denn dieß Mittel der Natur, und in ihr, Gottes! die Verbindung Des Menschenkörpers so gefügt, so wunderbar vereint zu haben, Daß, selbst durch den Gebrauch zerrieben und abgenützt, er allgemach, Und ohn ein sonderbar Empfinden und strenge Schmerzen, nach und nach Verschwind' und aufgelöset werde? dieß thut die Krank- heit. Alle schaben
Am
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zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
„Dieß waͤr entſetzlich.“ A. Nun wohlan, Was faͤngt man mit ſo fremdem Geiſt, als wie der dei- nige, doch an? Du willt zwar ſterben, aber doch nicht ſchnell und auch gewaltſam nicht, Auch langſam nicht, nicht allgemach. So gieb mir ſelbſt den Unterricht. Geſund verabſcheu’ſt du den Tod, durch Krankheit ſoll er auch nicht kommen, Auf welche Weiſe willt du denn, daß dir das Leben ſey genommen?
So laß denn ſehn, du, der du Pein im Tod’ und alle Krankheit haſſeſt, Als ſeine Boten und Begleiter, ob du hierinn dich wohl befaſſeſt? Du haͤltſt es billig, daß wir ſterben. Jſt dieß ſonſt was, als aufzuhoͤren? Des ganzen Koͤrpers feſten Bau auf einmal ploͤtzlich zu zerſtoͤren, Sey hart, gewaltſam, ſageſt du. Was fuͤr ein’ herr- liche Erfindung Jſt denn dieß Mittel der Natur, und in ihr, Gottes! die Verbindung Des Menſchenkoͤrpers ſo gefuͤgt, ſo wunderbar vereint zu haben, Daß, ſelbſt durch den Gebrauch zerrieben und abgenuͤtzt, er allgemach, Und ohn ein ſonderbar Empfinden und ſtrenge Schmerzen, nach und nach Verſchwind’ und aufgeloͤſet werde? dieß thut die Krank- heit. Alle ſchaben
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zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
„Dieß waͤr entſetzlich.“ A. Nun wohlan,
Was faͤngt man mit ſo fremdem Geiſt, als wie der dei-
nige, doch an?
Du willt zwar ſterben, aber doch nicht ſchnell und auch
gewaltſam nicht,
Auch langſam nicht, nicht allgemach. So gieb mir ſelbſt
den Unterricht.
Geſund verabſcheu’ſt du den Tod, durch Krankheit ſoll er
auch nicht kommen,
Auf welche Weiſe willt du denn, daß dir das Leben ſey
genommen?
So laß denn ſehn, du, der du Pein im Tod’ und alle
Krankheit haſſeſt,
Als ſeine Boten und Begleiter, ob du hierinn dich wohl
befaſſeſt?
Du haͤltſt es billig, daß wir ſterben. Jſt dieß ſonſt
was, als aufzuhoͤren?
Des ganzen Koͤrpers feſten Bau auf einmal ploͤtzlich zu
zerſtoͤren,
Sey hart, gewaltſam, ſageſt du. Was fuͤr ein’ herr-
liche Erfindung
Jſt denn dieß Mittel der Natur, und in ihr, Gottes!
die Verbindung
Des Menſchenkoͤrpers ſo gefuͤgt, ſo wunderbar vereint
zu haben,
Daß, ſelbſt durch den Gebrauch zerrieben und abgenuͤtzt,
er allgemach,
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Verſchwind’ und aufgeloͤſet werde? dieß thut die Krank-
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/613>, abgerufen am 22.11.2024.
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