Und es begreift es leicht ein jeder, Der göttlichen Oeconomie sey es gemäß und nicht zuwider, Auch in der Aendrung sich zu zeigen, und alles immer zu verbessern, Und seine wunderbare Huld auch in der Aendrung zu vergrößern. Die Aenderung erstrecket sich auf Zeiten und Religio- nen. Es herrschten einmal in der Welt die Zeiten der Unwissenheit, Es folgeten die Typischen, darauf kam die Erfüllungszeit. Kann denn die Zeit der Besserung und der Erleuchtung nicht erscheinen? Mich deucht, es sey der Satz so billig, und wohl mit Recht nicht zu verneinen, Als es unwidersprechlich ist, daß, wie vortrefflich auch die Lehren Des Christenthums, dennoch das Leben der Christen nicht zu loben sey: Da leider! daß bey Heiden selbst von Lastern kaum so vielerley, Als wie bey Christen, anzutreffen, uns die Erfahrungen bewehren. Unmöglich ist es, aus dem Leben der meisten Christen zu er- weisen, Wie trefflich ihre Lehre sey. Wer weis, ob die Ver- besserung Der menschlichen Jdee von Gott, auch durch das Leben, ihn zu preisen, Die Sterblichen nicht bringen könne. Aufs wenigste will ich es hoffen, Und wünsch: es sey auch bald bey Christen die Zeit der Beßrung eingetroffen.
Jch
Vermiſchte Gedichte
Und es begreift es leicht ein jeder, Der goͤttlichen Oeconomie ſey es gemaͤß und nicht zuwider, Auch in der Aendrung ſich zu zeigen, und alles immer zu verbeſſern, Und ſeine wunderbare Huld auch in der Aendrung zu vergroͤßern. Die Aenderung erſtrecket ſich auf Zeiten und Religio- nen. Es herrſchten einmal in der Welt die Zeiten der Unwiſſenheit, Es folgeten die Typiſchen, darauf kam die Erfuͤllungszeit. Kann denn die Zeit der Beſſerung und der Erleuchtung nicht erſcheinen? Mich deucht, es ſey der Satz ſo billig, und wohl mit Recht nicht zu verneinen, Als es unwiderſprechlich iſt, daß, wie vortrefflich auch die Lehren Des Chriſtenthums, dennoch das Leben der Chriſten nicht zu loben ſey: Da leider! daß bey Heiden ſelbſt von Laſtern kaum ſo vielerley, Als wie bey Chriſten, anzutreffen, uns die Erfahrungen bewehren. Unmoͤglich iſt es, aus dem Leben der meiſten Chriſten zu er- weiſen, Wie trefflich ihre Lehre ſey. Wer weis, ob die Ver- beſſerung Der menſchlichen Jdee von Gott, auch durch das Leben, ihn zu preiſen, Die Sterblichen nicht bringen koͤnne. Aufs wenigſte will ich es hoffen, Und wuͤnſch: es ſey auch bald bey Chriſten die Zeit der Beßrung eingetroffen.
Jch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgn="28"><l><pbfacs="#f0538"n="518"/><fwplace="top"type="header">Vermiſchte Gedichte</fw></l><lb/><l>Und es begreift es leicht ein jeder,</l><lb/><l>Der goͤttlichen Oeconomie ſey es gemaͤß und nicht zuwider,</l><lb/><l>Auch in der Aendrung ſich zu zeigen, und alles immer<lb/><hirendition="#et">zu verbeſſern,</hi></l><lb/><l>Und ſeine wunderbare Huld auch in der Aendrung<lb/><hirendition="#et">zu vergroͤßern.</hi></l><lb/><l>Die Aenderung erſtrecket ſich auf Zeiten und Religio-<lb/><hirendition="#et">nen.</hi></l><lb/><l>Es herrſchten einmal in der Welt die Zeiten der Unwiſſenheit,</l><lb/><l>Es folgeten die Typiſchen, darauf kam die Erfuͤllungszeit.</l><lb/><l>Kann denn die Zeit der Beſſerung und der Erleuchtung<lb/><hirendition="#et">nicht erſcheinen?</hi></l><lb/><l>Mich deucht, es ſey der Satz ſo billig, und wohl mit<lb/><hirendition="#et">Recht nicht zu verneinen,</hi></l><lb/><l>Als es unwiderſprechlich iſt, daß, wie vortrefflich auch<lb/><hirendition="#et">die Lehren</hi></l><lb/><l>Des Chriſtenthums, dennoch das Leben der Chriſten<lb/><hirendition="#et">nicht zu loben ſey:</hi></l><lb/><l>Da leider! daß bey Heiden ſelbſt von Laſtern kaum<lb/><hirendition="#et">ſo vielerley,</hi></l><lb/><l>Als wie bey Chriſten, anzutreffen, uns die Erfahrungen<lb/><hirendition="#et">bewehren.</hi></l><lb/><l>Unmoͤglich iſt es, aus dem Leben der meiſten Chriſten zu er-<lb/><hirendition="#et">weiſen,</hi></l><lb/><l>Wie trefflich ihre Lehre ſey. Wer weis, ob die Ver-<lb/><hirendition="#et">beſſerung</hi></l><lb/><l>Der menſchlichen Jdee von Gott, auch durch das Leben,<lb/><hirendition="#et">ihn zu preiſen,</hi></l><lb/><l>Die Sterblichen nicht bringen koͤnne. Aufs wenigſte<lb/><hirendition="#et">will ich es hoffen,</hi></l><lb/><l>Und wuͤnſch: es ſey auch bald bey Chriſten die Zeit der<lb/><hirendition="#et">Beßrung eingetroffen.</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[518/0538]
Vermiſchte Gedichte
Und es begreift es leicht ein jeder,
Der goͤttlichen Oeconomie ſey es gemaͤß und nicht zuwider,
Auch in der Aendrung ſich zu zeigen, und alles immer
zu verbeſſern,
Und ſeine wunderbare Huld auch in der Aendrung
zu vergroͤßern.
Die Aenderung erſtrecket ſich auf Zeiten und Religio-
nen.
Es herrſchten einmal in der Welt die Zeiten der Unwiſſenheit,
Es folgeten die Typiſchen, darauf kam die Erfuͤllungszeit.
Kann denn die Zeit der Beſſerung und der Erleuchtung
nicht erſcheinen?
Mich deucht, es ſey der Satz ſo billig, und wohl mit
Recht nicht zu verneinen,
Als es unwiderſprechlich iſt, daß, wie vortrefflich auch
die Lehren
Des Chriſtenthums, dennoch das Leben der Chriſten
nicht zu loben ſey:
Da leider! daß bey Heiden ſelbſt von Laſtern kaum
ſo vielerley,
Als wie bey Chriſten, anzutreffen, uns die Erfahrungen
bewehren.
Unmoͤglich iſt es, aus dem Leben der meiſten Chriſten zu er-
weiſen,
Wie trefflich ihre Lehre ſey. Wer weis, ob die Ver-
beſſerung
Der menſchlichen Jdee von Gott, auch durch das Leben,
ihn zu preiſen,
Die Sterblichen nicht bringen koͤnne. Aufs wenigſte
will ich es hoffen,
Und wuͤnſch: es ſey auch bald bey Chriſten die Zeit der
Beßrung eingetroffen.
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/538>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.