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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

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Vermischte Gedichte

Denn daß Gott, die ewge Liebe, sollte Kreaturen schaf-
fen

Zu dem Zweck, so lang' sie dauren, unaufhörlich sie zu
strafen,

Sonder sich auch ihnen einst, als ein Vater, zu erzeigen,
Sonder je mit seiner Güte auch zu ihnen sich zu neigen,
Jhnen nimmer Guts zu thun; ein solch sträfliches Ge-
richt

Fället ein vernünftger Geist von der ewgen Liebe nicht.

Laßt uns denn, wofern wir können, alle Meynungen
vergessen,

Die Erziehung, Vorurtheil, uns von einer andern
Welt

Bis dahero vorgestellt,
Und nur das zu Rathe nehmen, was wir fassen und er-
messen!
Was für ein verändert Bild, stellt sich uns natürlich
für,

Wenn man an die Menschen denkt, die so gar verschiedlich
lebten.

Setzet dieß nur, daß sie dauren, daß, von Dingen wel-
che hier

Mit denselben vorgegangen, noch Begriff' an ihnen kleb-
ten.

Dieses ist der erste Satz, welchen wir von denen schließen,
Die hier Müh und Noth gedrücket, daß nach überstand-
nem Leid

Sie der Ruhe Süßigkeit
Ungestöret nun genießen.
Der so bittern Noth zu leben unerträglichem Beschwer
Sind sie nun einmal entnommen, und sie quälet sie nicht
mehr.
Die

Vermiſchte Gedichte

Denn daß Gott, die ewge Liebe, ſollte Kreaturen ſchaf-
fen

Zu dem Zweck, ſo lang’ ſie dauren, unaufhoͤrlich ſie zu
ſtrafen,

Sonder ſich auch ihnen einſt, als ein Vater, zu erzeigen,
Sonder je mit ſeiner Guͤte auch zu ihnen ſich zu neigen,
Jhnen nimmer Guts zu thun; ein ſolch ſtraͤfliches Ge-
richt

Faͤllet ein vernuͤnftger Geiſt von der ewgen Liebe nicht.

Laßt uns denn, wofern wir koͤnnen, alle Meynungen
vergeſſen,

Die Erziehung, Vorurtheil, uns von einer andern
Welt

Bis dahero vorgeſtellt,
Und nur das zu Rathe nehmen, was wir faſſen und er-
meſſen!
Was fuͤr ein veraͤndert Bild, ſtellt ſich uns natuͤrlich
fuͤr,

Wenn man an die Menſchen denkt, die ſo gar verſchiedlich
lebten.

Setzet dieß nur, daß ſie dauren, daß, von Dingen wel-
che hier

Mit denſelben vorgegangen, noch Begriff’ an ihnen kleb-
ten.

Dieſes iſt der erſte Satz, welchen wir von denen ſchließen,
Die hier Muͤh und Noth gedruͤcket, daß nach uͤberſtand-
nem Leid

Sie der Ruhe Suͤßigkeit
Ungeſtoͤret nun genießen.
Der ſo bittern Noth zu leben unertraͤglichem Beſchwer
Sind ſie nun einmal entnommen, und ſie quaͤlet ſie nicht
mehr.
Die
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[494/0514] Vermiſchte Gedichte Denn daß Gott, die ewge Liebe, ſollte Kreaturen ſchaf- fen Zu dem Zweck, ſo lang’ ſie dauren, unaufhoͤrlich ſie zu ſtrafen, Sonder ſich auch ihnen einſt, als ein Vater, zu erzeigen, Sonder je mit ſeiner Guͤte auch zu ihnen ſich zu neigen, Jhnen nimmer Guts zu thun; ein ſolch ſtraͤfliches Ge- richt Faͤllet ein vernuͤnftger Geiſt von der ewgen Liebe nicht. Laßt uns denn, wofern wir koͤnnen, alle Meynungen vergeſſen, Die Erziehung, Vorurtheil, uns von einer andern Welt Bis dahero vorgeſtellt, Und nur das zu Rathe nehmen, was wir faſſen und er- meſſen! Was fuͤr ein veraͤndert Bild, ſtellt ſich uns natuͤrlich fuͤr, Wenn man an die Menſchen denkt, die ſo gar verſchiedlich lebten. Setzet dieß nur, daß ſie dauren, daß, von Dingen wel- che hier Mit denſelben vorgegangen, noch Begriff’ an ihnen kleb- ten. Dieſes iſt der erſte Satz, welchen wir von denen ſchließen, Die hier Muͤh und Noth gedruͤcket, daß nach uͤberſtand- nem Leid Sie der Ruhe Suͤßigkeit Ungeſtoͤret nun genießen. Der ſo bittern Noth zu leben unertraͤglichem Beſchwer Sind ſie nun einmal entnommen, und ſie quaͤlet ſie nicht mehr. Die

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/514>, abgerufen am 22.11.2024.