Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
zum irdischen Vergnügen in Gott.
Der Widerspruch in den mensch-
lichen Wünschen.
M. Wie eilt, wie läuft, wie fleucht die Zeit! N. Wie
dauret mir die Zeit so lange!
M. Wie angenehm ist die Gesellschaft! N. Wie oft
macht mich ein Schwätzer bange!
M. Ach wär ich ein geheimer Rath! N. Mich reizt
der güldne Mittelstand.
M. Wie lieblich ist die edle Freyheit! N. Wie angenehm
der Liebe Band!
M. Wie süß ist doch die stille Ruhe! N. Wie gerne bin
ich auf der Reise!
M. Wie wünsch ich einst vermählt zu seyn! N. Wie
ekelt mich vor dieser Speise!
M. Ach möchte mich die Nachwelt kennen! N. Wer
unbekannt, hat wohl gelebt.
M. Hätt' ich des reichen Crösus Schätze! N. Was hilft
dirs, wenn man dich begräbt?
M. Bey Hofe such ich nur mein Glück. N. Jch find' es
beym Soldatenstande.
M. Was bringt die Schiffahrt nicht für Lust! N. Viel
sichrer ist es auf dem Lande.
Auf solche Weise wünscht und handelt das ganze
menschliche Geschlecht.

So saget M. so saget N. Wer aber hat, von bey-
den, Recht?


Unbillig-
H h 4
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Der Widerſpruch in den menſch-
lichen Wuͤnſchen.
M. Wie eilt, wie laͤuft, wie fleucht die Zeit! N. Wie
dauret mir die Zeit ſo lange!
M. Wie angenehm iſt die Geſellſchaft! N. Wie oft
macht mich ein Schwaͤtzer bange!
M. Ach waͤr ich ein geheimer Rath! N. Mich reizt
der guͤldne Mittelſtand.
M. Wie lieblich iſt die edle Freyheit! N. Wie angenehm
der Liebe Band!
M. Wie ſuͤß iſt doch die ſtille Ruhe! N. Wie gerne bin
ich auf der Reiſe!
M. Wie wuͤnſch ich einſt vermaͤhlt zu ſeyn! N. Wie
ekelt mich vor dieſer Speiſe!
M. Ach moͤchte mich die Nachwelt kennen! N. Wer
unbekannt, hat wohl gelebt.
M. Haͤtt’ ich des reichen Croͤſus Schaͤtze! N. Was hilft
dirs, wenn man dich begraͤbt?
M. Bey Hofe ſuch ich nur mein Gluͤck. N. Jch find’ es
beym Soldatenſtande.
M. Was bringt die Schiffahrt nicht fuͤr Luſt! N. Viel
ſichrer iſt es auf dem Lande.
Auf ſolche Weiſe wuͤnſcht und handelt das ganze
menſchliche Geſchlecht.

So ſaget M. ſo ſaget N. Wer aber hat, von bey-
den, Recht?


Unbillig-
H h 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0507" n="487"/>
        <fw place="top" type="header">zum irdi&#x017F;chen Vergnu&#x0364;gen in Gott.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">Der Wider&#x017F;pruch in den men&#x017F;ch-</hi><lb/>
lichen Wu&#x0364;n&#x017F;chen.</head><lb/>
          <lg n="3">
            <l><hi rendition="#aq">M.</hi><hi rendition="#in">W</hi>ie eilt, wie la&#x0364;uft, wie fleucht die Zeit! <hi rendition="#aq">N.</hi> Wie<lb/><hi rendition="#et">dauret mir die Zeit &#x017F;o lange!</hi><lb/><hi rendition="#aq">M.</hi> Wie angenehm i&#x017F;t die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft! <hi rendition="#aq">N.</hi> Wie oft<lb/><hi rendition="#et">macht mich ein Schwa&#x0364;tzer bange!</hi><lb/><hi rendition="#aq">M.</hi> Ach wa&#x0364;r ich ein geheimer Rath! <hi rendition="#aq">N.</hi> Mich reizt<lb/><hi rendition="#et">der gu&#x0364;ldne Mittel&#x017F;tand.</hi><lb/><hi rendition="#aq">M.</hi> Wie lieblich i&#x017F;t die edle Freyheit! <hi rendition="#aq">N.</hi> Wie angenehm<lb/><hi rendition="#et">der Liebe Band!</hi><lb/><hi rendition="#aq">M.</hi> Wie &#x017F;u&#x0364;ß i&#x017F;t doch die &#x017F;tille Ruhe! <hi rendition="#aq">N.</hi> Wie gerne bin<lb/><hi rendition="#et">ich auf der Rei&#x017F;e!</hi><lb/><hi rendition="#aq">M.</hi> Wie wu&#x0364;n&#x017F;ch ich ein&#x017F;t verma&#x0364;hlt zu &#x017F;eyn! <hi rendition="#aq">N.</hi> Wie<lb/><hi rendition="#et">ekelt mich vor die&#x017F;er Spei&#x017F;e!</hi><lb/><hi rendition="#aq">M.</hi> Ach mo&#x0364;chte mich die Nachwelt kennen! <hi rendition="#aq">N.</hi> Wer<lb/><hi rendition="#et">unbekannt, hat wohl gelebt.</hi><lb/><hi rendition="#aq">M.</hi> Ha&#x0364;tt&#x2019; ich des reichen Cro&#x0364;&#x017F;us Scha&#x0364;tze! <hi rendition="#aq">N.</hi> Was hilft<lb/><hi rendition="#et">dirs, wenn man dich begra&#x0364;bt?</hi><lb/><hi rendition="#aq">M.</hi> Bey Hofe &#x017F;uch ich nur mein Glu&#x0364;ck. <hi rendition="#aq">N.</hi> Jch find&#x2019; es<lb/><hi rendition="#et">beym Soldaten&#x017F;tande.</hi><lb/><hi rendition="#aq">M.</hi> Was bringt die Schiffahrt nicht fu&#x0364;r Lu&#x017F;t! <hi rendition="#aq">N.</hi> Viel<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ichrer i&#x017F;t es auf dem Lande.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Auf &#x017F;olche Wei&#x017F;e wu&#x0364;n&#x017F;cht und handelt das ganze<lb/><hi rendition="#et">men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlecht.</hi></l><lb/>
            <l>So &#x017F;aget <hi rendition="#aq">M.</hi> &#x017F;o &#x017F;aget <hi rendition="#aq">N.</hi> Wer aber hat, von bey-<lb/><hi rendition="#et">den, Recht?</hi></l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">H h 4</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Unbillig-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[487/0507] zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Der Widerſpruch in den menſch- lichen Wuͤnſchen. M. Wie eilt, wie laͤuft, wie fleucht die Zeit! N. Wie dauret mir die Zeit ſo lange! M. Wie angenehm iſt die Geſellſchaft! N. Wie oft macht mich ein Schwaͤtzer bange! M. Ach waͤr ich ein geheimer Rath! N. Mich reizt der guͤldne Mittelſtand. M. Wie lieblich iſt die edle Freyheit! N. Wie angenehm der Liebe Band! M. Wie ſuͤß iſt doch die ſtille Ruhe! N. Wie gerne bin ich auf der Reiſe! M. Wie wuͤnſch ich einſt vermaͤhlt zu ſeyn! N. Wie ekelt mich vor dieſer Speiſe! M. Ach moͤchte mich die Nachwelt kennen! N. Wer unbekannt, hat wohl gelebt. M. Haͤtt’ ich des reichen Croͤſus Schaͤtze! N. Was hilft dirs, wenn man dich begraͤbt? M. Bey Hofe ſuch ich nur mein Gluͤck. N. Jch find’ es beym Soldatenſtande. M. Was bringt die Schiffahrt nicht fuͤr Luſt! N. Viel ſichrer iſt es auf dem Lande. Auf ſolche Weiſe wuͤnſcht und handelt das ganze menſchliche Geſchlecht. So ſaget M. ſo ſaget N. Wer aber hat, von bey- den, Recht? Unbillig- H h 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/507
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/507>, abgerufen am 23.11.2024.