Wirft er dem Schöpfer murrend vor. B. "Wie hart, wie grausam ist es nicht, "Spricht er: mit solchen scharfen Martern, mit Poda- gra, mit Stein und Gicht "So jämmerlich, so lange Zeit, bevor der Körper kann erblassen, "Sich nagen und zerfoltern lassen? "Bald in des Fiebers Flammen brennen? bald durch der Nerven scharfe Pein "Als spitzen Stacheln, scharfen Dornen, zerrissen und durchbohret seyn? "Bald, bis zur Raserey, gedrengt von Haupt- von Brust- und Magenschmerzen, "Vom mörderischen Seitenstechen, Angst und Beklem- mungen im Herzen, "Und dieß sind dennoch nur die Spuren von der erst künftgen Todesnoth, "Bey solchem wütherischen Vorspiel, was ist denn nun erst selbst der Tod? A. So willt du, wie ich höre, denn wohl gar nicht sterben? B. "Dieses nicht; "Jch wegere mich nicht zu sterben, und weis, daß die- ses meine Pflicht." A. Verlangst du denn, bey starken Gliedern, gewalt- sam aus der Welt zu scheiden? Willt du erdrosseln? soll das Schwerdt das Haupt dir von den Schultern schneiden? Soll dich vielleicht die Flut ersäufen? dein Herz vom Dolch durchstochen seyn? B. "Zu diesen allen sag ich: Nein, "Die Todesarten wären ja zu hart, zu grausam, schnell zu sterben, "Wenn noch die Seele ganz in uns (wie Saul sich aus- drückt) zu verderben,
"Dieß
Anleitung
Wirft er dem Schoͤpfer murrend vor. B. „Wie hart, wie grauſam iſt es nicht, „Spricht er: mit ſolchen ſcharfen Martern, mit Poda- gra, mit Stein und Gicht „So jaͤm̃erlich, ſo lange Zeit, bevor der Koͤrper kann erblaſſen, „Sich nagen und zerfoltern laſſen? „Bald in des Fiebers Flammen brennen? bald durch der Nerven ſcharfe Pein „Als ſpitzen Stacheln, ſcharfen Dornen, zerriſſen und durchbohret ſeyn? „Bald, bis zur Raſerey, gedrengt von Haupt- von Bruſt- und Magenſchmerzen, „Vom moͤrderiſchen Seitenſtechen, Angſt und Beklem- mungen im Herzen, „Und dieß ſind dennoch nur die Spuren von der erſt kuͤnftgen Todesnoth, „Bey ſolchem wuͤtheriſchen Vorſpiel, was iſt denn nun erſt ſelbſt der Tod? A. So willt du, wie ich hoͤre, denn wohl gar nicht ſterben? B. „Dieſes nicht; „Jch wegere mich nicht zu ſterben, und weis, daß die- ſes meine Pflicht.“ A. Verlangſt du denn, bey ſtarken Gliedern, gewalt- ſam aus der Welt zu ſcheiden? Willt du erdroſſeln? ſoll das Schwerdt das Haupt dir von den Schultern ſchneiden? Soll dich vielleicht die Flut erſaͤufen? dein Herz vom Dolch durchſtochen ſeyn? B. „Zu dieſen allen ſag ich: Nein, „Die Todesarten waͤren ja zu hart, zu grauſam, ſchnell zu ſterben, „Wenn noch die Seele ganz in uns (wie Saul ſich aus- druͤckt) zu verderben,
„Dieß
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Anleitung
Wirft er dem Schoͤpfer murrend vor. B. „Wie hart,
wie grauſam iſt es nicht,
„Spricht er: mit ſolchen ſcharfen Martern, mit Poda-
gra, mit Stein und Gicht
„So jaͤm̃erlich, ſo lange Zeit, bevor der Koͤrper kann erblaſſen,
„Sich nagen und zerfoltern laſſen?
„Bald in des Fiebers Flammen brennen? bald durch
der Nerven ſcharfe Pein
„Als ſpitzen Stacheln, ſcharfen Dornen, zerriſſen und
durchbohret ſeyn?
„Bald, bis zur Raſerey, gedrengt von Haupt- von
Bruſt- und Magenſchmerzen,
„Vom moͤrderiſchen Seitenſtechen, Angſt und Beklem-
mungen im Herzen,
„Und dieß ſind dennoch nur die Spuren von der erſt
kuͤnftgen Todesnoth,
„Bey ſolchem wuͤtheriſchen Vorſpiel, was iſt denn nun
erſt ſelbſt der Tod?
A. So willt du, wie ich hoͤre, denn wohl gar nicht
ſterben? B. „Dieſes nicht;
„Jch wegere mich nicht zu ſterben, und weis, daß die-
ſes meine Pflicht.“
A. Verlangſt du denn, bey ſtarken Gliedern, gewalt-
ſam aus der Welt zu ſcheiden?
Willt du erdroſſeln? ſoll das Schwerdt das Haupt dir
von den Schultern ſchneiden?
Soll dich vielleicht die Flut erſaͤufen? dein Herz vom
Dolch durchſtochen ſeyn?
B. „Zu dieſen allen ſag ich: Nein,
„Die Todesarten waͤren ja zu hart, zu grauſam, ſchnell
zu ſterben,
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/612>, abgerufen am 22.11.2024.
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