Ein unanständigs Denkbild reißen. Wenn wir mit sol- chen Gottheitsbildern, Die wir auf eine solche Art uns sträflich im Gemüthe schildern, Die sonst vernünftge Seele füllen; so scheinet, daß Ab- götterey Von unsrer Seel in unsrer Seele getrieben und begangen sey. Da gegentheils die Seele sich dem wahren Gott zu opfern scheinet, Wenn sie, daß Gott die wahre Seele des Allgemeinen glaubt und meynet. Sprich nicht: Nach diesem deinen Satz, wär die Mate- rie, die Welt Der Leib, ein Körper von der Gottheit. O nein, dieß Bild geht nicht so weit. Was uns von der Materie in unserm Geist wird vor- gestellt, Und die Jdee von eines Körpers etwanigen Beschaffenheit, Stellt etwas, welches eingeschränket, vergänglich und veränderlich, Jn unserem Gemüth uns vor. So lange der Gedanke sich Jn unserm Geist vom Körper findet; enthalt ich mich von Gott zu denken, Als könn' ihn die Materie, wie unser Leib den Geist, verschränken. Zu dem erwähnt' ich ja schon oben, daß wir, der Gott- heit wahres Wesen, Als welches unbegreiflich ist, hier zu begreifen, nicht erlesen. Doch sind wir, wie ich meyne, schuldig, die Wahrheit möglichst zu erhellen Und, eigentlich zu unserm Besten, von Gott ein Bild uns vorzustellen,
Das
Vermiſchte Gedichte
Ein unanſtaͤndigs Denkbild reißen. Wenn wir mit ſol- chen Gottheitsbildern, Die wir auf eine ſolche Art uns ſtraͤflich im Gemuͤthe ſchildern, Die ſonſt vernuͤnftge Seele fuͤllen; ſo ſcheinet, daß Ab- goͤtterey Von unſrer Seel in unſrer Seele getrieben und begangen ſey. Da gegentheils die Seele ſich dem wahren Gott zu opfern ſcheinet, Wenn ſie, daß Gott die wahre Seele des Allgemeinen glaubt und meynet. Sprich nicht: Nach dieſem deinen Satz, waͤr die Mate- rie, die Welt Der Leib, ein Koͤrper von der Gottheit. O nein, dieß Bild geht nicht ſo weit. Was uns von der Materie in unſerm Geiſt wird vor- geſtellt, Und die Jdee von eines Koͤrpers etwanigen Beſchaffenheit, Stellt etwas, welches eingeſchraͤnket, vergaͤnglich und veraͤnderlich, Jn unſerem Gemuͤth uns vor. So lange der Gedanke ſich Jn unſerm Geiſt vom Koͤrper findet; enthalt ich mich von Gott zu denken, Als koͤnn’ ihn die Materie, wie unſer Leib den Geiſt, verſchraͤnken. Zu dem erwaͤhnt’ ich ja ſchon oben, daß wir, der Gott- heit wahres Weſen, Als welches unbegreiflich iſt, hier zu begreifen, nicht erleſen. Doch ſind wir, wie ich meyne, ſchuldig, die Wahrheit moͤglichſt zu erhellen Und, eigentlich zu unſerm Beſten, von Gott ein Bild uns vorzuſtellen,
Das
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Vermiſchte Gedichte
Ein unanſtaͤndigs Denkbild reißen. Wenn wir mit ſol-
chen Gottheitsbildern,
Die wir auf eine ſolche Art uns ſtraͤflich im Gemuͤthe
ſchildern,
Die ſonſt vernuͤnftge Seele fuͤllen; ſo ſcheinet, daß Ab-
goͤtterey
Von unſrer Seel in unſrer Seele getrieben und begangen ſey.
Da gegentheils die Seele ſich dem wahren Gott zu opfern
ſcheinet,
Wenn ſie, daß Gott die wahre Seele des Allgemeinen
glaubt und meynet.
Sprich nicht: Nach dieſem deinen Satz, waͤr die Mate-
rie, die Welt
Der Leib, ein Koͤrper von der Gottheit. O nein, dieß
Bild geht nicht ſo weit.
Was uns von der Materie in unſerm Geiſt wird vor-
geſtellt,
Und die Jdee von eines Koͤrpers etwanigen Beſchaffenheit,
Stellt etwas, welches eingeſchraͤnket, vergaͤnglich und
veraͤnderlich,
Jn unſerem Gemuͤth uns vor. So lange der Gedanke ſich
Jn unſerm Geiſt vom Koͤrper findet; enthalt ich mich
von Gott zu denken,
Als koͤnn’ ihn die Materie, wie unſer Leib den Geiſt,
verſchraͤnken.
Zu dem erwaͤhnt’ ich ja ſchon oben, daß wir, der Gott-
heit wahres Weſen,
Als welches unbegreiflich iſt, hier zu begreifen, nicht
erleſen.
Doch ſind wir, wie ich meyne, ſchuldig, die Wahrheit
moͤglichſt zu erhellen
Und, eigentlich zu unſerm Beſten, von Gott ein Bild
uns vorzuſtellen,
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/534>, abgerufen am 22.11.2024.
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