Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte


Wem Gesundheit nicht gebricht,
Der ist reich, und weis es nicht.


Warum giebt, um so kurze Freuden, der Mensch sich
doch so große Müh?
Die meisten Lüste gleichen Blumen, wenn sie gepflückt
sind, sterben sie.


Der wilde Zorn entsteht aus Leiden, ist selbst ein Leid,
gebieret Leiden,
Er kann vergangne, gegenwärtge, auch künftge Plagen
nicht vermeiden.


Kein Wunder ist es, daß die Liebe, von jeher, wenig
Anmuth gab:
Wenn wir verliebt, hängt unsre Ruhe von eines andern
Willkühr ab.


Ach taugte doch die Ueberlegung, uns für den giftgen
Neid zu schützen!
Ein Unrecht sucht der Zorn zu rächen: die Lieb', ein Gu-
tes zu besitzen,
Die Furcht, das Böse zu vermeiden: nur ganz allein der
schiele Neid
Sucht, als sein allerhöchstes Gut, des Nächsten Plag
und Herzeleid.
Bey
Vermiſchte Gedichte


Wem Geſundheit nicht gebricht,
Der iſt reich, und weis es nicht.


Warum giebt, um ſo kurze Freuden, der Menſch ſich
doch ſo große Muͤh?
Die meiſten Luͤſte gleichen Blumen, wenn ſie gepfluͤckt
ſind, ſterben ſie.


Der wilde Zorn entſteht aus Leiden, iſt ſelbſt ein Leid,
gebieret Leiden,
Er kann vergangne, gegenwaͤrtge, auch kuͤnftge Plagen
nicht vermeiden.


Kein Wunder iſt es, daß die Liebe, von jeher, wenig
Anmuth gab:
Wenn wir verliebt, haͤngt unſre Ruhe von eines andern
Willkuͤhr ab.


Ach taugte doch die Ueberlegung, uns fuͤr den giftgen
Neid zu ſchuͤtzen!
Ein Unrecht ſucht der Zorn zu raͤchen: die Lieb’, ein Gu-
tes zu beſitzen,
Die Furcht, das Boͤſe zu vermeiden: nur ganz allein der
ſchiele Neid
Sucht, als ſein allerhoͤchſtes Gut, des Naͤchſten Plag
und Herzeleid.
Bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0564" n="544"/>
              <fw place="top" type="header">Vermi&#x017F;chte Gedichte</fw><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>em Ge&#x017F;undheit nicht gebricht,</l><lb/>
                <l>Der i&#x017F;t reich, und weis es nicht.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>arum giebt, um &#x017F;o kurze Freuden, der Men&#x017F;ch &#x017F;ich</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">doch &#x017F;o große Mu&#x0364;h?</hi> </l><lb/>
                <l>Die mei&#x017F;ten Lu&#x0364;&#x017F;te gleichen Blumen, wenn &#x017F;ie gepflu&#x0364;ckt</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;ind, &#x017F;terben &#x017F;ie.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>er wilde Zorn ent&#x017F;teht aus Leiden, i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t ein Leid,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">gebieret Leiden,</hi> </l><lb/>
                <l>Er kann vergangne, gegenwa&#x0364;rtge, auch ku&#x0364;nftge Plagen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">nicht vermeiden.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">K</hi>ein Wunder i&#x017F;t es, daß die Liebe, von jeher, wenig</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Anmuth gab:</hi> </l><lb/>
                <l>Wenn wir verliebt, ha&#x0364;ngt un&#x017F;re Ruhe von eines andern</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Willku&#x0364;hr ab.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">A</hi>ch taugte doch die Ueberlegung, uns fu&#x0364;r den giftgen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Neid zu &#x017F;chu&#x0364;tzen!</hi> </l><lb/>
                <l>Ein Unrecht &#x017F;ucht der Zorn zu ra&#x0364;chen: die Lieb&#x2019;, ein Gu-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">tes zu be&#x017F;itzen,</hi> </l><lb/>
                <l>Die Furcht, das Bo&#x0364;&#x017F;e zu vermeiden: nur ganz allein der</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chiele Neid</hi> </l><lb/>
                <l>Sucht, als &#x017F;ein allerho&#x0364;ch&#x017F;tes Gut, des Na&#x0364;ch&#x017F;ten Plag</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">und Herzeleid.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Bey</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[544/0564] Vermiſchte Gedichte Wem Geſundheit nicht gebricht, Der iſt reich, und weis es nicht. Warum giebt, um ſo kurze Freuden, der Menſch ſich doch ſo große Muͤh? Die meiſten Luͤſte gleichen Blumen, wenn ſie gepfluͤckt ſind, ſterben ſie. Der wilde Zorn entſteht aus Leiden, iſt ſelbſt ein Leid, gebieret Leiden, Er kann vergangne, gegenwaͤrtge, auch kuͤnftge Plagen nicht vermeiden. Kein Wunder iſt es, daß die Liebe, von jeher, wenig Anmuth gab: Wenn wir verliebt, haͤngt unſre Ruhe von eines andern Willkuͤhr ab. Ach taugte doch die Ueberlegung, uns fuͤr den giftgen Neid zu ſchuͤtzen! Ein Unrecht ſucht der Zorn zu raͤchen: die Lieb’, ein Gu- tes zu beſitzen, Die Furcht, das Boͤſe zu vermeiden: nur ganz allein der ſchiele Neid Sucht, als ſein allerhoͤchſtes Gut, des Naͤchſten Plag und Herzeleid. Bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/564
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/564>, abgerufen am 25.11.2024.