Die Natur sey ganz für sie. Ja, dieß ist fast nicht genug, Und man sagt davon mit Fug, Daß wie reich auch die Natur, wie ihr Gut so mancherley, Sie doch ihnen, vor sich selbst, nicht einmal genugsam sey. Jene, die, dem Ansehn nach, bloß für sie erschaffen seyn, Müssen sich beständig plagen, unaufhörlich sich bemühen, Stets mit allen Kräften wirken, und am Joch der Ar- beit ziehen, Jhnen durch die Kunst zu schaffen etwas, welches un- gemein.
Wird die Fähigkeit von diesen fast allein dazu verwandt, Jhren Jammer zu erdulden, oder ihre Pein zu tragen; Brauchen jene dazu bloß ihren sinnenden Verstand, Durch die Kunst aus der Natur was behäglichs zu er- jagen. Der, durch andrer Arbeit, ihnen stets verschaffte Müßig- gang Würde sie annoch beschweren, und die Zeit würd' ihnen lang, Wenn sie diese nicht verkürzten, wenn sie jenen nicht er- füllten Mit dem Auserlesensten, so man nur ersinnen kann; Denn sie wenden alles an, Um nicht ihre Sinnen nur, ihren Geist auch, zu ergetzen, Weil sie auch für diesen sorgen, und ihn minder nicht geziert Als den Körper, wissen wollen. Sie bereichern ihn mit Schätzen Von gelehrter Wissenschaft. An verschiednen wird ge- spürt, Daß sie auf die Weltweisheit eifrig ihr Bemühen lenken, Daß sie überlegen, denken.
Wenn
Vermiſchte Gedichte
Die Natur ſey ganz fuͤr ſie. Ja, dieß iſt faſt nicht genug, Und man ſagt davon mit Fug, Daß wie reich auch die Natur, wie ihr Gut ſo mancherley, Sie doch ihnen, vor ſich ſelbſt, nicht einmal genugſam ſey. Jene, die, dem Anſehn nach, bloß fuͤr ſie erſchaffen ſeyn, Muͤſſen ſich beſtaͤndig plagen, unaufhoͤrlich ſich bemuͤhen, Stets mit allen Kraͤften wirken, und am Joch der Ar- beit ziehen, Jhnen durch die Kunſt zu ſchaffen etwas, welches un- gemein.
Wird die Faͤhigkeit von dieſen faſt allein dazu verwandt, Jhren Jammer zu erdulden, oder ihre Pein zu tragen; Brauchen jene dazu bloß ihren ſinnenden Verſtand, Durch die Kunſt aus der Natur was behaͤglichs zu er- jagen. Der, durch andrer Arbeit, ihnen ſtets verſchaffte Muͤßig- gang Wuͤrde ſie annoch beſchweren, und die Zeit wuͤrd’ ihnen lang, Wenn ſie dieſe nicht verkuͤrzten, wenn ſie jenen nicht er- fuͤllten Mit dem Auserleſenſten, ſo man nur erſinnen kann; Denn ſie wenden alles an, Um nicht ihre Sinnen nur, ihren Geiſt auch, zu ergetzen, Weil ſie auch fuͤr dieſen ſorgen, und ihn minder nicht geziert Als den Koͤrper, wiſſen wollen. Sie bereichern ihn mit Schaͤtzen Von gelehrter Wiſſenſchaft. An verſchiednen wird ge- ſpuͤrt, Daß ſie auf die Weltweisheit eifrig ihr Bemuͤhen lenken, Daß ſie uͤberlegen, denken.
Wenn
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Vermiſchte Gedichte
Die Natur ſey ganz fuͤr ſie. Ja, dieß iſt faſt nicht genug,
Und man ſagt davon mit Fug,
Daß wie reich auch die Natur, wie ihr Gut ſo mancherley,
Sie doch ihnen, vor ſich ſelbſt, nicht einmal genugſam
ſey.
Jene, die, dem Anſehn nach, bloß fuͤr ſie erſchaffen ſeyn,
Muͤſſen ſich beſtaͤndig plagen, unaufhoͤrlich ſich bemuͤhen,
Stets mit allen Kraͤften wirken, und am Joch der Ar-
beit ziehen,
Jhnen durch die Kunſt zu ſchaffen etwas, welches un-
gemein.
Wird die Faͤhigkeit von dieſen faſt allein dazu verwandt,
Jhren Jammer zu erdulden, oder ihre Pein zu tragen;
Brauchen jene dazu bloß ihren ſinnenden Verſtand,
Durch die Kunſt aus der Natur was behaͤglichs zu er-
jagen.
Der, durch andrer Arbeit, ihnen ſtets verſchaffte Muͤßig-
gang
Wuͤrde ſie annoch beſchweren, und die Zeit wuͤrd’ ihnen lang,
Wenn ſie dieſe nicht verkuͤrzten, wenn ſie jenen nicht er-
fuͤllten
Mit dem Auserleſenſten, ſo man nur erſinnen kann;
Denn ſie wenden alles an,
Um nicht ihre Sinnen nur, ihren Geiſt auch, zu ergetzen,
Weil ſie auch fuͤr dieſen ſorgen, und ihn minder nicht
geziert
Als den Koͤrper, wiſſen wollen. Sie bereichern ihn
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Von gelehrter Wiſſenſchaft. An verſchiednen wird ge-
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/512>, abgerufen am 22.11.2024.
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